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»Wohin bringst du uns?« fragte Tanis wieder.

»Zum Herrn der Wälder«, antwortete der Zentaur.

»Zum Herrn der Wälder?« wiederholte Tanis. »Wer ist er – auch ein Zentaur?«

»Nein«, entgegnete der Zentaur einsilbig und begann, den Pfad hinabzulaufen.

Tanis wollte weiterfragen, aber der Zentaur beschleunigte sein Tempo. Er wurde durchgerüttelt und hätte beinahe seine Zunge durchgebissen. Er spürte, daß er nach hinten glitt, als der Zentaur immer schneller wurde, und schlang seine Arme um den breiten Rumpf des Zentaurs.

»Nein, du brauchst mich nicht zu zerquetschen!« Der Zentaur warf ihm einen Blick zu, seine Augen glitzerten im Mondlicht. »Es ist meine Aufgabe, darauf zu achten, daß du oben bleibst. Entspann dich. Lege deine Hände auf mein Hinterteil, um ein Gleichgewicht zu finden. Ja, so. Halte dich an den Beinen fest.«

Die Zentauren verließen den Pfad und tauchten in den Wald ein. Das Mondlicht wurde von den dichten Bäumen verschluckt. Tanis spürte die Zweige an seinen Kleidern vorbeipeitschen. Aber die Zentauren verlangsamten ihren Galopp nicht, und Tanis konnte nur vermuten, daß sie den Weg gut kannten, einen Weg, den der Halb-Elf nicht sehen konnte. Bald wurden sie langsamer, und schließlich hielten sie an. Tanis konnte in der Dunkelheit nichts erkennen. Er wußte nur, daß seine Gefährten in der Nähe waren, weil er Raistlins rasselnden Atem, Caramons klirrende Rüstung und Flints anhaltendes Niesen hören konnte. Das Licht von Raistlins Stab war erloschen.

»Ein mächtiger Zauber liegt über diesem Wald«, flüsterte der Magier geschwächt auf Tanis' Frage. »Dieser Zauber macht jede andere Magie unwirksam.«

Tanis' Unwohlsein verstärkte sich. »Warum halten wir an?« »Weil wir am Ziel sind. Steig ab«, befahl der Zentaur. »Und wo sind wir?« Tanis glitt vom Rücken des Zentaurs. Er blickte um sich, konnte aber nichts erkennen.

»Ihr seid mitten im Düsterwald«, erwiderte der Zentaur. »Und jetzt sage ich Lebewohl... oder... nun ja, je nachdem, wie der Herr der Wälder euch beurteilt.«

»Warte eine Minute!« rief Caramon wütend. »Du kannst uns doch nicht einfach hier mitten im Wald stehenlassen, blind wie neugeborene Katzen...«

»Haltet sie auf!« befahl Tanis und griff nach seinem Schwert. Aber seine Waffe war nicht mehr da. Ein heftiger Fluch von Sturm deutete an, daß der Ritter die gleiche Entdeckung gemacht hatte. Der Zentaur gluckste. Tanis hörte Hufe auf weiche Erde aufschlagen und Äste rascheln. Die Zentauren waren verschwunden. »Die wären wir los!« nieste Flint.

»Sind alle da?« fragte Tanis.

»Ich bin hier«, piepste Tolpan. »O Tanis, war das nicht wundervoll? Ich...«

»Psst, Tolpan!« sagte Tanis. »Die Barbaren?«

»Wir sind hier«, sagte Flußwind grimmig. »Ohne Waffen.« »Keiner hat eine Waffe?« fragte Tanis. »Nun, das würde uns sowieso nichts nützen in dieser verfluchten Schwärze«, fügte er bitter hinzu.

»Ich habe meinen Stab«, sagte Goldmond leise.

»Und dies ist eine mächtige Waffe, Tochter von Que-Shu«, ertönte eine tiefe Stimme. »Eine segensreiche Waffe, um Krankheiten und Verletzungen zu bekämpfen.« Die unsichtbare Stimme wurde traurig. »In diesen Zeiten wird sie auch als Waffe gegen böse Kreaturen verwendet, die versuchen, sie aus dieser Welt zu verbannen.«

12

Der Herr der Wälder. Eine friedliche Unterbrechung

Wer bist du?« rief Tanis. »Zeige dich!«

»Wir werden dir auch nichts tun«, bluffte Caramon.

