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»Willst du das essen?« fragte er, auf Flints Brot deutend. Der Zwerg knurrte. Tolpan, der die Augen des Kämpfers über seinen Teller streifen sah, stopfte sein Brot in den Mund und erstickte fast daran. Zumindest hält es ihn ruhig, dachte Tanis. Tolpan hatte Flint den ganzen Morgen lang unbarmherzig gehänselt, ihn »Herrscher der Meere« und »Schiffskamerad« genannt, ihn nach dem Fischpreis gefragt und wie viel er verlangen würde, sie wieder über den See zu rudern. Flint hatte schließlich einen Stein nach ihm geworfen, und Tanis hatte Tolpan zum Ufer geschickt, um die Töpfe zu spülen.

Der Halb-Elf ging zum hinteren Teil der Höhle.

»Wie geht es dir heute, Raistlin?« fragte er. »Wir müssen uns bald auf den Weg machen.«

»Mir geht es viel besser«, erwiderte der Magier mit seiner leisen, wispernden Stimme. Er trank einen selbstgebrauten Kräutertee. Tolpan kam zur Höhle zurück und klapperte laut mit den Töpfen und Blechtellern. Tanis biß die Zähne bei dem Krach zusammen und wollte den Kender rügen, änderte dann aber seine Meinung. Es würde keinen Sinn haben.

Flint, der die Anspannung in Tanis' Gesicht sah, nahm dem Kender das Zeug ab und verstaute es. »Reiß dich mal zusammen«, zischte der Zwerg Tolpan zu. »Oder ich fasse dich am Schöpf und häng' dich an einen Baum als Warnung für alle Kender...«

Tolpan zog etwas aus dem Bart des Zwergen. »Schau mal!« Der Kender hielt es schadenfroh hoch. »Algen!« Flint brüllte auf und wollte nach dem Kender greifen, aber Tolpan war flink ausgewichen.

Es raschelte, als Sturm das Gesträuch im Eingang wegschob. Sein Gesicht war dunkel und nachdenklich.

»Hört endlich auf!« fuhr er Flint und Tolpan an. Sein Schnurrbart zitterte. Sein mürrischer Blick richtete sich auf Tanis. »Ich kann diese zwei deutlich bis zum See hören. Sie werden jeden Goblin auf Krynn auf uns aufmerksam machen. Wir müssen hier verschwinden. Nun, welchen Weg nehmen wir?« Ein ungemütliches Schweigen entstand. Alle, außer Raistlin, hielten in ihrer Tätigkeit inne und sahen auf Tanis. Der Magier wischte seinen Becher mit einem weißen Tuch aus. Er säuberte ihn weiter mit gesenkten Augen, als hätte Sturm nichts gefragt. Dann seufzte er und kratzte sich am Bart. »Wir wissen nun, daß der Theokrat von Solace bestechlich ist. Er benutzt diesen Goblinabschaum, um die Kontrolle über alles zu haben. Wenn er den Stab bekommen würde, würde er ihn zu seinem eigenen Gewinn einsetzen. Seit Jahren suchen wir nach einem Zeichen der wahren Götter. Anscheinend haben wir es gefunden. Ich habe nicht vor, diesen Stab diesem Betrüger in Solace zu überlassen. Tika sagte, sie sei überzeugt, daß die Sucherfürsten in Haven immer noch an der Wahrheit interessiert seien. Sie könnten uns vielleicht etwas über den Stab sagen, woher er kommt, welches seine Mächte sind. Tolpan, gib mir die Karte.« Der Kender verstreute den Inhalt sämtlicher Beutel auf dem Boden und holte schließlich die verlangte Karte hervor. »Wir sind hier, am Westufer des Krystalmir-Sees«, fuhr Ta-nis fort. »Nördlich und südlich von uns erstrecken sich die Ausläufer des Kharolis-Gebirges, die die Grenzen zum Solace-Tal bilden. Es sind keine Wege durch ihre Gebirgsketten bekannt, außer dem Torweg-Paß südlich von Solace...«

»Und der wird mit Sicherheit von Goblins bewacht«, murmelte Sturm. »Es gibt Durchgänge im Nordosten...«

»Das ist über den See!« sagte Flint voller Angst.

»Ja«, sagte Tanis, ohne eine Miene zu verziehen, »über den See. Aber diese Wege führen zu den Ebenen, und ich glaube nicht, daß ihr in diese Richtung gehen wollt.« Er sah zu Goldmond und Fluß wind. »Die westliche Straße führt durch die Gipfel des Wächters und die Schattenschlucht nach Haven. Für mich scheint das unsere Richtung zu sein.«

Sturm runzelte die Stirn. »Und wenn die Sucherfürsten genauso verkommen sind wie der in Solace?«

»Dann reisen wir weiter in den Süden, nach Qualinesti.« »Qualinesti?« Flußwind blickte finster drein. »Das Land der Elfen? Nein! Den Menschen ist verboten, es zu betreten. Außerdem ist der Weg geheim...« Eine röchelnde, zischende Stimme unterbrach die Diskussion. Alle wandten sich Raistlin zu, als er sprach. »Das ist der Weg.« Seine Stimme war gedämpft und spöttisch, seine goldenen Augen glitzerten im kalten Licht der Dämmerung. »Die Wege von Düsterwald. Sie führen direkt nach Qualinesti.«

