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»Was im Namen des Abgrundes war das?« rief Caramon aus. »Das waren keine Drakonier, falls sie nicht eine kurze, dickleibige Züchtung entwickelt haben. Und woher sind sie gekommen?« »Sie sind vom nördlichen Ende der Halle gekommen«, sagte Tolpan. »Dort ist ein Türeingang, und ein anderer ist am südlichen Ende. Das schaurige kreischende Geräusch kommt von Süden, wo diese Dinger hingegangen sind.«

»Was ist im Osten?« fragte Tanis.

»Dem Geräusch des Wassers nach zu urteilen, ein Wasserfall aus ungefähr dreihundert Metern Höhe«, erwiderte der Kender. »Der Boden ist eingestürzt. Ich würde diesen Weg nicht empfehlen.«

. Flint schnüffelte. »Ich rieche etwas... etwas Vertrautes. Kann aber nicht sagen, was es ist.«

»Ich rieche Tod«, sagte Goldmond schaudernd.

»Nein, noch etwas Schlimmeres«, murrte Flint. Dann riß er seine Augen auf, und sein Gesicht lief vor Wut rot an. »Ich hab's!« brüllte er. »Gossenzwerge!« Er holte seine Axt hervor. »Das waren diese kleinen, elenden Dinger. Nun, sie werden nicht mehr lange Gossenzwerge sein. Stinkende Leichname werden sie sein!«

Er stürzte vor. Tanis, Sturm und Caramon sprangen ihm nach, gerade als er das Ende des Korridors erreichte, und zogen ihn zurück.

»Beruhig dich!« wies Tanis den spuckenden Zwerg zurecht. »Nun, wie sicher bist du dir, daß es Gossenzwerge sind?« Der Zwerg schüttelte sich zornig aus Caramons Griff frei. »Todsicher!« begann er zu brüllen, dann verfiel er in ein lautes Wispern. »Haben sie mich denn nicht drei Jahre lang gefangengehalten?« »Haben sie?« fragte Tanis bestürzt.

»Darum habe ich dir nie erzählt, wo ich in den fünf Jahren gewesen bin«, sagte der Zwerg und errötete verlegen. Sein Gesicht verdunkelte sich. »Aber ich habe Rache geschworen. Ich werde jeden lebenden Gossenzwerg töten, der mir über den Weg läuft.«

»Warte einen Moment«, unterbrach Sturm. »Gossenzwerge sind nicht bösartig – auf keinen Fall so wie die Goblins. Was könnten sie hier bei den Drakoniern machen?«

»Sklaven«, antwortete Raistlin kühl. »Zweifellos leben die Gossenzwerge seit vielen Jahren hier, wahrscheinlich seitdem die Stadt aufgegeben wurde. Als die Drakonier hierhin geschickt wurden, vielleicht um die Scheiben zu bewachen, fanden sie die Gossenzwerge und benutzten sie für Sklavendienste.« »Sie könnten uns helfen«, murmelte Tanis.

»Gossenzwerge!« explodierte Flint. »Du würdest diesen dreckigen kleinen Biestern trauen...«

»Nein«, sagte Tanis. »Natürlich können wir ihnen nicht trauen. Aber fast jeder Sklave ist bereit, seinen Herrn zu betrügen, und Gossenzwerge – wie die meisten Zwerge – empfinden wenig Loyalität gegenüber Fremden. Solange wir sie nicht um etwas bitten, was ihre eigene dreckige Haut gefährden würde, könnten wir ihre Hilfe kaufen.«

Flint schleuderte seine Axt zu Boden, riß seinen Rucksack auf und rutschte mit verschränkten Armen an der Wand hinunter. »Geht schon. Bittet eure neuen Freunde um Hilfe. Ich werde nicht mit euch gehen! Sie werden euch helfen, nun gut. In die Schnauze des Drachen werden sie euch helfen!«

Tanis und Sturm tauschten besorgte Blicke aus, beide dachten an den Vorfall mit dem Boot. Flint konnte unglaublich dickköpfig sein, und Tanis zweifelte, ob der Zwerg dieses Mal umzustimmen war. »Ich weiß nicht.« Caramon seufzte und schüttelte den Kopf. »Es wäre zu schade, wenn Flint zurückbleibt. Falls wir die Gossenzwerge bewegen, uns zu helfen, wer wird dann den Abschaum bei der Stange halten?« Überrascht über Caramons Raffinesse lächelte Tanis und spann den Faden weiter. »Sturm, nehme ich an.«

»Sturm!« Der Zwerg sprang auf die Füße. »Ein Ritter, der niemals einem Feind einen Dolchstoß in den Rücken verpassen würde? Ihr braucht jemanden, der diese stinkigen Kreaturen kennt...«

