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Aber der Ritter hatte ihn schon eilfertig beiseite geschoben, sein Schwert klirrte gegen seinen Oberschenkel.

»Immer sind wir die letzten!« maulte Tolpan und schob den Zwerg vor. Flint kletterte langsam die Leiter hoch, seine Knie knirschten. »Beeil dich!« sagte Tolpan. »Ich hoffe, es passiert erst etwas, wenn wir oben sind. Ich habe noch nie mit einem Drachen geredet.«

»Ich wette, der Drache hat auch noch nie mit einem Kender geredet!« schnaubte der Zwerg. »Dir sollte klar werden, du Hirnloser, daß wir wahrscheinlich sterben werden. Tanis weiß es, ich höre es aus seiner Stimme.«

Tolpan machte eine Pause, hielt sich an der Leiter fest, während Sturm langsam das Gitter hochdrückte. »Weißt du, Flint«, sagte der Kender ernst, »mein Volk fürchtet sich nicht vor dem Tod. Irgendwie freuen wir uns darauf— das letzte große Abenteuer. Aber ich glaube, es macht mich traurig, aus diesem Leben zu gehen. Ich werde meine Sachen vermissen« – er klopfte an seine Beutel - »und meine Karten und dich und Tanis. Falls wir nicht«, fügte er strahlend hinzu, »alle an den gleichen Ort gelangen, wenn wir sterben.«

Flint hatte plötzlich eine Vision, er sah den glücklichen Kender kalt und tot daliegen. Er spürte einen schmerzhaften Stich in seiner Brust und war über die Dunkelheit dankbar. Er räusperte sich und sagte mit heiserer Stimme: »Falls du dir einbildest, daß ich mein Leben nach dem Tod mit einem Haufen Kender verbringen werde, bist du noch verrückter als Raistlin. Komm jetzt!«

Sturm hob vorsichtig das Gitter und schob es zur Seite. Er stemmte sich mühelos nach oben, wandte sich dann um und half Caramon, der Schwierigkeiten hatte, seinen Körper und sein klirrendes Waffenlager durch die Öffnung zu quetschen. »Bei Istar, leiser!« zischte Sturm.

»Das versuche ich ja«, maulte Caramon und kletterte schließlich über den Rand. Sturm reichte, Goldmond die Hand. Zuletzt kam Tolpan, entzückt, daß niemand etwas Aufregendes in seiner Abwesenheit unternommen hatte.

»Wir brauchen Licht«, sagte Sturm.

»Licht?« entgegnete eine Stimme, so kalt und dunkel wie eine Winternacht. »Ja, laßt uns Licht haben.«

Sofort verschwand die Dunkelheit. Die Gefährten sahen, daß sie sich in einer riesigen kuppeiförmigen Kammer befanden, die sich einige hundert Meter in die Höhe erstreckte. Kaltes, graues Licht filterte durch einen Spalt in der Decke und beleuchtete eine Art riesigen Altar in der Mitte des kreisförmigen Raumes. Auf dem Boden um den Altar lagen Berge von Juwelen, Münzen und andere Schätze der zerstörten Stadt. Die Juwelen glänzten nicht. Das Gold strahlte nicht. Das trübe Licht beleuchtete nichts - nur den schwarzen Drachen, der wie ein riesiges Raubtier auf dem Altar thronte. »Fühlt ihr euch hintergangen?« fragte der Drache im Plauderton. »Der Magier hat uns betrogen! Wo ist er? Dient er dir?« schrie Sturm hitzig, zog sein Schwert und trat einen Schritt vor. »Bleib zurück, widerlicher Ritter von Solamnia. Bleib zurück, oder euer Zauberer wird seine Magie nie mehr ausüben!« Der Drache schlängelte seinen Hals nach unten und starrte sie mit leuchtendroten Augen an. Dann hob er langsam und vornehm einen Klauenfuß. Unter dem Fuß auf dem Sockel lag Raistlin. »Raist!« brüllte Caramon und sprang auf den Altar zu. »Halt, Dummkopf!« zischte der Drache. Er ließ eine Klaue leicht auf dem Bauch des Magiers ruhen. Mit großer Anstrengung hob Raistlin seinen Kopf und sah seinen Bruder mit seinen seltsamen goldenen Augen an. Er machte eine schwache Handbewegung, und Caramon blieb stehen. Tanis sah eine Bewegung auf dem Boden unterhalb des Altars. Es war Bupu, in den Reichtümern zusammengekauert, zu ängstlich, um zu wimmern. Der Stab des Magus lag neben ihr.