»Natürlich werdet ihr das nicht.« Nun klang die tiefe Stimme amüsiert. »Ihr habt ja keine Waffen. Ich werde sie euch zur gegebenen Zeit zurückgeben. Niemand bringt Waffen in den Düsterwald, nicht einmal ein Ritter von Solamnia. Fürchte dich nicht, edler Ritter. Ich habe deine uralte und höchst wertvolle Klinge erkannt! Ich werde sie sicher aufbewahren. Vergebt mir diesen offensichtlichen Mangel an Vertrauen, aber selbst der große Huma hat die Drachenlanze vor meine Füße gelegt.«

»Huma!« keuchte Sturm. »Wer bist du?«

»Ich bin der Herr der Wälder.« Noch während die tiefe Stimme sprach, teilte sich die Dunkelheit. Die Gefährten stießen ein ehrfürchtiges schweres Atmen aus, so leise wie der Frühlingswind. Silbernes Mondlicht schien hell auf einen hohen Felsvorsprung. Auf diesem Vorsprung stand ein Einhorn. Es betrachtete sie kühl, seine klugen Augen strahlten vor unendlicher Weisheit.

Die Schönheit des Einhorns durchdrang das Herz. Goldmond spürte plötzlich Tränen aus ihren Augen fließen, und sie mußte sie vor der erhabenen Ausstrahlung des Tieres schließen. Sein Fell war so silbern wie das Mondlicht, sein Hörn schimmerte wie eine Perle, seine Mähne wie Meeresschaum. Der Kopf hätte aus glitzerndem Marmor geformt sein können, aber kein Mensch und nicht einmal ein Zwerg hätte die Eleganz und Grazie der feinen Linien des mächtigen Halses und des muskulösen Brustkorbs erfassen können. Die Beine waren stark und doch zierlich, die Hufe schmal und gespalten wie bei einer Ziege. Später, als Goldmond auf dunklen Pfaden wanderte und ihr Herz vor Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit düster war, brauchte sie nur die Augen zu schließen und sich an das Einhorn zu erinnern, um Trost zu finden.

Das Einhorn warf den Kopf zurück und verbeugte sich dann in einem ernsten Willkommensgruß. Die Gefährten, die sich tölpelhaft und ungeschickt vorkamen, verbeugten sich auch. Das Einhorn wirbelte plötzlich herum, verließ den Felsvorsprung und näherte sich ihnen. Tanis, der das Gefühl hatte, von einem Zauber befreit worden zu sein, blickte sich um. Das helle silberne Mondlicht beleuchtete eine waldige Lichtung. Hohe Bäume umgaben sie wie riesige, wohltätige Wächter. Der Halb-Elf wurde sich eines tiefen, beständigen Friedens bewußt. Aber ebenso herrschte hier eine unendliche Traurigkeit.

»Ruht euch aus«, sagte der Herr der Wälder, als er die Gefährten erreichte. »Ihr seid müde und hungrig. Man wird euch Essen geben und Wasser zum Reinigen bringen. Ihr könnt eure Wachsamkeit und eure Ängste für diesen Abend ablegen. Hier seid ihr in Sicherheit, falls es sie überhaupt heute abend in diesem Land gibt.« Caramon, dessen Augen bei der Erwähnung von Essen aufleuchteten, ließ seinen Bruder vorsichtig auf den Boden nieder. Raistlin sank in das Gras gegen einen Baumstamm. Sein Gesicht war im silbernen Mondlicht leichenblaß, aber sein Atem ging ruhig. Er wirkte nicht krank, sondern einfach nur furchtbar erschöpft. Caramon setzte sich neben ihn und sah sich nach Eßbarem um. Dann seufzte er tief.

»Vielleicht wieder nur Beeren«, sagte der Krieger unglücklich zu Tanis. »Ich sehne mich nach Fleisch - geröstetes Wildbret, ein schönes durchgebratenes Stück Hase...«

»Psst«, wandte Sturm leise ein und blickte zum Herrn der Wälder. »Wahrscheinlich wird er dich zuerst rösten!« Zentauren kamen aus dem Wald hervor und trugen ein sauberes weißes Tischtuch, das sie auf dem Gras ausbreiteten. Andere stellten Kristallkugellichter auf das Tuch. Tolpan untersuchte sie neugierig: »Das sind Wanzenlichter!« In den Kristallkugeln hingen Tausende winziger Wanzen, und jede trug zwei hellschimmernde Punkte auf ihrem Rücken. Sie wimmelten zufrieden im Innern der Kugeln umher.

Als nächstes brachten die Zentauren Schüsseln mit erfrischendem Wasser und saubere weiße Tücher. Weitere Zentauren schafften Stühle herbei, auf die Caramon unschlüssig starrte. Sie waren aus einem einzigen Stück Holz gefertigt und schienen gemütlich zu sein, jedoch hatte jeder Stuhl nur ein Bein!

»Setzt euch bitte«, sagte der Herr der Wälder freundlich. »Auf so etwas kann ich nicht sitzen!« protestierte der Krieger. »Ich werde umkippen.« Er stand vor dem Tischtuch. »Außerdem ist das Tuch auf dem Gras ausgebreitet. Ich werde mich ins Gras setzen.«