Beide Schwestern erstarrten bei Rhiannons Worten. Dann wandten sie sich ihr langsam zu.
»Er hat gelächelt? Dich angelächelt?«, fragte Ghleanna leise.
»Aye. Gestern ein paar Mal. Und einmal vor vielen Jahren.«
Ghleannas Augen wurden schmal. »Bist du sicher, dass es Bercelak war?«
»Das werde ich ja wohl wissen. Ich wurde in letzter Zeit nur von einem schwarzen Drachen gefangen gehalten.«
Maelona schüttelte verwundert den Kopf. »Das ist faszinierend. Ich bin mir nicht sicher, ob einer von uns ihn jemals hat lächeln sehen.«
»Ich dachte, er wäre körperlich nicht in der Lage dazu.«
Bei Ghleannas Worten runzelte Rhiannon die Stirn. »Tja, das ist er aber«, fuhr sie sie an.
Warte. Was tat sie da? Warum hatte sie das Bedürfnis, den Mistkerl zu verteidigen? Götter! Sie war erbärmlich!
Mit einem Knurren entfernte sich Rhiannon von den beiden Frauen und ließ sie miteinander flüsternd stehen.
Bercelak nahm die Hände seiner Mutter. »Bitte. Vertrau mir.«
»Dir vertraue ich, Sohn.« Die goldenen Augen seiner Mutter schweiften zu der Frau seiner Träume. »Sie ist es, der ich nicht traue.«
Sie entzog ihm eine Hand, und ihre kühlen Finger glitten behutsam über den Kiefer ihres Sohnes. Genau dort, wo Rhiannon ihn am Vorabend gekratzt hatte. Es heilte zwar gut, schmerzte aber immer noch ein bisschen. »Was ist das? Hat sie dir das angetan?«
»Ich habe sie geärgert.«
»Soll so dein Leben aussehen? Beten, dass du die Wahnsinnige nicht ärgerst, weil du fürchtest, sie könnte dich im Schlaf umbringen?«
Bercelak sah seine Mutter in gespielter Überraschung an. »Aber Mutter! Ich bin entsetzt über deine Worte!«
»Du klingst wie dein Vater.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um seine Wunde besser sehen zu können. »Ich werde es nicht dulden, dass sie dir wehtut, mein Sohn. Vorher bringe ich diese Schlampe um.«
»Warst du nicht diejenige, die versucht hat, Vater die Kehle durchzuschneiden, bevor er dich in Besitz genommen hat?«
»Er hatte es verdient. Du aber nicht.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich kenne meinen Sohn. Ich kenne alle meine Kleinen.« Und sie beschützte sie alle. Selbst vor ihrem verrückten Vater. »Können wir dir nicht jemand anderen finden? Jemand … Netteren?«
»Ich will keine Nettere, ich will Rhiannon.«
Sie beobachteten beide, wie Rhiannon durch den Raum ging, einen Becher Wein in der Hand. Ein großer Hund rannte zu ihr, und sie kauerte sich neben ihn. Sie fuhr ihm mit einer Hand übers Fell, dann beugte sie sich vor und schnüffelte an ihm.
»Rhiannon?«, rief er sie leise. Sie warf ihm über die Schulter einen Blick zu. »Nein.«
»Nein was?«
»Er ist ein Haustier. Keine Leckerei.«
Sie runzelte die Stirn. »Ein Haustier?« Sie seufzte laut und gereizt auf, stand auf und ging um das Tier herum.
Er lächelte über ihre Verwirrung wegen der menschlichen Lebensweise und hörte seine Mutter nach Luft schnappen.
»Was?«, fragte er und sah auf ihr schönes Gesicht hinab.
»Sie hat dich zum Lächeln gebracht.«
»Aye. Rhiannon bringt mich immer zum Lächeln.«
Shalin ließ ihren Kopf an die Brust ihres Sohnes sinken. »Ihr dunklen Götter, ich habe dich für immer verloren.«
Bercelak verdrehte die Augen. »Ich glaube, Mutter, das ist jetzt ein bisschen extrem.«
Während sie ihren Wein trank, sah sich Rhiannon in dem Saal um, in dem sie stand. Bercelak hatte sie nicht in irgendeine Bergfestung gebracht, um seine Familie kennenzulernen. Ailean hatte eine Burg für seine Familie. Eine prächtige Burg, die sich in ein Tal zwischen den Taaffe-Bergen von Kerezik schmiegte. Doch das schien ihr eine merkwürdige Lebensweise für Drachen. Der einzige Weg, wie man das Gebäude betreten konnte, war, menschliche Gestalt anzunehmen. Niemand passte in Drachenform durch die Türen.
