»Au! Lass mich los, du übergeschnappter Blödmann!«
Er grub seine Knöchel in ihren Scheitel. »Du bist wirklich die lästigste kleine …«
»Annwyl, ich …« Fearghus blickte auf, als Brastias das Zelt betrat. Doch der warf nur einen Blick auf die Geschwister, drehte sich auf dem Absatz um und ging wieder hinaus.
Fearghus ließ seine Schwester los und schubste sie von sich weg, damit sie ihm keinen kräftigen Tritt verpassen konnte.
»Wenn ihr irgendetwas passiert wäre …«
»Ist es aber nicht. Und vielleicht hast du es nicht bemerkt, aber es hat ihr das Leben gerettet!«
Damit zog Morfyd ihr Gewand zurecht, strich sich das weiße Haar aus dem Gesicht, streckte ihrem Bruder die Zunge heraus und ging.
Fearghus knurrte, und Rauch kräuselte sich aus seinen Nasenlöchern. »Zicke!«
Annwyl war auf dem Weg zurück zu ihrem Zelt. Sie war es langsam müde geworden, Gwenvaels Hand alle zehn Sekunden von ihrem Schenkel zu schieben. Am Ende hatte sie einfach seine Finger zurückgebogen, bis sie hörte, wie einer von ihnen ein befriedigendes »Knack« von sich gab. Es ärgerte ihn unwahrscheinlich, doch nach dem vergangenen Tag machte sie sich seinetwegen nun wirklich keine Sorgen.
Sie ging an Reihen von Männern vorüber, die feierten und schlemmten. Es war noch so viel zu tun, doch sie ließ den Männern ihren Spaß. Sie hatten es sich verdient. Und sie würden sich noch viel mehr verdienen. Annwyl wusste, dass sie die Insel Garbhán angreifen musste und die Festung in Besitz nehmen, bevor sie wahrhaftig Königin sein konnte. Es ärgerte sie maßlos, dass sie zu einem Ort würde zurückkehren müssen, den sie so sehr verachtete, doch der Sitz der Macht der Dunklen Ebenen war nun einmal Garbhán. Sie hatte keine Wahl. Und wenn sie dort fertig war, würde sie noch jeden Einzelnen besiegen müssen, der ihrem Bruder möglicherweise immer noch die Treue hielt. Ja, sie hatte viel zu tun. Doch heute Abend würde sie feiern. Der heutige Abend war etwas Besonderes.
Sie verlangsamte ihren Schritt, blieb stehen und sah zum Eingang des Lagers. Dort stand er. Der Kopf ihres Bruders auf einem Spieß. Sie lächelte mit einem überwältigenden Gefühl der Befriedigung.
»Äh … Annwyl?« Sie sah sich um und sah Danelin vor sich stehen. »Du machst den Männern Angst.«
Annwyl sah zu ihren Soldaten hinüber. Sie hatten aufgehört zu essen und beobachteten, wie sie die Überreste ihres Bruders anstarrte. Und sie schienen in der Tat ein bisschen verängstigt.
»Entschuldigung.« Er wollte an ihr vorbeigehen, doch sie hielt ihn auf. »Gute Arbeit heute, Danelin.«
Er lächelte stolz, nickte und ging weiter.
Als sie sich dem Zelt näherte, merkte Annwyl, dass keine Soldaten es bewachten. Das konnte nur eines bedeuten.
Als sie eintrat, sah sie ihn lässig auf einem Sessel mit hoher Lehne fläzen. Eine Felldecke aus dem Bett war um seinen langen, muskulösen Körper gehüllt. Seine frisch gewaschenen langen schwarzen Haare bedeckten teilweise sein Gesicht und die Brust. Ihr stockte der Atem. Sie wurde schon bei seinem bloßen Anblick feucht.
»Drachenfürst.«
»Königin Annwyl.«
Dies war das erste Mal, dass sie ihn sah, seit der Kampf sich gewendet hatte. Er war gegangen, um seiner Familie zu helfen, die feindlichen Drachen zu erledigen; sie selbst, um so viele von Lorcans Männern zu töten wie ihre Soldaten in die Finger bekommen konnten. Doch Krieg und Sex waren jetzt eins für sie geworden. Wahrscheinlich für immer. Sie hieb eine Schneise durch eine Armee aus Männern und wusste dabei, dass sie, je schneller sie ihre Aufgabe erledigte, desto schneller zu Fearghus zurückkehren konnte.
»Ein Bad wartet auf dich.« Sie warf einen Blick hinüber zu der riesigen Wanne. Da sie immer noch das Blut ihres Bruders in den Haaren hatte, war ein Bad vielleicht eine gute Idee.
Sie ging zur Mitte ihres Zeltes und nahm rasch die Schwerter ab, die auf ihrem Rücken hingen.
