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»Heiße Quellen!« sagte Theros, der plötzlich verstand. »Genau, das erklärt den ständigen Nebel. Und dieser dunkle Umriß...«

»Die Brücke, die über sie führt«, entgegnete Silvara und richtete ihre Fackel auf etwas, das sie nun als eine Steinbrücke erkennen konnten, die über das dampfende Wasser führte.

»Da sollen wir rübergehen!« rief Flint aus und starrte entsetzt auf das schwarze, sprudelnde Wasser. »Da sollen wir rübergehen...«

»Sie wird die Gangbrücke genannt«, erklärte Silvara.

Die einzige Antwort des Zwerges war ein unterdrücktes Würgen.

Die Gangbrücke war ein langer Brückenbogen aus purem weißem Marmor. Auf beiden Seiten erhoben sich hohe Säulen mit lebensgetreuen Abbildungen von Rittern, die über das sprudelnde Wasser gingen. Der Bogen wölbte sich so weit in die Höhe, daß sie durch den Nebel nicht seine Spitze erkennen konnten. Und die Brücke war alt, so alt, daß Flint andächtig den Stein berührte. Er konnte jedoch nicht erkennen, wer ihr Baumeister gewesen war, es war weder das Werk von Zwergen oder Elfen noch von Menschen. Wer hatte diese wunderschöne Arbeit ausgeführt?

Dann bemerkten sie, daß es keine Handläufe gab, nur die Marmorbögen, glitschig und glänzend vom Nebel, der ständig von den Quellen hochwallte.

»Wir können nicht hinübergehen«, sagte Laurana mit bebender Stimme. »Und jetzt sind wir in der Falle...«

»Wir können hinübergehen«, sagte Silvara. »Denn wir sind aufgefordert zu kommen.«

»Aufgefordert?« wiederholte Laurana wütend. »Von wem? Wo?«

»Wartet«, befahl Silvara.

Sie warteten. Sie hatten keine andere Wahl. Sie standen um die Fackel und starrten sie an, aber sie sahen nur den Nebel aufsteigen und hörten nur das sprudelnde Wasser.

»Die Zeit für Solinari ist gekommen«, sagte Silvara plötzlich, schwang ihren Arm – und schleuderte die Fackel in das Wasser.

Die Dunkelheit verschluckte sie. Instinktiv rückten sie enger zusammen. Silvara schien mit dem Licht verschwunden zu sein.

Gilthanas rief nach ihr, aber sie antwortete nicht.

Dann verwandelte sich der Nebel in schimmerndes Silber. Sie konnten wieder etwas sehen, und jetzt konnten sie auch Silvara sehen, ein dunkler, schattenhafter Umriß gegen den silbernen Nebel. Sie stand am Fuß der Brücke und starrte in den Himmel.

Langsam hob sie ihre Hände, und langsam teilte sich der Nebel.

Die Gefährten blickte nach oben; der Nebel trennte sich wie lange, anmutige Finger, um den silbernen Mond zu enthüllen, der voll und leuchtend im sternenklaren Himmel stand.

Silvara sprach seltsame Worte, und das Mondlicht ergoß sich über sie und badete sie in seinem Licht. Das Licht des Mondes beleuchtete das sprudelnde Wasser, ließ es zu Leben erwachen und silbrig tanzen. Es beleuchtete die Marmorbrücke, ließ die Ritter zum Leben erwachen, die für alle Ewigkeit den Strom überquerten.

Aber es war nicht dieser wunderschöne Anblick, der die Gefährten dazu brachte, sich mit zitternden Händen zu umklammern und sich gegenseitig festzuhalten. Das Licht des Mondes auf dem Wasser war nicht der Grund, daß Flint den Namen von Reorx rief, im andächtigsten Gebet, das er jemals gesprochen hatte; daß Laurana ihren Kopf an die Schulter ihres Bruders lehnte, ihre Augen sich mit plötzlichen Tränen füllten; daß Gilthanas sie ganz fest an sich gedrückt hielt, überwältigt von einem Gefühl der Angst, der Demut und der Verehrung.

Hoch über ihnen, mit einem gigantischen Haupt, als würde er einen Mond vom Himmel reißen können, erhob sich die Gestalt eines Drachen, der in eine Felswand gemeißelt war und im Mondschein silbern glänzte.

»Wo sind wir?« fragte Laurana mit heiserer Stimme. »Was ist das für ein Ort?«

»Wenn ihr die Gangbrücke überquert, werdet ihr vor dem Monument des Silbernen Drachen stehen«, antwortete Silvara leise. »Es bewacht das Grabmal von Huma, des Ritters von Solamnia.«

20

Das Grabmal von Huma

Im Licht von Solinari glänzte die Gangbrücke über den sprudelnden Quellen des Nebelhafen-Tals wie Perlen, die auf einer Silberkette aufgefädelt sind.