»Düsterwald?« wiederholte Caramon beunruhigt. »Nein, Tanis!« Der Kämpfer schüttelte den Kopf. »Ich kämpfe jeden Tag mit Lebenden, wenn es sein muß - aber mit den Toten!« »Die Toten?« fragte Tolpan. »Erzähl mir, Caramon...« »Halt den Mund, Tolpan!« brauste Sturm auf. »Düsterwald ist der blanke Irrsinn. Keiner, der ihn betreten hat, ist je wieder herausgekommen. Willst du uns gegen den Stab eintauschen, Magier?«

»Halte ein!« sagte Tanis scharf. Alle schwiegen. Sogar Sturm blieb still. Der Ritter sah in Tanis' ruhiges, nachdenkliches Gesicht, in die mandelförmigen Augen, in denen die Weisheit des jahrelangen Wanderns ruhte. Der Ritter hatte sich oft Gedanken gemacht, warum er Tanis' Führerschaft akzeptierte. Trotz allem war er nur ein Bastard, ein Halb-Elf. Er war nicht von edler Herkunft. Er trug keine Rüstung, keinen Schild mit einem stolzen Wappen. Und trotzdem folgte Sturm ihm und liebte ihn und respektierte ihn so, wie er keinen anderen respektierte. Das Leben war für den solamnischen Ritter ein dunkler Schleier. Er konnte nicht sagen, daß er es kannte oder verstand, außer durch den Kodex der Ritterschaft, den er befolgte. »Est Sularus oth Mithas« – »Die Ehre ist mein Leben.« Der Kodex definierte Ehre und war vollständiger und genauer und strenger, als auf Krynn bekannt war. Der Kodex galt seit siebenhundert Jahren, aber Sturms geheime Angst war, daß eines Tages, in der letzten Schlacht, der Kodex keine Antworten mehr geben könnte. Er wußte, daß Tanis, wenn dieser Tag gekommen war, an seiner Seite wäre und die zerbröckelnde Welt zusammenhalten würde. Denn während Sturm den Kodex befolgte, lebte Tanis ihn.

Tanis' Stimme brachte die Gedanken des Ritters wieder in die Gegenwart. »Ich erinnere euch alle daran, daß dieser Stab nicht unser ›Preis‹ ist. Der Stab gehört rechtmäßig zu Goldmond – wenn er überhaupt jemandem gehört. Wir haben kein Recht auf ihn, genausowenig wie der Theokrat in Solace.« Tanis wandte sich an Goldmond. »Was ist Euer Wunsch, meine Dame?« Goldmond starrte von Tanis zu Sturm, dann auf Flußwind. »Du kennst meine Gedanken«, sagte er kalt. »Aber—du bist die Tochter des Stammeshäuptlings.« Er erhob sich. Ihren bittenden Blick ignorierend, ging er nach draußen. »Was meint er?« fragte Tanis.

»Er will, daß wir euch verlassen und mit dem Stab nach Haven gehen«, antwortete Goldmond. »Er sagt, ihr wäret eine Gefahr für uns. Auf uns allein gestellt, wären wir sicherer.« »Eine Gefahr für euch!« explodierte Flint. »Wir wären nicht hier, ich wäre nicht wieder beinahe ertrunken - wenn es nicht wegen... wegen...« Der Zwerg begann vor Wut zu stottern. Tanis erhob die Hand. »Es reicht.« Er kratzte sich am Bart. »Ihr werdet sicherer mit uns sein. Willst du unsere Hilfe annehmen?« »Ja«, sagte Goldmond, »zumindest für eine Weile.«

»Gut«, sagte Tanis. »Tolpan, du kennst den Weg durch das Solace-Tal. Du bist unser Führer. Aber vergiß nicht, wir machen keinen Ausflug mit Picknick!« »Ja, Tanis«, antwortete der Kender gedämpft. Er suchte seine vielen Beutel zusammen, hängte sie um Taille und Rücken. Als er an Goldmond vorbeiging, kniete er sich schnell hin und streichelte ihre Hand, dann war er aus der Höhle. Die anderen nahmen eilig ihr Gepäck auf und folgten ihm.

»Es wird wieder regnen«, brummte Flint mit einem Blick auf die tiefhängenden Wolken. »Wäre ich doch in Solace geblieben.« Grummelnd ging er weiter. Tanis, der auf Goldmond und Flußwind wartete, schüttelte lächelnd den Kopf. Zumindest verändert sich manches niemals, unter anderem Zwerge. Flußwind nahm Goldmond den Rucksack ab und schwang ihn über seine Schulter. »Ich hab' das Boot gut versteckt«, berichtete er Tanis. An diesem Morgen trug er wieder seine undurchdringliche Maske. »Für den Fall, daß wir es brauchen sollten.«