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Raistlin hob den Arm. »Geht!« befahl er.

Alle Gossenzwerge, außer Bupu, sahen sich an, dann flitzten sie zum Rand des Loches, und wild gellend schwangen sie sich auf die Kette über den Drakoniern und hielten sich an ihr mit äußerster Geschicklichkeit fest.

Der Magier rannte zum Rad. Bupu trottete hinterher. Er griff nach dem Stab des Magus und zog ihn heraus. Das Rad zitterte und begann sich wieder zu bewegen, drehte sich immer schneller, und durch das Gewicht der Gossenzwerge stürzte der Drakoniertopf nach unten in den Nebel.

Mehrere Drakonier hatten am Rand gestanden, um zum anderen Topf zu springen. Nun verloren sie durch den plötzlichen Ruck das Gleichgewicht. Obwohl ihre Flügel den Fall aufhielten, kreischten sie vor Wut, als sie nach unten schwebten. Ihre Schreie standen in merkwürdigem Gegensatz zu den freudigen Rufen der Gossenzwerge.

Flußwind lehnte sich über den Rand des Loches und bekam den Topf mit den Gefährten zu fassen, als dieser das Rad erreichte. »Seid ihr in Ordnung?« fragte Goldmond besorgt und beugte sich hinüber, um Caramon herauszuhelfen.

»Tanis ist verletzt«, sagte Caramon.

»Es ist nur eine Beule«, protestierte Tanis schwach. Er spürte eine dicke Schwellung am Hinterkopf. »Ich dachte, ich würde aus diesem Ding fallen.« Ihn schauderte bei der Erinnerung. »So kommen wir nicht nach unten!« erklärte Sturm, als er aus dem Topf kletterte. »Und wir können auch nicht hier herumstehen. Es wird nicht lange dauern, bis sie den Aufzug gerichtet haben, und dann werden sie uns verfolgen. Wir müssen zurück.«

»Nein! Geh nicht!« Bupu hielt sich an Raistlin fest. »Ich weiß Weg zu Großbulp!« Sie zog an seinem Ärmel und zeigte nach Norden. »Guter Weg! Geheimer Weg! Keine Herren«, sagte sie leise. »Ich lasse Herren dich nicht kriegen. Du hübsch.« »Wir scheinen keine andere Wahl zu haben. Wir müssen nach unten«, sagte Tanis. Er zuckte zusammen, als Goldmond ihn mit dem Stab berührte. Dann überflutete die Heilkraft seinen Körper. Er entspannte sich und seufzte. »Wie du schon gesagt hast, sie leben hier schon seit Jahren.«

Flint knurrte und schüttelte den Kopf, als Bupu in nördlicher Richtung den Korridor entlanglaufen wollte.

»Halt! Hört mal!« rief Tolpan leise. Sie hörten Tritte von Klauenfüßen auf sich zukommen.

»Drakonier!« sagte Sturm. »Wir müssen hier raus! Laßt uns zurück in westlicher Richtung gehen.«

»Ich wußte es doch«, grummelte Flint mit düsterem Blick. »Dieser Gossenzwerg führt uns direkt zu diesen Echsen!« »Warte!« Goldmond ergriff Tanis' Arm. »Schau mal zu ihr!« Der Halb-Elf drehte sich um und sah, wie Bupu etwas Schlaffes und Formloses aus ihrer Tasche zog. Sie trat zur Wand, rieb das Etwas vor dem Stein und murmelte einige Worte. Die Wand erbebte, und in Sekundenschnelle wurde ein Zugang sichtbar, der ins Dunkle führte.

Die Gefährten sahen einander beunruhigt an.

»Es muß sein«, murmelte Tanis. Das Geklingel der Drakonierrüstungen konnte man nun deutlich hören. »Raistlin, Licht«, sagte Tanis.

Der Magier murmelte den Befehl, und der Kristall an seinem Stab leuchtete auf. Er und Bupu und Tanis passierten schnell die Geheimtür. Die anderen folgten, und die Tür schloß sich hinter ihnen. Das Licht erhellte einen kleinen quadratischen Raum mit Wandschnitzereien, die mit grünem Schleim überzogen waren, so daß sie unmöglich genau zu erkennen waren. Sie standen schweigend da und hörten, wie die Drakonier im Korridor vorbeiliefen.

»Sie müssen den Kampf gehört haben«, flüsterte Sturm. »Es wird nicht lange dauern, bis sie den Aufzug in Bewegung setzen, und dann haben wir die ganze Drakonierstreitmacht auf den Fersen!«

»Ich weiß Weg unten.« Bupu winkte entschuldigend mit einer Hand. »Keine Angst.«

»Wie hast du denn die Tür geöffnet, Kleine?« fragte Raistlin neugierig und kniete sich neben Bupu nieder.

