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»Laß dich nicht von Raistlin beunruhigen«, sagte Tanis. »Heute abend werden wir am Feuer sitzen und über seine Geistergeschichten lachen.« »Das glaube ich auch.« Flint seufzte. Einen Moment schwieg er, dann sagte er: »Eines Tages werde ich dir zur Last fallen, Tanis. Ich möchte nicht, daß du denkst, warum plage ich mich mit diesem murrenden alten Zwerg überhaupt ab?«

»Weil ich dich brauche, du murrender alter Zwerg«, sagte Tanis und legte seine Hand auf die Schulter des Zwergs. Er winkte in den Wald, den anderen nach. »Ich brauche dich, Flint. Sie sind alle so... so jung. Du bist wie ein fester Stein, gegen den ich meinen Rücken lehnen kann.«

Flint errötete vor Freude. Er zog an seinem Bart, dann räusperte er sich. »Ja, du warst schon immer sentimental. Nun komm! Wir verschwenden nur unsere Zeit. Ich will so schnell wie möglich diesen verflixten Wald durchqueren.« Dann murrte er: »Ich bin nur froh, daß es noch hell ist.«

11

Düsterwald. Der Gang der Toten. Raistlins Magie

Als Tanis den Wald betrat, empfand er nur eine tiefe Erleichterung, der brennenden Herbstsonne entkommen zu sein. Der Halb-Elf rief sich alle Legenden ins Gedächtnis, die er über den Düsterwald gehört hatte - Geistergeschichten, die nachts am Feuer erzählt wurden -, und Raistlins böse Vorahnung. Aber Tanis fand nur, daß er noch nie zuvor einen solch lebendigen Wald betreten hatte.

Kein tödliches Schweigen, wie sie es zuvor erlebt hatten. Kleine Tiere raschelten im Gebüsch, Vögel flatterten in den hohen Zweigen über ihnen. Insekten mit fröhlich schwirrenden bunten Flügeln huschten vorbei. Blätter rauschten und regten sich, Blumen wiegten sich, obwohl keine Brise sie berührte – als ob die Pflanzen ihr Leben in vollen Zügen genossen. Alle Gefährten hatten den Wald mit gezogenen Waffen betreten, vorsichtig und wachsam und argwöhnisch. Nachdem sie eine Zeitlang versucht hatten, sich lautlos durch das Laub zu bewegen, meinte Tolpan, es wäre »irgendwie dämlich«, und sie entspannten sich – alle außer Raistlin.

Sie gingen mehr als zwei Stunden weiter. Der Pfad war gut geebnet und zeichnete sich deutlich ab. Die Schatten verlängerten sich, als die Sonne allmählich tiefer glitt. Tanis fühlte sich in diesem Wald wohl. Er hatte keine Angst, daß diese schrecklichen geflügelten Kreaturen ihnen hierher folgen würden. Das Böse schien hier nicht zu wohnen, außer, wie Raistlin sagte, wenn man seine eigene Bösartigkeit in den Wald brachte. Tanis sah zum Magier. Raistlin ging allein, mit gesenktem Kopf. Die Schatten der Bäume schienen sich dicht um den jungen Magier zu sammeln. Tanis schauderte plötzlich und stellte fest, daß die Luft kühl wurde. Es war Zeit, sich über ein Nachtlager Gedanken zu machen.

Tanis zog Tolpans Karte hervor und studierte sie, bevor das Tageslicht verschwand. Die Karte war nach Elfenart angefertigt, und über dem Wald stand in schwungvollen Schriftzügen: Düsterwald. Aber der Wald selbst war nur vage umrissen, und Tanis konnte nicht sicher erkennen, ob die Worte sich auf diesen Wald bezogen oder auf einen anderen weiter südlich. Raistlin muß sich irren, entschied Tanis - dies kann nicht der Düsterwald sein. Oder falls doch, dann ist seine Bösartigkeit einfach ein Produkt der Phantasie des Magiers. Sie wanderten weiter, in die Dämmerung, jene Zeit am Abend, in der das sterbende Licht alles höchst lebendig und ausgeprägt erscheinen läßt. Die Gefährten waren erschöpft. Raistlin humpelte, und sein Atem ging in pfeifenden Zügen. Sturms Gesicht wurde aschgrau. Der Halb-Elf wollte gerade zur Rast für die Nacht aufrufen, als der Pfad sie direkt zu einer weiten, grünen Lichtung führte. Klares Wasser sprudelte aus dem Boden und tröpfelte einen glatten Felsen hinab, so einen seichten Bach formend. Die Lichtung war mit dichtem, einladendem Gras ausgelegt; hohe Bäume hielten am Rand Wache. In diesem Moment rötete sich das Sonnenlicht, verblaßte dann, und die dunstigen Schatten der Nacht krochen um die Bäume.

