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»Gern geschehen, Schöne.« Er ging weiter. »Aber mach es dir nicht zu gemütlich«, warf er beiläufig zurück. »Wer weiß, was ich von dir als Rückzahlung für meine Freundlichkeit verlangen werde.«

Annwyl lehnte sich in ihre weichen Kissen zurück und fühlte einen Schauder ihren Körper durchlaufen. Sie wünschte nur, sie hätte sagen können, dass sie aus Furcht oder zumindest Ekel schauderte. Was ihr wirklich Sorge machte, war, dass es sich nach keinem von beidem anfühlte.

Fearghus rieb sich die frische Beule an seinem Kopf. Er hatte vom Zorn von Annwyl der Blutrünstigen gehört, aber er hatte keine Ahnung gehabt, wie überwältigend dieser sein konnte. Ihr wütendes Gebrüll war verdammt noch mal fast so mächtig wie das Brüllen eines Drachen.

Kein Wunder, dass sie ihren Bruder noch nicht besiegt hatte. Er jagte ihr Angst ein. Er erkannte es an ihrer übergroßen Wut bei der bloßen Erwähnung dieses Mannes.

Wenn sie Lorcan jetzt gegenübertrat, bezweifelte er, dass sie ihn besiegen würde – selbst wenn ihr Körper wieder vollkommen geheilt war. Entweder ihre Wut oder ihre Furcht würden sie überwältigen.

Und aus irgendeinem unerklärlichen Grund machte ihm dieser Gedanke höllische Sorgen. Seit wann interessierte er sich für Menschen? Anders als andere seiner Sippe hasste er Menschen nicht. Doch er lebte auch nicht unter ihnen. Deshalb war sein ursprünglicher Plan für das Menschenmädchen gewesen, einfach ihre Wunden zu heilen und sie dann in der Nähe einer menschlichen Siedlung auszusetzen. Er mochte keine Komplikationen. Er mochte niemanden um sich haben. Er mochte den Frieden. Er mochte die Ruhe. Und nicht viel mehr. Doch der bloße Gedanke daran, sie einfach irgendwo allein zu lassen, machte ihn krank.

Er wusste jetzt schon, dass es kompliziert werden würde. Und er hasste Komplikationen.

»Gut. Du bist wach.« Annwyl sah hinauf in das Gesicht einer Frau. Eine Hexe, der präzisen, aber brutalen Narbe nach zu schließen, die eine Seite ihres Gesichts verunzierte. Auf Befehl ihres Bruders waren alle Hexen auf diese Art gekennzeichnet worden. Das Gesicht hinter der Narbe sah aus, als wäre es einst schön gewesen. »Du musst eingeschlafen sein, nachdem er weg war.« Sie zog die Felldecke von Annwyls Körper. »Jetzt wollen wir dich mal auf die Beine bringen.«

Annwyl schwang langsam die Beine vom Bett und drückte sich mithilfe eines Arms hoch.

»Vorsichtig. Sonst öffnet sich die Wunde womöglich wieder.«

Annwyl nickte, während sie wortlos dasaß und wartete, dass die Übelkeit, die plötzlich in ihr aufstieg, vorüberging.

»Du hast großes Glück, weißt du?«

»Wirklich?«

»Die meisten anderen Drachen hätten dich als Mahlzeit gesehen, nicht als Gast.«

Annwyl nickte langsam. »Ich weiß.« Sie sah die Hexe erneut an. »Ich habe dich schon mal gesehen.«

»Aye. Ich helfe im Dorf, wenn ich kann.«

»Die Heilerin. Jetzt erinnere ich mich. Ich hatte keine Ahnung, dass du eine Freundin der Drachen bist.«

»Sie besitzen meine Loyalität.«

Annwyl sah die Narben der Frau an. Es überraschte sie nicht, dass sie das Leben unter Drachen dem unter Menschen vorzog. »Hat dir mein Bruder das angetan?«

»Er hat es befohlen. Er ist kein Freund der Schwesternschaft.« Die Frau legte ein Gewand um Annwyls nackte Schultern.

Ihr Bruder hasste alle Hexen. Hauptsächlich, weil sie Frauen waren. Und er hasste alle Frauen. »Er hatte schon immer Angst vor dem, was er nicht versteht.«

»Schließt das dich mit ein?«

Annwyl lachte, während sie sich langsam vom Bett hochschob. Das Lachen klang sogar in ihren eigenen Ohren bitter. »Mein Bruder versteht mich nur zu gut. Deshalb kommen wir ja auch trotz aller Mühe nicht aus unserer Pattsituation heraus.«

»Ich sehe, du bist seiner Strafe nicht entkommen.« Die Hexe deutete auf die Wunden auf dem Rücken der jungen Frau. Das aufgerissene Fleisch heilte, war jedoch immer noch schmerzhaft gerötet.