»Du hast recht, Flint«, sagte Tanis todernst. »Ich vermute, du mußt mit uns kommen.«

»Und ob«, brummte Flint. Er packte seine Sachen zusammen und stapfte den Korridor entlang. Dann drehte er sich um: »Kommt ihr endlich?«

Mit verstohlenem Lächeln folgten die Gefährten dem Zwerg in die Ahnenhalle. Sie hielten sich dicht an der Wand und vermieden den tückischen Boden. Sie gingen in die Richtung, die die Gossenzwerge genommen hatten, und betraten einen schwachbeleuchteten Durchgang, der sich nur einige hundert Meter nach Süden erstreckte und dann scharf nach Osten abbog. Wieder hörten sie knackende Geräusche. Das metallische Kreischen hatte aufgehört. Plötzlich waren Schritte hinter ihnen. »Gossenzwerge!« knurrte Flint.

»Zurück!« befahl Tanis. »Seid bereit, sie anzugreifen. Sie dürfen nicht dazu kommen, Alarm zu schlagen!«

Alle drückten sich mit gezückter Waffe an die Wand. Flint hielt mit erwartungsvollem Blick seine Streitaxt. Sie starrten zurück in die riesige Halle. Eine weitere Gruppe kleiner, dickleibiger Gestalten lief auf sie zu. Plötzlich sah der Führer der Gossenzwerge auf und erblickte sie. Caramon sprang auf die kleinen rennenden Gestalten zu und hob befehlend seinen riesigen Arm. »Halt!« sagte er. Die Gossenzwerge sahen zu ihm hoch, schwärmten um ihn herum und verschwanden um die Ecke in östlicher Richtung.

Caramon drehte sich um und sah ihnen erstaunt nach.

»Halt..«, sagte er halbherzig.

Ein Gossenzwerg kam zurückgehuscht und legte einen schmutzigen Finger auf seine Lippen. »Shhhh!« Dann verschwand die dicke Gestalt. Die knackenden und kreischenden Geräusche hoben wieder an.

»Was glaubt ihr, was da vor sich geht?« fragte Tanis leise. »Sehen sie alle so aus?« fragte Goldmond mit aufgerissenen Augen. »Sie sind so dreckig und zerlumpt, und überall auf ihren Körpern sind Wunden.«

»Und sie haben den Verstand eines Türgriffs«, brummte Flint. Die Gefährten schlichen vorsichtig um die Ecke. Ein langer schmaler Korridor erstreckte sich nach Osten, beleuchtet von Fackeln, die in der stickigen Luft flackerten und rauchten. Hinter den gewölbten Türeingängen stand nur Schwärze. »Die Grabkammern«, flüsterte Raistlin.

Tanis erschauderte. Von der Decke tröpfelte Wasser herab. Das metallische Kreischen wurde immer lauter und kam immer näher. Goldmond berührte den Halb-Elf am Arm und zeigte in eine Richtung. Tanis sah am fernen Ende des Korridors einen Türeingang. Hinter dem Eingang war ein weiterer Durchgang, und der war voller Gossenzwerge.

»Ich frage mich, warum diese kleinen Burschen in einer Reihe stehen«, sagte Caramon.

»Das werden wir gleich herausfinden«, sagte Tanis. Er wollte gerade aufbrechen, als er die Hand des Magiers an seinem Arm spürte.

»Überlaß das mir«, flüsterte Raistlin.

»Wir sollten lieber mitkommen«, bemerkte Sturm, »um dich zu decken, natürlich.«

»Natürlich«, erwiderte Raistlin verächtlich. »Na schön, aber stört mich nicht.«

Tanis nickte. »Flint, du und Flußwind, ihr bewacht dieses Ende des Korridors.« Flint öffnete den Mund, um zu protestieren, fluchte dann nur und stellte sich dem Barbaren gegenüber auf. »Bleibt aber hinter mir«, befahl Raistlin und schritt den Korridor entlang; sein rotes Gewand raschelte um seine Knöchel, der Stab des Magus klopfte bei jedem Schritt sacht auf den Boden. Tanis und Sturm folgten und hielten sich an den tröpfelnden Wänden. Kalte und stickige Luft strömte aus den Grabkammern. Tanis spähte in eine hinein und sah den dunklen Umriß eines Steinsargs im Fackelschein. Der Sarg war kunstvoll beschnitzt und goldverziert. Aber das Gold glänzte nicht mehr. Einige der Grabstätten schienen aufgebrochen und geplündert worden zu sein. Tanis sah kurz einen Schädel, der aus dem Dunkeln heraus grinste. Er fragte sich, ob die seit langer Zeit Toten Rache planten, da ihre Ruhe gestört worden war. Tanis zwang sich, sich wieder auf die Wirklichkeit zu konzentrieren, die trostlos genug war.