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Hamish trat vor. »Lady Annwyl. Es ist so lange her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.«

»Lord Hamish.« Sie wedelte mit der Hand und betete, dass die Tortur bald vorüber sein möge.

»Vielleicht, Lady, könnten wir, wenn du hier fertig bist, zusammen zu Abend essen und über die Zukunft unserer Reiche sprechen.«

Annwyl grinste über den plötzlichen panischen Ausdruck auf Brastias’ Gesicht. Sie wusste, was ihr alter Freund befürchtete, und sie gab ihm mit Freuden genau das, was er erwartete.

»Nein.«

Eine längere Pause folgte, als die Abgesandten von Madron ihre kurze, aber direkte Antwort verarbeiteten.

Hamish drängelte. »Es tut mir leid, Mylady. Gibt es etwas anderes, das heute Abend deine Aufmerksamkeit fordert?«

»Nein. Ich mag dich einfach nicht.« Brastias verdrehte verzweifelt die Augen. Armer Kerl, er hatte keine Ahnung, dass die Folter erst begonnen hatte. »Du warst bereit, mich zu zwingen, dich zu heiraten. Du hast Glück, dass ich dich deine Ländereien und deinen Kopf behalten ließ.« Hamish starrte sie wütend an. »Abgesehen davon, Lord Hamish, würde jeder Versuch, mich zu verführen, um meine Krone zu bekommen, nur dazu führen, dass mein Drache dich zur Strecke bringt und tötet. Und ich würde es ihm erlauben.«

Hamish wurde sehr bleich und machte sich nicht die Mühe, seine Abscheu zu verbergen. »Dann sind die Gerüchte also wahr? Du hast dich mit einem Drachen gepaart.«

»Sehr richtig. Aber wenn es dich stört, Lord Hamish … bitte, tu dir keinen Zwang an und stoß mich von meinem Thron.«

Rhiannon landete und sah zu, wie die Männer um ihr Leben rannten. Daran sah sie sich eigentlich nie satt. Die Panik in ihren winzig kleinen Gesichtern. Der Klang ihrer Schreie, wenn sie in alle Richtungen davonwuselten. Sie hätte gelacht oder vielleicht ein paar von den Köstlichkeiten eingesammelt, doch sie hatte einen Auftrag.

Dieses kleine Menschenmädchen musste von ihrem wertvollen Thron herunterkommen und zu ihrem Sohn zurückkehren. Eine noch längere Trennung, und es würde Krieg geben. Sie hatte es schon bereut, dass sie vor Kurzem darauf bestanden hatte, dass Fearghus an den Hof kam. Es hatte Kesslene das Leben gekostet. Es hatte mit einer kleinen, wenn auch zugegebenermaßen groben Bemerkung über Fearghus’ Wahl seiner Gefährtin begonnen. Es hätte zu einem Duell zwischen den beiden führen sollen. Doch diesmal gab es kein Duell. Keine Warnung. Fearghus hatte ihm ruhig befohlen, sich zu entschuldigen. Kesslene hatte laut darüber nachgedacht, ob es ihm selbst wohl auch gefallen würde, es mit dem Mädchen zu treiben. Und Fearghus hatte dem Drachen ohne das geringste Zögern das Genick gebrochen. Alle Geschäftigkeit am Hof setzte aus. Zugegeben, es war nicht das erste Mal, dass es an ihrem Hof einen brutalen Todesfall gab. Die meisten waren auf Bercelaks Wutanfälle zurückzuführen oder darauf, dass Teile von Gwenvael irgendwo waren, wo sie nicht hingehörten. Doch dies war das erste Mal, dass Fearghus das Problem verursacht hatte. Und dann hatte Fearghus alle und jeden in der Halle aufgefordert, seinen rechtmäßigen Platz in seinem Clan infrage zu stellen. Nachdem sie gesehen hatten, wie er mit Kesslene umgegangen war, trat kein Drache vor. Nicht einmal seine eigene Sippe wollte sich ihm nähern.

Später sprach Rhiannon mit ihren Kindern und fragte sie nach ihrem Bruder. Seine Geschwister drückten ihre Sorge über die Traurigkeit ihres Bruders aus. Ein Wort, das sie im Zusammenhang mit Fearghus nie benutzt hätte. Er war nicht so überschwänglich wie Éibhear, so lebhaft wie Gwenvael oder so anmaßend wie Briec. Er war nicht einmal ungeschliffen und griesgrämig wie ihr Bercelak. Stattdessen lebte er still und ruhig. Er regte sich nur auf, wenn er keine Zeit für sich hatte. Er hatte den Hof früher als alle anderen verlassen, weil er den Lärm nicht ertragen konnte und seine Geschwister, die ihn andauernd piesackten. Und sie hatte ihn mit ihren Segenswünschen gehen lassen. Sie rühmte sich, all ihre Jungen zu verstehen. Sie verstand sie besser als irgendeinem von ihnen bewusst war. Sie wusste, dass er allein sein musste. Und auch wenn er einmal als König den Thron bestieg, würde er derselbe bleiben. Nichts würde das ändern. Oder ihn.