»Fürchtet euch nicht«, sagte Silvara wieder. »Das Überqueren ist nur für jene schwierig, die das Grabmal in böser Absicht aufsuchen wollen.«

Aber das überzeugte die Gefährten nicht. Ängstlich stiegen sie die Stufen zur eigentlichen Brücke hoch. Dann betraten sie zögernd den Marmorbogen, der sich vor ihnen emporwölbte und vom Dampf der Quellen naß glitzerte. Silvara führte sie, sie ging leichtfüßig und mühelos. Die anderen folgten ihr vorsichtig, sich dabei immer in der Mitte der Brücke haltend.

Ihnen gegenüber auf der anderen Seite ragte das Monument des Drachen empor. Obwohl sie wußten, daß sie auf ihre Schritte achten sollten, wurden ihre Augen ständig von ihm angezogen. Viele Male waren sie geradezu gezwungen, stehenzubleiben und es ehrfürchtig anzustarren, während unter ihnen die heißen Quellen brodelten und dampften.

»Nun – ich wette, das Wasser ist so heiß, daß man damit Fleisch kochen kann!« sagte Tolpan. Er lag flach auf dem Bauch und spähte an ihrer höchsten Stelle über den Rand der gewölbten Brücke.

»Ich w...wette, man k...könnte dich da...damit k...kochen«, stotterte der verängstigte Zwerg, der auf allen vieren kroch.

»Sieh mal, Flint! Paß auf. Ich habe ein Stück Fleisch dabei. Ich binde es an einen Faden, und dann lassen wir es ins Wasser...«

»Komm weiter!« brüllte Flint.

Tolpan seufzte und schloß seinen Beutel. »Du hast überhaupt keinen Sinn für Humor«, beklagte er sich und glitt auf dem Hosenboden zur anderen Seite der Brücke.

Aber für die restlichen Gefährten war es eine furchtbare Reise, und alle seufzten erleichtert auf, als sie die Brücke hinter sich gelassen und festen Boden unter den Füßen hatten.

Keiner von ihnen hatte mit Silvara während des Überquerens gesprochen, alle waren zu sehr beschäftigt gewesen, lebend über die Gangbrücke zu kommen. Aber als sie die andere Seite erreicht hatten, stellte Laurana als erste Fragen.

»Warum hast du uns hierhergebracht?«

»Traust du mir immer noch nicht?« fragte Silvara traurig.

Laurana zögerte. Ihr Blick schweifte wieder über den riesigen Steindrachen, dessen Kopf mit Sternen gekrönt war. Der steinerne Mund war in einem stummen Schrei geöffnet, und die steinernen Augen blickten wild. Die steinernen Flügel waren aus der Steinwand herausgemeißelt. Eine Steinklaue, so massiv wie die Stämme von hundert Vallenholzbäumen, streckte sich nach vorn.

»Du hast die Kugel der Drachen weggeschickt, dann bringst du uns zu einem Monument, das einem Drachen gewidmet ist!« sagte Laurana nach einem Moment, ihre Stimme bebte. »Was soll ich denken? Und du führst uns zu diesem Ort, den du Humas Grabmal nennst. Wir wissen nicht einmal, ob Huma gelebt hat oder ob es eine Legende ist. Welche Beweise gibt es denn, daß dies wirklich sein letzter Ruheplatz ist? Ist sein Körper auch hier?«

»N...nein«, stammelte Silvara. »Sein Körper ist verschwunden, so wie...«

»So wie was?«

»So wie die Lanze, die er trug, die Drachenlanze, um den Drachen aller und doch keiner Farbe zu vernichten.« Silvara seufzte und senkte ihren Kopf. »Kommt herein«, bat sie, »und laßt uns heute nacht hier ausruhen. Ich verspreche euch, morgen wird alles klar.«

»Ich glaube nicht...«, begann Laurana.

»Wir gehen hinein!« sagte Gilthanas entschlossen. »Du benimmst dich wie ein verzogenes Kind, Laurana! Warum sollte Silvara uns in Gefahr führen? Wenn hier ein Drache leben sollte, würden alle in Ergod davon wissen! Er hätte alle auf der Insel vor langer Zeit vernichten können. Ich spüre an diesem Ort nichts Böses, nur tiefen und uralten Frieden. Und es ist ein sehr gutes Versteck! Bald werden die Elfen erfahren, daß die Kugel sicher Sankrist erreicht hat. Dann hören sie mit der Suche auf, und wir können gehen. Stimmt es nicht, Silvara? Das ist doch der Grund, warum du uns hierhergebracht hast.«