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»Er war bei mir«, sagte Flußwind leise. »Ich sagte ihm, er solle gehen. Ich wollte sterben – dort bei ihr. Dann – eine Steinplatte. Er hat sie nicht gesehen...« »Ich trage ihn«, sagte Caramon.

»Nein!« Flußwind funkelte den Krieger wütend an. Seine Arme umfaßten Tanis' Körper noch einen Deut fester. »Ich trage ihn. Wir müssen gehen.«

»Ja! Diesen Weg! Wir gehen!« drängte die Gossenzwergin. Sie führte sie aus der Stadt hinaus, die ein zweites Mal ausgelöscht wurde. Sie traten aus der Drachenhöhle auf den großen Platz, der überschwemmt wurde, als das Neumeer in die sich öffnende Höhle brach. Die Gefährten wateten durch das Wasser und hielten sich gegenseitig fest, um nicht von der Strömung weggerissen zu werden. Überall heulten Gossenzwerge in einem Zustand wilder Verwirrung, einige kämpften gegen die Strömung an, andere versuchten, auf die obersten Stockwerke der vibrierenden Gebäude zu klettern, während wieder andere auf den Straßen davonjagten.

Sturm hatte nur einen Weg nach draußen im Sinn. »Nach Osten!« schrie er und zeigte auf die breite Straße, die zum Wasserfall führte. Er sah ängstlich auf Flußwind. Der verwirrte Barbar schien das Chaos nicht zu bemerken. Tanis war ohnmächtig - vielleicht tot. Angst ließ Sturms Blut gefrieren, aber er zwang sich, alle Gefühlsregungen zu unterdrücken. Der Ritter rannte nach vorne und holte die Zwillinge ein. »Unsere einzige Chance ist der Aufzug!« gellte er.

Caramon nickte langsam. »Das bedeutet Kampf.«

»Ja, verdammt noch mal!« sagte Sturm wütend und stellte sich die Drakonier vor, wie sie versuchten, diese heimgesuchte Stadt zu verlassen. »Es wird einen Kampf geben! Hast du einen besseren Vorschlag?«

Caramon schüttelte den Kopf.

An einer Straßenecke wartete Sturm, um die Gruppe zu lenken. Er spähte durch den Staub und Nebel und erkannte den Aufzug vor ihnen. Er war, wie er vorausgesehen hatte, von einer ganzen Horde Drakonier belagert. Sie mußten schnell handeln, um die Kreaturen zu überrumpeln. Der Kender huschte vorbei und wurde von dem Ritter festgehalten.

»Tolpan!« schrie er. »Wir fahren mit dem Aufzug hoch!« Tolpan nickte verstehend, dann zog er eine Grimasse, mit der er offensichtlich einen Drakonier imitieren wollte, und machte eine aufschlitzende Handbewegung an seiner Kehle.

»Wenn wir näher dran sind«, rief Sturm, »schleichst du dich dahin, wo du den absteigenden Topf sehen kannst. Wenn er fast unten ist, gibst du mir ein Zeichen. Sobald er den Boden erreicht hat, greifen wir an!«

Tolpans Zopf tanzte auf und ab.

»Sag es Flint!« Sturms Stimme war vom Schreien heiser geworden. Tolpan nickte wieder und rannte los, um den Zwerg zu finden. Sturm streckte seinen schmerzenden Rücken, seufzte und lief weiter die Straße runter. Er konnte jetzt mehr als zwei Dutzend Drakonier erkennen, die sich im Hof versammelt hatten und auf den Topf warteten, der sie in Sicherheit bringen sollte. Der Ritter stellte sich das Chaos oben auf dem Berg vorwütende Drakonier, die die panischen Gossenzwerge auspeitschten und antrieben und in den Topf zwangen. Er hoffte, daß die Verwirrung noch eine Weile anhalten würde.

Sturm sah Raistlin mit Caramon im Dunkel am Rande des Platzes stehen. Er trat zu ihnen und schrak nervös zusammen, als eine Steinplatte hinter ihnen herunterfiel. Flußwind stolperte aus dem Nebel und Staub, und der Ritter wollte ihm zu Hilfe kommen, aber der Barbar blickte den Ritter an, als ob er ihn noch nie zuvor in seinem Leben gesehen hätte.

»Bring Tanis hierher«, sagte Sturm. »Du kannst ihn hier hinlegen und selbst einen Moment ausruhen. Wir werden mit dem Aufzug hochfahren, und wir haben einen Kampf vor uns. Warte hier. Wenn wir Zeichen...«

»Tue, was du tun mußt«, unterbrach ihn Flußwind kalt. Er legte Tanis sanft auf den Boden, ließ sich neben ihn fallen und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.

Sturm zögerte. Er wollte sich zu Tanis niederknien, als Flint ihn erreichte.