Dann war dieses geschwätzige kleine Menschenmädchen dahergekommen. Wegen dieses Mädchens wussten die Leute jetzt, dass Drachen sich in Menschen verwandeln konnten. Ihr süßer kleiner Éibhear, auf den sie immer so große Hoffnungen gesetzt hatte, sprach nur noch von einer lebenslangen Verbindung mit einer Menschenfrau. Einer Menschenfrau! Und ihre eigene Tochter, Erbin ihrer Magie und Macht, diente sogar der Menschenfrau auf Garbhán.

Am Anfang war Rhiannon überzeugt gewesen, dass dieses Mädchen ihren Sohn mit ihrer weiblichen List verführt hatte – und eindeutig auch den Rest ihrer Familie. Zumindest hatte sie das gedacht, bevor sie sie kennengelernt hatte. Doch ihr war schnell klar geworden, dass das Mädchen absolut keine nennenswerte weibliche List besaß. Eine harte Kriegerin, die den Tod riskierte, damit sie all ihre winzigen Menschenfreunde schützen konnte. Rhiannon hatte in dem Moment, als Annwyl ihre Flamme ertrug, sogar aufgehört, sie als »Es« zu bezeichnen. Sie hatte natürlich geschrien, aber hauptsächlich, weil der Schmerz unerträglich war. Doch als der Prozess ihren Körper erst verändert hatte, war das Mädchen losgegangen, um ihren Bruder zu köpfen, zur Herrscherin der gesamten Dunklen Ebenen und der Insel Garbhán zu werden und sich noch mit einem Drachen zu vereinigen. Alles an einem Tag.

Das beeindruckte Rhiannon immer noch. Aber jetzt hatte sie einen unglücklichen Sohn, und sie gab dem Mädchen die Schuld dafür. Ein Jahr war vergangen. Die Frau hatte mit ihrer winzigen, aber mächtigen Faust jeglichen Aufstand niedergeschlagen, und jetzt musste sie zu ihrem Gefährten zurückkehren. Er hatte sie in Besitz genommen, also gehörte sie ihm. Wenn das Mädchen seine Meinung geändert hatte … nun, es war in ihrem Interesse, ihre Meinung nicht zu ändern.

Rhiannons Angebot für Annwyl war einfach. »Kehr sofort zu Fearghus zurück oder erleide meinen Zorn.«

Sie stolzierte durch die Festung, ihre Kinder im Schlepptau, während Keita verzweifelt versuchte, die Nacktheit ihrer Mutter mit einem Umhang zu verhüllen. Ihre Kinder waren ein wenig früher angekommen und bereits angezogen. Sie lebten mehr unter den Menschen als sie, und sie vergaß oft, welche Pein den Menschen ihre eigenen Körper bereiteten. Vor dem Thronsaal hielt sie kurz inne, um den Umhang anzulegen, aber beim Klang von Annwyls Stimme blieb sie stehen und hielt ihre Kinder zurück.

»Dann sind die Gerüchte also wahr?«, blaffte eine männliche Stimme angewidert. »Du hast dich mit einem Drachen gepaart.«

»Sehr richtig. Aber wenn es dich stört, Lord Hamish … bitte, tu dir keinen Zwang an und stoß mich von meinem Thron.«

Rhiannon wechselte Blicke mit ihren Kindern. Anscheinend unterschätzte sie die winzige Menschenfrau immer noch.

Annwyl schwang ihre Beine von der Armlehne ihres Steinsessels und stellte sich in voller Größe auf. Sie sah in die Augen von jedem Einzelnen der Oberhäupter der Adelsgeschlechter vor ihr. Sie war die Spielchen und das Verstellen langsam leid. Da nun alle Häuser anwesend waren, war die Zeit gekommen, um sicherzustellen, dass jeder ihre Herrschaft und sie verstand.

»Vielleicht ist dieser Moment gut geeignet, um allen die Lage zu verdeutlichen. So gibt es keine Missverständnisse. Ja, die Gerüchte sind wahr. Mein Gefährte ist Fearghus der Zerstörer, der Schwarze Drache der Dunklen Ebenen. Er ist mein Gefährte und mein Gemahl. Mit ihm werde ich herrschen. Ich verstehe, wenn jemand unter euch ein Problem damit hat. Und bitte, tut euch keinen Zwang an und stoßt mich vom Thron.« Sie senkte die Stimme zu einem Flüstern, doch es durchschnitt den stillen Saal wie ein Schrei: »Bitte.«