»Weicht nicht vom Pfad ab«, riet Raistlin, als die Gefährten auf die Lichtung zusteuern wollten.

Tanis seufzte. »Raistlin«, sagte er geduldig, »es ist alles in Ordnung. Der Pfad ist gut sichtbar - und nicht einmal zehn Meter entfernt. Komm schon. Du mußt dich ausruhen. Das müssen wir alle. Schau...« – Tanis hielt die Karte hoch – »ich glaube nicht, daß dies der Düsterwald ist. Nach der...«

Raistlin ignorierte die Karte verächtlich. Die anderen ignorierten den Magier, verließen den Pfad und begannen ein Lager aufzubauen. Sturm sank gegen einen Baum, seine Augen vor Schmerzen geschlossen, während Caramon mit hungrigen Augen auf die kleineren flüchtenden Schatten starrte. Auf ein Zeichen von Caramon schlüpfte Tolpan in den Wald, auf der Suche nach Holz für ein Feuer.

Raistlins Gesicht verzog sich zu einem bösen Lächeln. »Ihr seid alle Dummköpfe. Dies ist der Düsterwald, ihr werdet es erleben, noch bevor die Nacht endet.« Er zuckte die Schultern. »Aber, wie du schon sagst, ich muß mich ausruhen. Jedoch werde ich nicht den Pfad verlassen.« Raistlin ließ sich auf dem Weg nieder, sein Stab lag neben ihm.

Caramon errötete verlegen, als er die anderen amüsierte Blicke austauschen sah. »He, Raist«, rief er, »komm zu uns. Tolpan sucht Holz, und ich kann vielleicht einen Hasen erlegen.« »Erlege nichts!« Raistlin brachte nur noch ein Wispern hervor, das alle aufschreckte. »Richte keinen Schaden an im Düsterwald! Weder Pflanze noch Baum, Vogel oder Tier!« »Ich meine, Raistlin hat recht«, sagte Tanis. »Wir müssen hier die Nacht verbringen, und ich will kein Tier in diesem Wald töten, wenn es nicht unbedingt sein muß.«

»Elfen wollen niemals töten«, murrte Flint. »Der Magier ängstigt uns zu Tode, und du läßt uns verhungern. Nun, falls uus heute nacht etwas angreift, hoffe ich, daß es etwas Eßbares ist!«

»Das hoffe ich auch, Zwerg.« Caramon seufzte schwer und ging zum Bach, um seinen Hunger zu ertränken.

Tolpan kehrte mit Brennholz zurück. »Ich habe es nicht geschnitten«, versicherte er Raistlin. »Ich habe es nur aufgehoben.« Aber selbst Flußwind brachte das Holz nicht zum Brennen. »Das Holz ist feucht«, erklärte er schließlich.

»Wir brauchen Licht«, sagte Flint unsicher, als die nächtlichen Schatten immer dichter wurden. Die Geräusche im Gehölz, die am Tage unschuldig waren, schienen nun böse und bedrohlich. »Du fürchtest dich doch nicht etwa vor Kindergeschichten«, zischte Raistlin.

»Nein!« schnappte der Zwerg. »Ich will nur sicherstellen, daß der Kender in der Dunkelheit meinen Rucksack nicht ausplündert.« »Nun gut«, sagte Raistlin mit ungewohnter Milde. Er sprach einen Befehclass="underline" »Shirak.« Ein blasses weißes Licht strahlte vom Kristall an der Spitze seines Stabes. Es war ein gespenstisches Licht, und es konnte wenig in der Dunkelheit ausrichten, in der Tat schien es das Bedrohliche der Nacht nur zu verstärken. »Da hast du Licht«, hauchte der Magier sanft. Er steckte den Stab in den feuchten Boden.

Im selben Moment stellte Tanis fest, daß seine Elfensicht verschwunden war. Er hätte die warmen roten Umrisse seiner Gefährten sehen müssen, aber sie waren nicht mehr als dunkle Schatten, die sich von der Dunkelheit der Lichtung abhoben. Der Halb-Elf sagte den anderen nichts, aber das friedliche Gefühl, das er zuvor genossen hatte, war von einem Splitter der Angst durchbohrt.

»Ich werde die erste Wache übernehmen«, bot Sturm an. »Mit dieser Kopfwunde sollte ich sowieso nicht schlafen. Ich kannte mal einen Mann, der damit geschlafen hat - er ist nicht mehr aufgewacht.«