Rhiannon hatte viele Geschichten über Bercelaks Vater, Ailean den Verruchten, gehört. Tatsächlich füllten Einzelheiten über seine vielen, vielen, vielen Lieben und Eroberungen Bände um Bände von Büchern, die ihr eigener Vater sie nie hatte lesen lassen. Sie hatte immer gehört, dass er es vorzog, unter den Menschen zu leben, aber das Ausmaß wurde ihr erst jetzt klar.
Er hatte sogar menschliche Diener, die keine Angst vor den Drachen zu haben schienen, denen sie dienten.
Merkwürdig.
»Sieh an, sieh an!«, dröhnte eine Stimme hinter ihr. »Die Frau meines Sohnes.« Bevor Rhiannon eine Chance hatte, diese Aussage zu bestreiten, gab ihr eine große Hand zur Begrüßung einen Klaps auf den Rücken. Sie taumelte vorwärts und zum Glück direkt in Bercelaks Arme; sonst hätte sie mit dem Gesicht nach unten auf dem Marmorboden geendet.
Bercelak half ihr, sich zu fangen. »Alles in Ordnung?«
»Aye.«
»Zerbrechliches kleines Ding, was?«
Knurrend drehte sich Rhiannon zu der Stimme um, aber sie erstarrte auf der Stelle und starrte ihn an.
Bei den dunklen Göttern des Feuers, er ist umwerfend!
Das musste Ailean sein. Er war sehr ähnlich gebaut wie Bercelak und seine Brüder, aber er hatte blaue, von den weißen Strähnen des Alters durchzogene Haare, die ihm über den Rücken flossen und den Boden streiften. Sein scharfer Blick aus silbernen Augen erwiderte den ihren neugierig, während sündhaft volle Lippen sich zu einem Grinsen verzogen, das ihr die Knie weich werden ließ. Das erklärte, warum seine Nachkömmlinge so schön waren – ihr Vater war es auch, und sogar noch viel mehr.
Kein Wunder, dass ihre Mutter einen Abstecher ins Bett dieses Drachen gemacht hatte. Er musste mindestens in seinem fünf- oder sechshundertsten Winter sein, und dennoch war er stark, mächtig und immer noch tödlich attraktiv.
Als sie nichts sagte und ihn nur anstarrte, stupste Bercelak sie an der Schulter.
»Sag etwas«, fauchte er fast mit zusammengebissenen Zähnen.
Also sagte sie etwas. Zu seinem Vater. »Du bist absolut umwerfend.«
Ailean grinste und sah seinen Sohn an. »Tja, zumindest wissen wir jetzt, dass sie einen verdammt guten Geschmack hat.«
»Entschuldige uns.«
Dann zerrte Bercelak sie aus dem Raum, aber sie starrte weiterhin Ailean an, bis die Tür, die vor ihr zugeknallt wurde, ihr die Sicht versperrte.
Dies war nicht das erste Mal, dass eine Frau, mit der er intim war, seinen Vater mit solch begeistertem Interesse anstarrte. Vorher war ihm das immer egal gewesen. Aber dies war Rhiannon … seine Rhiannon. Und im Moment erstickte er fast an seiner Eifersucht.
Er drehte sie um, damit sie ihn ansah, und hielt sie mit beiden Händen an den Oberarmen fest. »Ging es vielleicht noch offensichtlicher?«
Sie blinzelte verwirrt. »Was offensichtlicher?«
»Deine offenkundige Bewunderung für meinen Vater!«
»Na ja, selbst du wirst zugeben müssen, dass er verdammt gut aussieht!«
Er musste hier überhaupt nichts zugeben.
Sie zuckte zusammen. »Oooh! Also, so habe ich das nicht gemeint. Was ich meine, ist … ich verstehe plötzlich meine Mutter ein bisschen besser.« Sie packte die Arme, die sie festhielten. »Wenn er so als Mensch aussieht, wie, bei den dunklen Göttern, sieht dann seine Drachengestalt aus? Sie muss überwältigend sein!«
Mehr konnte er nicht ertragen. Sie so über seinen Vater reden zu hören, erfüllte ihn mit einem Besitzbedürfnis, das er vorher noch bei keiner Frau gehabt hatte.
Sein Griff um ihre Arme wurde fester, als er sie an die gegenüberliegende Wand drückte. Sie hatte nur Zeit zu keuchen, bevor sein Mund den ihren bedeckte. Sie wehrte sich, versuchte, ihm ihre Arme zu entreißen, aber er weigerte sich, sie loszulassen. Stattdessen neigte er seinen Kopf zur Seite, um einen besseren Angriffswinkel zu haben, und schob seine Zunge zwischen ihre Lippen und in ihren warmen Mund.