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»Ich bin ein Ritter von Solamnia«, sagte Sturm. »Mein Schwert ist meine Ehre, und meine Ehre ist mein Leben. Ich habe im Gasthaus mein Wort gegeben, daß ich Euch und Eure Dame beschützen werde. Falls Ihr Euch entscheidet, mein Wort anzuzweifeln, bezweifelt Ihr meine Ehre und beleidigt mich. Ich kann nicht dulden, daß diese Beleidigung im Raum stehenbleibt.« »Sturm!« Tanis war auf den Füßen.

Der Ritter, der seine Augen auf den Barbar gerichtet hielt, hob seine Hand. »Misch dich nicht ein, Tanis«, sagte Sturm. »Nun, wie sollen wir es austragen - Schwerter, Messer? Wie kämpft ihr Barbaren?«

Flußwinds unerschütterlicher Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Er betrachtete den Ritter aufmerksam mit seinen dunklen Augen. Dann sprach er, wobei er seine Worte sorgfältig wählte. »Ich wollte Eure Ehre nicht in Frage stellen. Ich kenne die Menschen und ihre Städte nicht, und ich sage es geradeheraus ich habe Angst. Es ist meine Angst, die mich so sprechen läßt. Ich habe Angst, seitdem man mir den blauen Kristallstab übergeben hat. Und vor allem habe ich Angst um Goldmond.« Der Barbar sah zu der Frau hinüber. »Ohne sie werde ich sterben. Wie soll ich Vertrauen...« Seine Stimme versagte. Seine gleichmütige Maske brach zusammen, und sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz und Müdigkeit. Seine Knie sackten zusammen, und er fiel vornüber. Sturm fing ihn auf.

»Du hast recht«, sagte der Ritter. »Ich verstehe. Du bist müde und krank.« Tanis half ihm, den Barbar im hinteren Teil der Höhle hinzulegen. »Ruhe dich aus. Ich werde Wache halten.« Der Ritter schob sich an dem Busch vorbei, und ohne ein weiteres Wort zu sagen, trat er in den Regen hinaus. Goldmond hatte der heftigen Auseinandersetzung schweigend zugehört. Jetzt kniete sie an Flußwinds Seite. Er legte seinen Arm um sie und hielt sie dicht an sich, sein Gesicht in ihr silbriggoldenes Haar vergraben. In Flußwinds Fellumhang eingehüllt, schliefen sie bald ein, Goldmonds Kopf ruhte auf seiner Brust.

Tanis atmete erleichtert auf und wandte sich wieder Raistlin zu. Der Magier war in einen unruhigen Schlaf gefallen. Manchmal murmelte er seltsame Worte in der Sprache der Magie, seine Hand griff nach dem Stab. Tanis blickte zu den anderen. Tolpan saß neben dem Feuer und sortierte seine »erworbenen« Schätze. Er saß im Schneidersitz, die Schätze vor sich auf dem Höhlenboden ausgebreitet. Tanis konnte glitzernde Ringe sehen, einige ungewöhnliche Münzen, die Feder eines Ziegenmelkervogels, mehrere Schnüre, ein Perlenhalsband, eine Seifenpuppe und eine Pfeife. Einer der Ringe kam ihm bekannt vor. Es war ein Elfenring, den Tanis vor langer Zeit von einer ihm wichtigen Person erhalten hatte.

Tanis schlich zum Kender hinüber, um die anderen nicht zu wecken. »Tolpan...« Er klopfte dem Kender auf die Schulter. »Mein Ring...«

»Wirklich?« fragte Tolpan mit unschuldigen, weit geöffneten Augen. »Ist das deiner? Dann bin ich ja froh, daß ich ihn gefunden habe. Du mußt ihn im Wirtshaus verloren haben.« Tanis nahm den Ring mit einem gequälten Lächeln an sich, dann setzte er sich zum Kender. »Hast du eine Karte dieser Gegend, Tolpan?« Die Augen des Kenders glänzten. »Eine Karte? Ja, Tanis. Natürlich.« Er fegte all seine Schätze zusammen, stopfte sie in einen Beutel und fingerte einen handbemalten, hölzernen Schriftrollenbehälter aus einem anderen Beutel. Er zog ein Bündel Karten heraus. Tanis hatte schon früher die Sammlung des Kenders gesehen, aber sie überraschte ihn immer wieder aufs neue.

»Ich dachte, du kennst hier jeden Baum, Tanis.« Tolpan sortierte seine Karten, gelegentlich fiel ein sehnsüchtiger Blick auf eine besonders schöne.