»Komm nur noch einen Schritt näher, und ich werde diesen Menschen auf dem Altar mit meiner Pranke zerquetschen.« Caramons Gesicht rötete sich. »Laß ihn gehen!« schrie er. »Kämpfe mit mir.«

»Ich werde mit keinem von euch kämpfen«, sagte der Drache und bewegte lässig seine Flügel. Raistlin fuhr zusammen, als sich die Pranke des Drachens leicht und neckend in sein Fleisch grub. Die metallische Haut des Magiers glänzte vor Schweiß. Er versuchte Atem zu holen. »Rühr dich nicht, Magier«, schnarrte der Drache. »Wir sprechen die gleiche Sprache, erinnerst du dich? Ein Zauberwort, und deine Freunde werden zum Leichenfutter für Gossenzwerge!«

Raistlin schloß die Augen, als wäre er erschöpft. Aber Tanis konnte sehen, wie sich die Hände des Magiers zusammenkrampften und wieder lösten, und er wußte, daß sich Raistlin auf seinen letzten Zauber vorbereitete. Er würde wahrhaftig sein letzter sein - denn sobald er ihn aussprechen würde, würde der Drache ihn töten. Aber er würde Flußwind die Chance geben, die Scheiben an sich zu reißen und mit Goldmond zu fliehen. Tanis schob sich neben den Barbaren. »So wie ich schon sagte«, fuhr der Drache fort, »werde ich mit keinem von euch kämpfen. Wie ihr bisher meinem Zorn widerstanden habt, verstehe ich nicht. Jetzt seid ihr hier. Und ihr bringt mir das zurück, was mir gestohlen wurde. Ja, meine Dame aus Que-Shu, ich sehe, du hältst den blauen Kristallstab in deiner Hand. Gib ihn mir.«

Tanis zischte ihr zu: »Halte ihn hin!« Aber als er in ihr kaltes Marmorgesicht sah, fragte er sich, ob sie ihn gehört hatte, ob sie den Drachen überhaupt gehört hatte. Sie schien anderen Worten, anderen Stimmen zu lauschen.

»Gehorche mir.« Der Drache senkte drohend seinen Kopf. »Gehorche mir, oder der Magier wird sterben. Und danach – der Ritter. Und dann der Halb-Elf. Und so weiter - einer nach dem anderen, bis du, Dame von Que-Shu, die einzige Überlebende bist. Dann wirst du mir den Stab geben und um Gnade flehen.«

Goldmond verbeugte sich unterwürfig. Dann schob sie Flußwind sanft mit ihrer Hand zur Seite und wandte sich zu Tanis und umarmte ihn. »Lebewohl, mein Freund«, sagte sie laut und legte ihre Wange an seine. Ihre Stimme wurde zu einem Wispern. »Ich weiß, was ich zu tun habe. Ich werde mit dem Stab zum Drachen gehen und...«

»Nein!« sagte Tanis heftig. »Das alles hat keinen Sinn mehr. Der Drache wird uns alle töten.«

»Hör mir zu!« Goldmonds Fingernägel bohrten sich in Tanis' Arm. »Bleib bei Flußwind, Tanis. Er darf mich nicht aufhalten.«

»Und wenn ich versuche, dich aufzuhalten?« fragte Tanis leise und hielt Goldmond noch enger an sich.

»Das wirst du nicht«, sagte sie mit einem süßen, traurigen Lächeln. »Du weißt, daß jeder von uns sein Schicksal zu erfüllen hat - wie der Herr der Wälder sagte. Flußwind wird dich brauchen. Lebwohl, mein Freund.« Goldmond trat zurück, ihre klaren blauen Augen hefteten sich auf Flußwind, als ob sie jede Einzelheit für alle Ewigkeit in sich aufnehmen wollte. Als ihm klar wurde, daß sie sich verabschiedete, wollte er zu ihr treten. »Flußwind«, sagte Tanis leise. »Vertraue ihr. Sie hat dir die ganzen Jahre über vertraut. Sie hat gewartet, während du deine Dinge ausgefochten hast. Jetzt mußt du warten. Es ist ihre Schlacht.«