Die Schlacht im Topf war in vollem Gange. Caramon kämpfte wie ein Berserker mit beiden Drakoniern und verlor dabei seinen Dolch. Einer der Drakonier ging auf sein Gesicht los und versuchte, mit den Klauenhänden seine Augen herauszureißen. Caramon konnte die Handgelenke des Drakoniers fassen und schaffte es, die Klauen von seinem Gesicht fernzuhalten. Inzwischen hatte sich der andere Drakonier von den Hieben erholt, mit denen Caramon auch ihn eingedeckt hatte, und griff nach seinem Schwert. Im selben Moment rutschte Sturm die Kette herunter und trat ihn mit seinem schweren Stiefel hart ins Gesicht. Der Drakonier taumelte nach hinten, und sein Schwert flog ihm aus der Hand. Sturm sprang und versuchte, die Kreatur mit der flachen Schwertklinge niederzuschlagen, aber der Drakonier schob das Schwert mit seinen Klauen einfach beiseite.
»Laß mich los!« brüllte Flint vom Boden des Topfes. Sein Helm war ihm aufs Gesicht gerutscht, so daß er so gut wie nichts sah und nur spürte, daß er langsam von Caramons großem Fuß zerdrückt wurde. In einem Anfall wilder Wut schob der Zwerg seinen Helm zurück und wuchtete sich hoch. Caramon verlor das Gleichgewicht und taumelte auf den Drakonier zu. Die Kreatur trat zur Seite, und Caramon fiel gegen die riesige Kette. Der Drakonier schwang heftig sein Schwert. Caramon bückte sich, und das Schwert klirrte, sein Ziel verfehlend, gegen die Kette. Dann warf sich Flint auf den Drakonier und rammte ihm seinen Kopf in die Magengrube. Beide fielen gegen die Topfwandung.
Während Tanis sich an der Kette hinabließ, beobachtete er den wilden Kampf unter sich. »Warte hier!« schnauzte er Tolpan an. Dann löste er sich von der Kette, ließ sich fallen und landete mitten im Gewühl. Tolpan, enttäuscht, aber gehorsam, hielt sich mit einer Hand an der Kette fest, während er in seinen Beutel faßte und einen Stein hervorzog, bereit, ihn fallen zu lassen - auf den Kopf eines Feindes, wie er hoffte. Im Kampfesgetümmel begann der Topf immer stärker zu schaukeln. Und während sie tiefer und tiefer sanken, stieg der andere Topf mit schreienden und fluchenden Drakoniern immer höher. Flußwind, der mit den Gossenzwergen am Loch stand, konnte durch den Dunst fast nichts erkennen. Er hörte jedoch Schläge und Flüche und Stöhnen aus dem Topf mit seinen Freunden. Dann stieg aus dem Nebel der andere Topf hoch, in dem mit gezogenen Schwertern Drakonier standen und mit offenen Mäulern zu ihm hochstarrten. Ihre langen roten Zungen hechelten erwartungsvoll. In wenigen Augenblicken würden er, Goldmond, Raistlin und fünfzehn Gossenzwerge zwanzig kampfeslustigen Drakoniern gegenüberstehen!
Flußwind wirbelte herum, stolperte über einen Gossenzwerg, gewann sein Gleichgewicht wieder und rannte zum Aufzugmechanismus. Irgendwie mußte er den Topf aufhalten. Das Rad drehte sich langsam mit quietschender Kette. Flußwind überlegte, die Kette mit seinen bloßen Händen zu packen. Etwas Rotes schob ihn beiseite. Raistlin beobachtete das Rad einen Moment, bestimmte den Drehpunkt, dann stopfte er den Stab des Magus zwischen Rad und Boden. Der Stab erzitterte einen Moment, und Flußwind hielt den Atem an, vor Furcht, er würde brechen. Aber er hielt! Der Mechanismus kam zum Halten.
»Flußwind!« schrie Goldmond vom Loch. Der Barbar rannte zurück, Raistlin folgte ihm auf dem Fuße. Die Gossenzwerge am Loch hatten eine wunderbare Zeit und genossen in vollen Zügen eines der interessantesten Ereignisse ihres Lebens. Nur Bupu hielt sich ständig dicht hinter Raistlin und grabschte nach seiner Robe, wann immer es möglich war.
»Khark-umat!« Flußwind schnappte nach Luft, als er nach unten in den Dunst starrte.
Caramon hatte einen Drakonier aus dem Topf geworfen. Die Kreatur fiel mit einem Kreischen in den Nebel. Der Krieger hatte Klauenabdrücke im Gesicht und eine Schwertwunde am rechten Arm. Sturm, Tanis und Flint kämpften immer noch gegen den zweiten Drakonier, der sich wie ein Wahnsinniger verteidigte. Als schließlich klar wurde, daß Schläge nichts ausrichteten, stach Tanis mit dem Dolch zu. Die Kreatur sank auf den Topfboden und verwandelte sich sofort zu Stein, Tanis' Waffe in ihrem Körper.