Der Halb-Elf schüttelte den Kopf. »Ich habe hier viele Jahre gelebt«, sagte er. »Aber ich kenne nicht alle dunklen und geheimen Wege.«

»Es wird nicht viele nach Haven geben.« Tolpan zog eine Karte hervor und breitete sie auf dem Boden aus. »Die HavenStraße durch das Solace-Tal ist der kürzeste Weg, das steht fest.«

Tanis studierte die Karte beim Schein des erlöschenden Lagerfeuers. »Du hast recht«, sagte er. »Die Straße ist nicht nur der direkteste – es scheint auch der einzig passierbare Weg für mehrere Meilen zu sein. Sowohl im Süden als auch im Norden liegt vor uns das Kharolis-Gebirge - keine Pässe.« Stirnrunzelnd rollte Tanis die Karte auf und gab sie zurück. »Was wird sich wohl der Theokrat ausmalen?«

Tolpan gähnte. »Nun«, sagte er und steckte die Karte sorgfältig wieder in den Behälter, »dies ist ein Problem, das von klügeren Leuten, als ich es bin, gelöst werden wird. Ich bin zu meinem Vergnügen da.« Nachdem er den Behälter wieder in einem Beutel verstaut hatte, legte er sich flach auf den Boden, zog seine Beine bis zum Kinn hoch und schlief bald den friedlichen Schlaf kleiner Kinder und Tiere.

Tanis sah ihn neidisch an. Obwohl er todmüde war, konnte er sich nicht entspannen. Die meisten waren inzwischen eingeschlummert, nur der Caramon wachte über seinen Bruder. Tanis ging zu ihm hinüber. »Leg dich hin«, flüsterte er. »Ich passe auf Raistlin auf.« »Nein«, sagte der Caramon. »Vielleicht braucht er mich.« »Aber du könntest auch ein wenig Schlaf gebrauchen.« »Aber ja doch.« Caramon grinste. »Leg dich selbst ein wenig hin, Kindermädchen. Deinen Kindern geht es gut. Schau - sogar dem Zwerg.« »Da brauch' ich nicht hinzusehen«, sagte Tanis. »Der Theo-krat kann ihn höchstwahrscheinlich in Solace schnarchen hören. Nun, mein Freund, dieses Wiedersehen ist nicht so verlaufen, wie wir es vor fünf Jahren geplant hatten.«

»Was ist?« fragte Caramon leise und sah zu seinem Bruder. Tanis tätschelte ihn am Arm, dann legte er sich hin, rollte sich in seinen Mantel und schlief schließlich ein.

Die Nacht verstrich - langsam für die, die Wache hielten, schnell für die Schlafenden. Caramon löste Sturm ab. Tanis löste Caramon ab. Der Sturm heulte die ganze Nacht, der Wind peitschte den See auf. Blitze krachten durch die Nacht, Bäume standen in Flammen. Unentwegt rollte der Donner. Gegen Morgen beruhigte sich der Sturm, und der Halb-Elf sah in die graue, eisige Dämmerung. Der Regen hatte aufgehört, aber die Sturmwolken hingen immer noch tief. Die Sonne kam nicht durch. Tanis verspürte wachsenden Druck. Eine Wetterbesserung war nicht abzusehen in Anbetracht der Sturmwolken, die sich zum Norden hin versammelten. Herbststürme waren selten, besonders solche heftigen. Da er der Natur eng verbunden war, war Tanis über das seltsame Wetter fast genauso beunruhigt wie Raistlin über die Sternenkonstellation. Er fühlte, daß sie aufbrechen mußten, obwohl es noch sehr früh war. Er ging in die Höhle, um die anderen zu wecken.

Trotz des Feuers war die Höhle eisig und düster. Goldmond und Tolpan bereiteten das Frühstück. Flußwind stand im hinteren Teil der Höhle und schüttelte Goldmonds Fellumhang aus. Tanis sah zu ihm. Der Barbar war gerade im Begriff gewesen, Goldmond etwas zu sagen, als Tanis eintrat. Er blieb stumm und begnügte sich damit, sie bedeutungsvoll anzusehen, während er mit seiner Arbeit fortfuhr. Goldmond hielt ihre Augen gesenkt, ihr Gesicht war blaß, und sie sah beunruhigt aus. Der Barbar bereute sein Verhalten vom Vortag, kam Tanis zum Bewußtsein. »Leider gibt es nicht viel zu essen«, sagte Goldmond. »Tikas Speisekammer war nicht gerade üppig bestückt«, fügte Tolpan entschuldigend hinzu. »Wir haben nur ein Brot, etwas Trockenfleisch, Käse und Weizenmehl. Tika muß immer auswärts essen.«

»Flußwind und ich haben überhaupt nichts dabei«, sagte Goldmond. »Wir waren nicht auf diese Reise vorbereitet.« Tanis wollte sie nach dem Stab fragen, aber die anderen wurden gerade wach, als sie den Essensduft rochen. Caramon gähnte, streckte sich und erhob sich. Er ging zum Kochtopf hinüber und grunzte dann: »Mehlbrei? Ist das alles?« »Zum Abendessen wird es noch weniger geben.« Tolpan grinste. »Schnallt eure Gürtel enger. Du nimmst doch sowieso von jedem Körnchen zu.«

Der schwere Mann seufzte ergeben.

Das spärliche Frühstück wurde in der kalten Dämmerung lustlos verspeist. Sturm, der alle Essensangebote ablehnte, hielt wieder draußen Wache. Caramon aß schnell seinen Anteil, verschlang noch die Portion seines Bruders und machte sich dann über Sturms Essen her, als der Ritter einmal hinausgegangen war. Der große Mann sah den anderen sehnsüchtig beim Essen zu.