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»Woher … weißt du das?«

»Er hat es mir gesagt.«

Annwyl wusste, dass die Hexe den Drachen meinte, und die Wut ballte sich in ihrer Brust zusammen. Eine Wut, die sie nicht im Zaum halten konnte. »Drache!« Sie brüllte seinen Namen so laut, dass Morfyd ein paar Schritte rückwärts stolperte.

Der Boden bebte, als der Drache zu ihr zurückkehrte. »Was? Was ist los?«

Annwyl zwang sich auf die Füße, eine Hand auf ihre frische Wunde gepresst. »Woher weißt du es? Und sag mir die Wahrheit!«

»Woher weiß ich was?« Er sah Morfyd an, die die Achseln zuckte und rasch den Raum verließ. Sie rannte fast.

»Dass ich Jungfrau bin. Niemand weiß das! Woher weißt du es?« Sie hatte keine Ahnung, wie lange ihr tiefer Schlaf angehalten hatte. Ohne sich schützen zu können. Ohne jemanden davon abhalten zu können … Sie schüttelte den Kopf. Sie ertrug nicht einmal den Gedanken daran.

»Deshalb forderst du meine Anwesenheit? Weil ich dein tiefes, dunkles Geheimnis kenne?«

»Nicht, weil du es kennst. Ich will wissen, woher du es kennst!«

Er senkte den Kopf, bis sie sich Auge in Auge gegenüberstanden. Doch Annwyl, zu wütend um nachzudenken, zuckte nicht zusammen oder wich zurück. Angesichts der Tatsache, dass sein Kopf so lang war wie ihr ganzer Körper und sie die meisten Männer überragte, hätte sie es vielleicht tun sollen. Stattdessen ließ sie sich von ihrem Zorn überwältigen. Genau wie immer. »Also? Antworte mir!«

Seine schwarzen Augen verengten sich bei ihrem zornigen Schrei, und seine Nüstern blähten sich. »Ich kann es an dir riechen.«

Annwyl wich vor dem Drachen zurück. »Was?«

»Ich kann es an dir riechen. Dass kein Mann bei dir gelegen hat. Dass deine Jungfräulichkeit noch intakt ist. Dass du, Schöne, noch Jungfrau bist.«

Annwyl sah den Drachen entsetzt an, die Stimme nicht mehr als ein Flüstern. »Wirklich? Du kannst das an mir riechen?«

»Nein«, antwortete er rundheraus. »Aber du bist sehr gesprächig im Schlaf.«

Sie verdrehte die Augen. »Du durchtriebener …« Ihre Wut verflog so schnell wie sie gekommen war. Sie lehnte sich an den Tisch, ihre Kraft schwand.

»Hast du geglaubt, ich hätte dich irgendwie missbraucht, während du schliefst?«

»Na ja …« Annwyl zuckte zusammen, als eine Klaue in Erwartung einer Antwort ungeduldig auf den Steinboden tippte. »Der Gedanke war mir durch den Kopf gegangen.« Zu schwach, um noch länger zu stehen, ließ sie sich auf einen der Stühle sinken. »Es tut mir leid. Ich weiß nur, was ich von meinem Bruder gelernt habe … und er hätte nachgesehen.«

Die große Bestie seufzte. »Ich habe Geschichten von deinem Bruder gehört. Dir ist doch klar, dass er schon bei seiner Geburt hätte getötet werden sollen?«

Annwyl lächelte. »Schön wär’s.« Sie sah über den Höhlenboden zum Bett hinüber. Es sah so weit entfernt aus, und ihr Körper war immer noch so schwach.

»Hier.« Er senkte seine Klaue und öffnete sie. Schwarze Krallen, so lang wie ihr Bein, glänzten vor Annwyl.

»Du musst verrückt sein.«

»Was glaubst du, wie du hier hereingekommen bist?«

»Ja, aber …« Nun fing sie wieder an. Sie behandelte ihn wie ein Tier, wo er sie doch in der kurzen Zeit, die sie ihn kannte, mit mehr Respekt behandelt hatte als jeder Mann, den sie in der Burg ihres Bruders kennengelernt hatte.

Sie drückte sich hoch und machte die zwei Schritte zu seiner ausgestreckten Klaue. Mit Willenskraft, von der sie nicht gewusst hatte, dass sie sie besaß, stieg sie hinauf, wobei sie die Vision verdrängte, wie er sie wie ein Stück Steak in den Mund schob. Er hob sie hoch und bewegte behutsam seinen Unterarm, bis er das Bett erreicht hatte. Vorsichtig senkte er sie auf die Felldecken herab.