»Mach weiter. Ich kümmere mich um ihn«, bot der Zwerg an. Sturm nickte dankbar. Er sah Tolpan über den Hof in einen Türeingang flitzen. Dann sah er zum Aufzug. Die Drakonier schrien und fluchten in den Nebel hinein, als ob sie so die Abfahrt des Topfes beschleunigen könnten. Flint stieß Sturm in die Rippen. »Wie sollen wir denn die alle bekämpfen?« rief er.

»Nicht wir. Du wirst hier bei Flußwind und Tanis bleiben«, sagte Sturm. »Caramon und ich kommen damit schon klar«, fügte er hinzu und wünschte, er könnte selber daran glauben. »Und ich«, flüsterte Raistlin. »Ich habe immer noch meine Magie.« Der Ritter antwortete nicht. Er mißtraute der Magie und er mißtraute Raistlin. Dennoch hatte er keine Wahl - Caramon würde nicht ohne seinen Bruder an der Seite in die Schlacht ziehen. Sturm zupfte an seinem Schnurrbart und lokkerte unruhig sein Schwert. Caramon spannte seine Arme an, preßte die Hände zusammen und lockerte sie wieder. Raistlin war mit geschlossenen Augen in Konzentrationsübungen versunken. Bupu, die sich in einer Nische an der Wand hinter ihm versteckte, beobachtete alles mit weit aufgerissenen, verängstigten Augen. Der Topf erschien, an seinen Seiten hingen Gossenzwerge. Wie Sturm gehofft hatte, begannen die Drakonier sich gegenseitig zu bekämpfen, keiner wollte zurückbleiben. Ihre Panik wuchs, als der Pflastersteinboden vor ihnen aufsprang und Wasser aus den riesigen Spalten sprudelte. Die Stadt Xak Tsa-roth würde bald am Grund des Neumeers liegen.

Als der Topf den Boden berührte, sprangen die Gossenzwerge ab und flohen. Die Drakonier stiegen in den Topf, sich gegenseitig schlagend und stoßend.

»Jetzt!« gellte der Ritter.

»Aus dem Weg!« zischte der Magier. Er holte eine Handvoll Sand aus seinem Beutel, streute ihn auf den Boden und flüsterte: »Ast tasark sinuralan krynaw.« Dazu bewegte er seine rechte Hand in einem auf die Drakonier gerichteten Bogen. Einige von ihnen blinzelten und fielen schlafend um, während andere verhielten und sich beunruhigt umblickten. Der Magier versteckte sich im Türeingang, und da die Drakonier nichts bemerkten, wandten sie sich wieder dem Topf zu, dabei in hektischer Eile auf die Körper ihrer schlafenden Kameraden tretend. Raistlin lehnte sich gegen die Wand und schloß erschöpft seine Augen.

»Wie viele?« fragte er.

»Nur sechs.« Caramon zog sein Schwert aus der Scheide. »Laßt uns endlich zu dem verdammten Topf gehen!« schrie Sturm. »Wir kommen zurück und holen Tanis, wenn der Kampf vorbei ist.«

Vom Nebel gedeckt, erreichten die zwei Kämpfer mit gezogenem Schwert schnell die Drakonier, Raistlin stolperte hinterher. Sturm stieß seinen Schlachtruf aus, der die Drakonier alarmiert herumwirbeln ließ. Und Flußwind hob den Kopf.

Die Schlachtgeräusche bohrten sich in sein verzweifeltes Herz. Der Barbar sah Goldmond vor sich in der blauen Flamme sterben. Der totenähnliche Ausdruck verlor sich aus seinem Gesicht und wurde durch eine Wildheit ersetzt, so tierisch und schrecklich, daß Bupu, die sich immer noch in der Tür versteckt hielt, vor Bestürzung aufschrie. Flußwind sprang auf die Füße. Er zog nicht einmal sein Schwert, sondern stürmte unbewaffnet nach vorn. Er brach in die Reihen der sich raufenden Drakonier ein wie ein hungriger Panther und begann zu töten. Er tötete mit bloßen Händen, drehend, würgend, Augen ausdrückend. Drakonier stachen mit ihren Schwertern nach ihm, seine Ledertunika war bald mit Blut durchtränkt. Trotzdem hörte er nicht auf, um sich zu schlagen, zu töten. Sein Gesicht war das eines Wahnsinnigen. Die Drakonier sahen in Flußwinds Augen den Tod, und sie sahen auch, daß ihre Waffen keine Wirkung hatten. Einer nach dem anderen ergriff die Flucht.

Sturm, der gerade einen Gegner besiegt hatte, sah grimmig und erwartungsvoll auf, sechs weitere Drakonier vorzufinden. Statt dessen sah er den Feind, um sein Leben rennend, im Nebel verschwinden. Flußwind brach blutüberströmt auf dem Boden zusammen.