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In diesem Moment hörte er Fürst Gunther schreien: »Die Kugel der Drachen gehört rechtmäßig nicht Euch! Laurana und die anderen wollten sie uns bringen, aber sie erlitten Schiffbruch! Ihr habt versucht, sie mit Gewalt auf Ergod zu behalten, und Eure eigene Tochter...«

»Erwähnt nicht meine Tochter!« unterbrach die Stimme mit einer tiefen, barschen Stimme. »Ich habe keine Tochter mehr.«

Etwas brach in Tolpan zusammen. Verwirrte Erinnerungen an Laurana, die verzweifelt gegen den bösartigen Zauberer kämpfte, der die Kugel bewachte, Laurana, die gegen Drakonier kämpfte, Laurana, die ihren Bogen auf den weißen Drachen abgeschossen hatte, Laurana, die ihn so liebevoll gepflegt hatte, als er todkrank daniederlag. Von ihrem eigenen Volk verstoßen zu werden, während sie verzweifelt daran arbeitete, es zu retten, während sie soviel geopfert hatte...

»Seid still!« hörte Tolpan sich selbst schreien. »Seid sofort still, und hört mir zu!«

Zu seinem Erstaunen hörten alle auf zu reden und starrten ihn an.

Da er nun seine Zuhörerschaft hatte, wurde Tolpan klar, daß er überhaupt nicht wußte, was er diesen wichtigen Leuten sagen sollte. Aber er wußte, er mußte etwas sagen. Trotz allem, dachte er, es war mein Fehler – ich habe über diese verdammten Kugeln gelesen. Er schluckte, glitt von seiner Bank und ging auf den Weißstein und die zwei feindlichen Gruppen zu, die um ihn herum standen. Einen Moment lang hatte er den Eindruck, daß Fizban unter seinem Hut grinste.

»Ich... ich...«, stammelte der Kender und überlegte, was er nun sagen sollte. Aber eine plötzliche Inspiration rettete ihn.

»Ich verlange das Recht, mein Volk zu vertreten«, sagte Tolpan stolz, »und nehme meinen Platz bei den beratenden Mitgliedern ein.«

Er warf seinen langen Zopf über die Schulter und ging auf die Kugel der Drachen zu. Der Weißstein ragte hoch über ihm.

Tolpan starrte auf den Stein, erbebte, dann richtete er seinen Blick auf Gunther und die Stimme der Sonnen.

Und dann wußte Tolpan, was er zu tun hatte. Er begann vor Angst zu zittern. Er – Tolpan Barfuß – der in seinem Leben nie Angst gehabt hatte! Er hatte Drachen ohne jedes Zittern gegenübergestanden, aber das Wissen, was er nun tun würde, erschreckte ihn. Seine Hände fühlten sich an, als ob er Schneebälle ohne Handschuhe formte. Seine Zunge war so lang, als ob sie nicht ihm gehörte. Aber Tolpan war entschlossen. Er mußte nur weiterreden, sie davon abhalten, seinen Plan zu erkennen.

»Ihr habt uns Kender nie sehr ernst genommen, nicht wahr«, begann Tolpan, seine Stimme kam ihm sehr laut und schrill vor.

»Und ich kann euch keine Schuld dafür geben. Wir haben keinen ausgeprägten Sinn für Verantwortung, vermute ich, und wir sind vermutlich zu neugierig – aber, ich frage euch, wie soll man etwas herausfinden, wenn man nicht neugierig ist?«

Tolpan sah, wie das Gesicht der Stimme zu Stahl wurde, selbst Fürst Gunther blickte finster. Der Kender näherte sich der Kugel.

»Wir verursachen eine Menge Ärger, denke ich, ohne es zu beabsichtigen, und gelegentlich passiert es, daß einige von uns gewisse Dinge erwerben, die ihnen nicht gehören. Aber es gibt eine Sache, die Kender wissen, und...«

Tolpan fing an zu rennen. Schnell und behende wie eine Maus schlüpfte er durch die Hände, die versuchten, ihn zu fangen, und erreichte die Kugel der Drachen innerhalb von Sekunden. Gesichter tauchten verschwommen auf, Münder öffneten sich und schrien ihn an. Aber sie kamen zu spät.

Mit einer einzigen schnellen Bewegung schleuderte Tolpan die Kugel der Drachen gegen den riesigen Weißstein.

Der runde, glänzende Kristall – sein Inneres wirbelte erregt hing einige lange Sekunden in der Luft. Tolpan fragte sich, ob die Kugel die Macht hätte, den eigenen Flug aufzuhalten. Aber das schien nur sein Eindruck zu sein.

Die Kugel der Drachen schlug gegen den Stein und zerschmetterte, zerbrach in tausend funkelnde Stücke. Einen Moment lang hing eine milchigweiße Rauchkugel in der Luft, als ob sie verzweifelt versuchte, zusammenzubleiben. Dann wurde auch sie von der warmen Brise der Lichtung erfaßt und auseinandergerissen.