Plötzlich kam der Topf mit einem Ruck zum Halten, und seine Insassen stürzten übereinander.
»Guckt mal! Nachbarn!« gellte Tolpan und ließ sich von der Kette fallen. Tanis sah zum anderen Topf mit den Drakoniern, der nur etwa sechs Meter von ihnen entfernt war. Die bis zu den Zähnen bewaffneten Drakonier bereiteten sich gerade auf ein Umsteigemanöver vor. Zwei kletterten zum Rand des Topfes, bereit, die dunstverhangene Tiefe zu überspringen. Caramon lehnte sich über den Rand und schwang sein Schwert wild und fürchterlich, um den ersten Versuch zu vereiteln. Er verfehlte den Angreifer, und sein kraftvoller Schwerthieb brachte den Topf an seiner Kette zum Rotieren.
Caramon verlor das Gleichgewicht und stürzte nach vorn, sein Gewicht brachte den Topf in gefährliche Schräglage. Sturm bekam Caramon am Kragen zu fassen und zog ihn zurück, wodurch der Topf erneut wie wild zu schaukeln begann. Tanis rutschte aus und landete mit Händen und Knien auf dem Boden, wo er entdeckte, daß der versteinerte Drakonier zu Staub zerfallen war und er so seinen Dolch wiederbekam.
»Da kommen sie!« gellte Flint, während er Tanis auf die Beine zog.
Ein Drakonier war losgesprungen und hielt sich mit seinen Klauen am Rand des Topfes fest. Wieder kippte der Topf gefährlich. »Geh rüber!« Tanis schob Caramon zur anderen Seite und hoffte, daß durch den schweren Krieger das Gleichgewicht wiederhergestellt würde. Sturm schlug auf die Hände des Drakoniers ein, damit dieser den Topf losließ. Inzwischen flog ein anderer Drakonier herüber, der die Entfernung besser eingeschätzt hatte und direkt neben Sturm im Topf landete. »Beweg dich nicht!« schrie Tanis Caramon zu, als der Krieger instinktiv in den Kampf eingreifen wollte und den Topf damit erneut zum Schaukeln brachte. Der große Mann nahm schnell wieder seine Position ein. Der am Rand des Topfes hängende Drakonier mußte endlich loslassen und schwebte mit ausgebreiteten Flügeln in den Dunst hinab.
Tanis wirbelte herum, um den Drakonier zu bekämpfen, der im Topf gelandet war, fiel über Flint und warf ihn um. Der HalbElf stolperte gegen die Topfwand und sah einen Moment lang nach unten. Die Nebel teilten sich, und er erkannte die zerstörte Stadt Xak Tsaroth unter sich. Als er sich umdrehte, fühlte er sich schwach und desorientiert. Er sah, daß Tolpan mit dem Drakonier kämpfte. Der kleine Kender kroch am Rücken der Kreatur hoch und schlug mit einem Stein auf ihren Kopf ein. Flint, der auf dem Boden lag, hob Caramons fallen gelassenen Dolch auf und stach der Kreatur ins Bein. Der Drakonier schrie vor Schmerzen auf. Als Tanis klar wurde, daß immer mehr Drakonier herüberfliegen würden, sah er verzweifelt hoch. Aber die Verzweiflung wandelte sich in Hoffnung, als er durch den Dunst Flußwind und Goldmond herunterstarren sah. »Holt uns wieder hoch!« schrie Tanis hektisch, dann fiel etwas auf seinen Kopf. Ein unerträglicher Schmerz... Er spürte nur noch, daß er fiel und fiel und fiel...
Raistlin hatte Tanis' Schrei nicht gehört – der Magier trat bereits in Aktion. »Kommt her, meine Freunde«, sagte Raistlin sanft. Die verzauberten Gossenzwerge versammelten sich eifrig um ihn. »Diese Herren dort unten wollen mir weh tun«, sagte er leise. Die Gossenzwerge knurrten. Einige runzelten finster die Stirn. Andere schüttelten die Fäuste.
»Aber ihr könnt mir helfen«, sagte Raistlin. »Ihr könnt sie aufhalten.«
Die Gossenzwerge starrten den Magier ungläubig an.
»Das einzige, was ihr machen müßt«, sagte Raistlin geduldig, »ist, hinüberzulaufen und auf diese Kette zu springen.« Er zeigte auf die Kette, die mit dem Topf der Drakonier verbunden war. Die Gesichter der Gossenzwerge hellten sich auf. Das hörte sich nicht schlecht an. In der Tat war das etwas, was sie häufig machten, wenn sie den Topf verfehlten.