»Langsam.«
Sie sah zu Fearghus auf. Er beobachtete sie scharf mit seinen schönen schwarzen Augen. Ihr Schoß zog sich zusammen, und es brauchte all ihre Kraft, dass sie sich nicht auf ihn warf. Stattdessen zog sie langsam ihren Wappenrock aus. Streifte ihre Stiefel und ihr Kettenhemd ab. Wickelte die Binden von ihren Brüsten und schlüpfte aus dem Stück Stoff, das ihr Geschlecht verbarg. Als sie fertig war, stand sie nur da. Sein Blick schweifte träge über sie. Betrachtete nicht nur ihren Körper, sondern jede Wunde, die sie nach dem Kampf nun an sich trug.
Er deutete mit einem raschen Blick seiner Augen auf die Badewanne. Sie glitt hinein und schauderte.
»Kalt?«
»Ein bisschen.«
Die Felldecke abwerfend, stand er langsam auf und ging auf sie zu. Sie betrachtete seinen Körper, als er neben der Wanne stehen blieb. Unter all diesen langen, harten Muskeln lagen das Herz und die Seele eines Drachen. Ihres Drachen. Sie leckte sich die Lippen; sie konnte nur daran denken, seinen Schwanz noch einmal in ihren Mund zu nehmen.
Fearghus kauerte sich neben sie. Er legte seine Hand in der Wanne zwischen ihre Schenkel. Sie hoffte, dass er sie berühren würde, doch er tat es nicht. Seine Hand blieb einfach dort liegen, bis sie bemerkte, dass das Wasser schön warm wurde. Diese Drachenmagie hatte wirklich etwas für sich.
»Entspann dich«, überredete er sie sanft. Und genau das tat sie, lehnte sich in der Wanne zurück und legte ihren Kopf auf den Rand.
Fearghus goss Wasser über ihr Haar und seifte ihren Schopf ein. Er wusch das Blut und den Schweiß des Tages aus ihren Haaren und schließlich auch von ihrem ganzen Körper.
»Bequem?«
»Ja.«
»Entspannt?«
»Sehr.«
»Gut.«
Dann schrie Annwyl auf, als Fearghus ihren Kopf unter Wasser tauchte. Er hielt sie mehrere lange Sekunden dort, während sie kämpfte, um ihren Kopf von diesem Stück Stahl, das er Arm nannte, zu befreien. Schließlich ließ er sie los, und sie kam hustend und spuckend wieder zurück an die Luft.
»Was in aller …«
Er nahm sie an den Schultern und hob sie mühelos aus der Wanne. »Hör mir gut zu, Frau. Gehe nie wieder ohne mich zu meiner Familie! Nie wieder! Du wirst nie wieder, und ich meine nie wieder, dein Leben so aufs Spiel setzen! Haben wir uns verstanden?«
Annwyl riss sich von ihm los und machte mehrere taumelnde Schritte rückwärts. »Nein! Wir haben uns nicht verstanden!« Sie drehte sich zu ihm um. »Ich habe getan, was ich tun musste. Und ich würde es wieder tun! Und ich habe keine Angst vor deiner Familie!«
»Annwyl«, warnte er sie mit zusammengebissenen Zähnen.
»Nein! Ich will nichts davon hören!« Heftig strich sie sich die widerspenstigen, nassen Strähnen braunen Haares aus den Augen. »Hast du überhaupt eine Ahnung, was ich heute durchgemacht habe? Innerhalb von nur einem Tag stand ich in der Flamme der Drachen … zweimal!«
»Aber ich …«
»Still!« In erschrecktem Schweigen stand er da. »Ich musste mich außerdem diesem kaltherzigen Miststück stellen, die du deine Mutter nennst! Ich habe meinem eigenen Bruder den Kopf abgeschlagen! Und ich musste deinem Bruder die Hand brechen, weil er nicht aufhören wollte mich anzufassen!«
Fearghus begann zu grinsen, und sie stoppte ihre Tirade. »Was?«
»Du hast ihm die Hand gebrochen?« Widerwillig fing er an zu lachen.
»Na ja, es war mehr sein Finger. Aber dem Theater nach, das er gemacht hat, hätte man meinen können, ich hätte ihm den ganzen Arm gebrochen.«
Fearghus lachte. Sehr. Und am Ende lächelte auch Annwyl.
Was zum Teufel sollte er tun? Er liebte diese Frau. Liebte alles an ihr. Wollte sie als seine Gefährtin. Doch sie musste ein Königreich führen. Verbündete gewinnen. Feinde vernichten. Er sah schon die Furcht in den Augen der Männer. Sie hatten ihren »Tanz« mit der Drachenflamme erlebt. Einen Tanz, den sie überlebt hatte. Und sie wussten alle, dass sie ihn zu ihrem Liebhaber gemacht hatte. Seine Gegenwart würde nur ihre Sicherheit aufs Spiel setzen.