»Magie«, sagte sie schüchtern und streckte die Hand aus. In der schmutzigen Hand der Gossenzwergin lag eine tote Ratte, die spitzen Zähne waren zu einer ewigen Grimasse gefletscht. Raistlin zog die Augenbrauen hoch, als Tolpan seinen Arm berührte. »Es hat mit Magie nichts zu tun, Raistlin«, flüsterte der Kender. »Es ist ein einfaches verborgenes Schloß am Boden. Ich sah es, als sie zur Wand zeigte, und da wollte ich schon was sagen. Sie trat auf dieses Schloß, als sie sich an die Wand stellte und mit dem Ding wedelte.« Der Kender kicherte. »Sie ist vermutlich zufällig darauf getreten und hatte die Ratte gerade bei sich.«

Bupu warf dem Kender einen vernichtenden Blick zu. »Magie! « wiederholte sie und streichelte hebevoll die tote Ratte. Sie steckte sie wieder in den Beutel zurück und sagte: »Komm, du gehst.« Sie führte sie durch zerstörte, schleimverhangene Räume. Schließlich hielt sie in einem Raum an, der mit Gesteinsstaub und Schutt gefüllt war. Ein Teil der Decke war herausgerissen, und auf dem Boden lagen zerbrochene Kacheln herum. Sie plapperte und zeigte auf etwas in der nordöstlichen Ecke des Raumes.

»Geht unten!« sagte sie.

Tanis und Raistlin gingen hinüber. Sie fanden eine etwa drei Meter breite Röhre, ein Ende stak aus dem zerfallenen Boden. Offenbar war die Röhre durch die Decke gefallen und hatte sich hier eingegraben. Raistlin ließ seinen Stab ins Innere gleiten und spähte hinein.

»Komm, du gehst!« sagte Bupu und zog wieder an Raistlins Ärmel. »Herren können nicht folgen.«

»Das ist wohl wahr«, sagte Tanis. »Nicht mit ihren Flügeln.« »Aber es gibt nicht genügend Platz, um ein Schwert zu schwingen«, sagte Sturm stirnrunzelnd. »Mir gefällt das nicht...«

Plötzlich verstummten alle. Sie hörten das Rad quietschen und die Kette rasseln. Die Gefährten sahen sich an.

»Ich zuerst!« grinste Tolpan. Er steckte den Kopf in die Röhre und kroch auf allen vieren hinein.

»Bist du sicher, daß ich da durchkomme?« fragte Caramon, . ängstlich auf die Öffnung starrend.

»Mach dir keine Sorgen«, ertönte Tolpans Stimme. »Der Schleim ist hier so dick, daß du wie ein eingefettetes Schwein durchrutschen wirst.«

Seine fröhliche Erklärung schien Caramon nicht zu beruhigen. Er sah die Röhre weiterhin düster an, während Raistlin, von Bupu geführt, sein Gewand eng um sich wickelte und hineinglitt, sein Stab beleuchtete den Weg. Flint kletterte als nächster. Goldmond folgte, ihr Gesicht verzog sich vor Ekel, als ihre Hände in den dicken grünen Schleim faßten. Flußwind kam hinterher.

»Das ist krankhaft, ich hoffe, das ist dir klar!« murrte Sturm voller Abscheu.

Tanis antwortete nicht. Er klopfte Caramon auf den Rücken. »Du bist dran«, sagte er und lauschte dem Geräusch der Kette, die sich immer schneller bewegte.

Caramon stöhnte auf und kroch auf allen vieren in die Öffnung. Sein Schwertknauf blieb am Rand hängen. Er kam zurück, legte das Schwert noch einmal richtig an und startete einen neuen Versuch. Dieses Mal blieb er mit dem Oberkörper stecken. Tanis schob nach.

»Leg dich flach hin!« befahl der Halb-Elf.

Caramon brach mit einem Stöhnen wie ein nasser Sack zusammen. Er wand sich durch die Röhre, sein Schild vor sich. Sein Brustpanzer schurrte an der Metallröhre mit einem so widerwärtig knirschendem Geräusch, daß Tanis die Zähne zusammenbeißen mußte. Er selbst glitt mit den Füßen voran in die Öffnung und begann durch den fauligen Schleim zu rutschen. Er schaute noch einmal zu Sturm, der als letzter folgte.

»Das Normale hat aufgehört, als wir Tika in die Küche vom Wirtshaus ›Zur letzten Bleibe‹ folgten«, sagte er.

»Das ist nur allzu wahr«, stimmte ihm der Ritter seufzend bei. Tolpan, verzaubert durch die wunderbare neue Erfahrung des Tunnelrutschens, sah plötzlich dunkle Gestalten am anderen Ende. Er suchte nach einem Halt und verhielt.

»Raistlin!« flüsterte der Kender. »Irgend etwas kommt da am anderen Ende der Röhre!«

»Was denn?« begann der Magier zu fragen, aber die faule, feuchte Luft erzeugte einen Hustenanfall. Er schnappte nach Luft und leuchtete mit dem Stab, um etwas erkennen zu können. Bupu sah auf und schnaubte verächtlich. »Gulp-Pulpher!« murrte sie. Sie hob die Hand und rief: »Geht zurück! Geht zurück!« »Wir gehen hoch - Aufzug fahren! Große Herren böse!« gellte einer.