Es setzte ein gespanntes, schreckliches Schweigen ein.

Der Kender stand da und sah ruhig und gelassen auf die zerschmetterte Kugel der Drachen.

»Wir wissen«, sagte er mit leiser Stimme, die wie ein winziger Regentropfen in das fürchterliche Schweigen fiel, »daß wir nicht uns, sondern die Drachen bekämpfen sollen.«

Keiner rührte sich. Keiner sprach. Dann gab es einen Aufprall.

Gnosch war ohnmächtig geworden.

Das Schweigen brach – fast so zerschmetternd wie das Zerspringen der Kugel. Fürst Gunther und die Stimme stürzten gleichzeitig auf Tolpan zu. Einer hielt den Kender an der linken, der andere an der rechten Schulter fest.

»Was hast du getan?« Fürst Gunthers Gesicht war aschgrau, seine Augen wild, als er den Kender mit zitternden Händen ergriff.

»Du hast den Tod über uns gebracht!« Die Finger der Stimme gruben sich in Tolpans Fleisch wie die Klauen eines Raubvogels. »Du hast unsere einzige Hoffnung zerstört!«

»Und dafür wird er der erste sein, der stirbt!«

Porthios stand mit seinem glitzernden Schwert in der Hand über dem niedergekauerten Kender. Der Kender duckte sich zwischen dem Elfenkönig und dem Ritter, sein kleines Gesicht war blaß, seine Miene trotzig. Er hatte gewußt, daß für dieses Verbrechen der Tod die Strafe sein würde.

Tanis wird über mein Handeln unglücklich sein, dachte Tolpan traurig. Aber zumindest wird er erfahren, daß ich mutig gestorben bin.

»Nun, nun, nun...«, sagte eine verschlafene Stimme. »Niemand wird sterben! Zumindest nicht im Moment. Hör auf, mit dem Schwert herumzufuchteln, Porthios! Du könntest jemanden verletzen.«

Tolpan lugte zwischen den vielen Armen und den glänzenden Rüstungen hindurch und sah Fizban, der gähnend über den Körper des Gnomen stieg und auf sie zutrottete. Elfen und Menschen machten ihm den Weg frei, als ob eine unsichtbare Macht sie dazu zwingen würde.

Porthios wirbelte zu Fizban herum. Er war so wütend, daß ihm der Speichel über die Lippen lief und seine Worte kaum zu verstehen waren.

»Hüte dich, alter Mann, oder dir wird es genauso ergehen!«

»Ich sagte, hör auf, mit dem Schwert herumzufuchteln«, schnappte Fizban wütend und deutete auf die Waffe.

Porthios ließ die Waffe mit einem wilden Schrei fallen. Er umklammerte seine brennende Hand und starrte erstaunt auf das Schwert – aus dem Knauf waren Dornen gewachsen! Fizban stellte sich neben den Elfenlord und musterte ihn wütend.

»Du bist ein feiner junger Mann, aber man hätte dich ein wenig mehr Respekt vor Älteren lehren sollen. Ich habe dir gesagt, daß du das Schwert weglegen sollst, und das war mein Ernst! Vielleicht glaubst du mir beim nächsten Mal!« Fizbans unheilvoller Blick wanderte zu der Stimme. »Und du, Solostaran, warst vor ungefähr zweihundert Jahren ein guter Mann. Hast es geschafft, drei feine Kinder aufzuziehen – ich sagte, drei feine Kinder. Erzähl mir nicht so einen Unsinn, daß du keine Tochter hast. Du hast eine, und sie ist ein gutes Mädchen. Mehr Verstand als ihr Vater. Muß nach ihrer Mutter kommen. Wo war ich stehengeblieben? O ja. Und du hast auch Tanis, den Halb-Elfen, großgezogen. Du weißt, Solostaran, mit diesen vier jungen Leuten könnten wir diese Welt noch retten. Jetzt sollen sich alle hinsetzen. Ja, du auch, Fürst Gunther. Komm schon, Solostaran, ich helfe dir. Wir alten Männer sollten zusammenhalten. Zu schade, daß du so ein verdammter Narr bist.«

In seinen Bart murmelnd, führte Fizban den erstaunten Elfen zu seinem Platz. Porthios, dessen Gesicht vor Schmerzen verzogen war, taumelte mit Hilfe seiner Krieger zu seinem Sitz.

Langsam setzten sich die versammelten Elfen und Ritter hin und murmelten vor sich hin – alle warfen düstere Blicke auf die zerschmetterte Kugel der Drachen, die neben dem Weißstein lag.

Fizban half der Stimme auf seinen Stuhl, warf Lord Quinath einen finsteren Blick zu, der gedacht hatte, etwas sagen zu müssen, aber dann schnell entschied, den Mund zu halten. Zufrieden ging der alte Magier zum Weißstein zurück, wo Tolpan benommen und verwirrt stand.