»Das ist nicht von ihm.« Annwyl zog das Gewand enger um ihren Körper. Es war samtweich und üppig, ihr gefiel seine Sanftheit auf ihrer vom Kampf gehärteten Haut. Sie fragte sich, welchem reichen Baron der Drache es abgenommen haben könnte, während er seinen Wagen in Stücke gerissen und die Insassen gefressen hatte.

Die Frau legte ihren Arm um Annwyls Hüfte und half ihr zu einem Tisch mit Essen und Wein hinüber. »Dein Name ist … Morfyd, oder?« Annwyl ließ sich auf einen derben Stuhl sinken.

»Ja.«

»Hast du auch geholfen, mich zu heilen?«

»Ja.«

»Nun, danke für deine Hilfe, Morfyd. Ich schätze das sehr.«

»Ich tat es, weil der Drache mich darum bat. Aber wenn du ihn betrügst, Mylady …«

»Droh mir nicht«, fiel ihr Annwyl sofort ins Wort, ohne auch nur von dem Essen vor sich aufzusehen. »Ich hasse das. Und du musst mich nicht an meine Blutschuld gegenüber dem Drachen erinnern.« Annwyl nippte Wein aus einem Silberkelch und sah die Frau an. »Ich schulde ihm mein Leben. Ich werde ihn nie betrügen. Und nenn mich nicht ›Mylady‹. Annwyl genügt.«

Als sie den Kelch vorsichtig auf dem Holztisch absetzte, sah sie, dass Morfyd sie anstarrte. »Stimmt etwas nicht?«

»Nein. Ich bin nur sehr neugierig auf dich.«

»Nun«, grinste Annwyl, »man sagte mir bereits, ich sei faszinierend.«

Morfyd zog den einzigen anderen Stuhl heran und setzte sich Annwyl gegenüber. »Ich habe viel von deinem Bruder gehört. Es erstaunt mich, dass du noch lebst.«

Annwyl begann, den deftigen Eintopf zu essen und versuchte verzweifelt, nicht zu sehr darüber nachzudenken, welche Art Fleisch er enthalten mochte. »Mich erstaunt es auch. Täglich.«

»Aber du hast viele Menschen gerettet. Viele aus seinen Kerkern befreit.«

Annwyl zuckte schweigend die Achseln, während sie sich fragte, ob das ein Knorpel war, worauf sie gerade kaute.

»Niemand sonst hat ihn je herausgefordert. Kein Mensch würde vortreten, um sich ihm zu stellen«, drängte Morfyd.

»Tja, er ist mein Bruder. Früher hat er meine Haare in Brand gesteckt und Messer nach meinem Kopf geworfen. Es war unvermeidlich, ihm im Kampf entgegenzutreten.«

»Aber du hast bis vor zwei Jahren unter seinem Dach gelebt. Wir haben alle die Geschichten über das Leben auf der Insel Garbhán gehört.«

»Mein Bruder hatte andere Sorgen, nachdem mein Vater gestorben war. Er wollte sichergehen, dass jeder ihn fürchtet. Er hatte keine Zeit, sich Gedanken um seine Bastard-Schwester zu machen.«

»Warum hat er dich nicht verheiratet? Er hätte ein Bündnis mit einem der größeren Königreiche schmieden können.«

Annwyl dachte kurz an Lord Hamish aus der Provinz Madron und wie kurz sie davorgestanden hatte, seine Braut zu werden. Der Gedanke ließ sie schaudern.

»Er hat es versucht. Aber die Adligen haben es sich immer wieder anders überlegt.«

»Und du hast ihnen dabei geholfen?«

Sie zeigte mit Daumen und Zeigefinger einen kleinen Abstand an: »Nur ein bisschen.«

Zum ersten Mal lächelte Morfyd, und Annwyl merkte, wie sie allmählich mit der Hexe warm wurde.

Sie schob ihre fast leere Schüssel von sich und trank noch ein wenig von dem Wein. Es erschütterte sie, wie gut sie aß. Es erschütterte sie, dass sie noch atmete.

»Trink den Wein ganz aus. Ich habe Kräuter hinzugefügt, die dich heilen werden und Infektionen abwehren.«

Annwyl sah misstrauisch in ihren Weinkelch. »Was für Kräuter?«

Morfyd zuckte die Achseln, stand auf und nahm Annwyls leere Schüssel. »Viele verschiedene. Es ist mein eigenes Rezept. Es funktioniert ziemlich gut. Es kann auch Hautausschläge und Gicht heilen. Und verhindern, dass Frauen schwanger werden. Aber ich nehme an, das ist dir nicht so wichtig.«

Annwyl sah von ihrem Wein auf. »Warum sagst du das?«

»Weil du Jungfrau bist.«

Annwyl erstarrte. Das konnte nicht nur eine Annahme sein. Sie hatte weit mehr als zwei Jahre mit einem männlichen Heer zusammengelebt; jeder ging davon aus, dass sie ihre Jungfräulichkeit schon vor Ewigkeiten verloren hatte.