»So, und jetzt wollen wir versuchen, keine Wutanfälle mehr zu bekommen, bis du mehr von deiner Kraft wiedererlangt hast.«

Annwyl lachte. »Wie du wünschst.«

Sie setzte sich aufs Bett, die langen Beine über die Seite baumelnd. Sie sah ihm nach, als er die Höhle verließ. Sein langer Schwanz folgte. Doch als dieser ausschlug und sich um ihr Bein wickelte, fragte sich Annwyl, ob er wohl einen eigenen Willen hatte. Einen kurzen Augenblick machte sie sich Sorgen, er könnte sie durch den Raum schleppen. Doch stattdessen liebkoste er ihr Bein; die ebenholzschwarzen Schuppen strichen über ihre Wade. Dann ließ er los und verschwand mit dem Drachen, der ihn schwang.

Lange nachdem er fort war und sie wieder unter die Felldecken gekrochen war, spürte Annwyl noch, wo er ihr Bein berührt hatte. Und sie fragte sich, welcher Irrsinn begonnen hatte, die Herrschaft über ihren normalerweise vernünftigen Verstand zu übernehmen.

Lorcan von der Insel Garbhán starrte über seine Festungsmauern hinaus, sah zu, wie die beiden Sonnen im Westen untergingen und fragte sich, wie seine Schwester seinem Griff immer wieder entschlüpfen konnte.

Egal, was er tat oder versuchte, sie starb einfach nicht! Und je länger sie lebte, desto mehr Männer tötete sie. Seine Männer. Seine Truppen. Die Anzahl der geköpften Leichen, die ihren Namen in die Brust geritzt trugen, kam sogar der seinen gleich. Natürlich hatte er für diese Leistung einunddreißig Jahre gebraucht. Sie hatte ihre in wenig mehr als zwei angesammelt.

Er wünschte jetzt, er hätte sie getötet, als er die Möglichkeit dazu hatte. Sie war zehn, er gerade vierzehn gewesen. Sie war gerade angekommen und schlief tief in ihrem neuen Bett. Er hielt das Kissen in den Händen. Er wusste, er konnte sie ersticken, und niemand hätte es je erfahren. Doch sie wachte auf, sah ihn an und bekam einen schrecklichen Wutanfall. Seine Reaktion stand dem in nichts nach. Sein Vater fand die beiden, wie sie auf dem Boden herumrollten in dem Versuch, sich gegenseitig zu erwürgen. Er war nicht erfreut gewesen, und er ließ sie dafür bezahlen, dass sie ihn aus tiefem Schlaf geweckt hatten.

Lorcan zuckte bei der Erinnerung an die Brutalität der Tracht Prügel, die sie beide bezogen hatten, zusammen. Was ihm eine kleine Befriedigung verschaffte, war, dass er die Prügel erwartet hatte. Seine uneheliche Schwester hatte offenbar ein einfaches Leben in ihrem armen Dorf gelebt und war wenig oder gar nicht diszipliniert worden. Ihre Reaktion auf die Strafe … nun, sie war wahrlich Belohnung genug für ihn gewesen.

Er hatte nicht gewusst, dass man jemanden so sehr hassen konnte, wie er dieses Mädchen hasste. Doch sie führte ihn weiter vor. Es gab mehrere umliegende Königreiche, die Gold und Truppen zu ihrem Feldzug beisteuerten, in der Hoffnung, sie möge tun, was sie nicht konnten. Ihn töten. Seinen Thron übernehmen.

Doch vorher würde er ihren Kopf auf einer Lanze vor seinen Festungsmauern sehen. Und jetzt hatte er den perfekten Verbündeten zur Unterstützung.

Er hatte Hexen nie besonders gemocht. Ihm hatte der Gedanke noch nie gefallen, dass so weiche Wesen wie Frauen solch eine Macht hatten, die sie vermutlich nicht kontrollieren konnten. Doch Zauberer konnte er ertragen. Und Hefaidd-Hen war genau, was er brauchte. Wenn man ihn gut bezahlte, legte einem Hefaidd-Hen die Welt zu Füßen. Er hatte sich in den wenigen Monaten, die sie nun Verbündete waren, immer wieder bewiesen. Auch wenn er immer noch nicht seine Schwester gefangen genommen hatte.

Lorcan hörte das Stöhnen des Soldaten, den er unter seinem Stiefel am Boden festhielt. Mit einem Schnauben drückte er seinen Fuß fester auf seinen Hals. Der wertlose kleine Bastard hatte ihn enttäuscht. Er war ohne das Weibsstück zurückgekommen.

Er warf einen Blick über seine Schulter zu seinen Leutnants. Sie beobachteten ihn und versuchten ihr Bestes, ihre Angst zu verbergen. Doch er konnte sie riechen. Er sah wieder zu den untergehenden Sonnen hinaus. »Ich will meine Schwester.« Er knurrte die Worte leise. »Ich will meine Schwester!« Er stampfte mit dem Fuß auf, brach dem Mann das Genick und zerquetschte seinen Kiefer. »Und jetzt geht mir aus den Augen!«