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Annwyl setzte sich auf ihr Bett und rieb sich die Augen. Ihre Seite schmerzte. Ihr war kalt. Aber sie hatte endlich wieder Kleider.

»Was ist los?« Sie blickte auf und sah, dass sich der Drache in das Gemach legte und sie beobachtete. Dabei ertappte sie ihn oft.

»Ich dachte nur gerade an meine Männer.«

»Machst du dir wirklich Sorgen um sie?«

Annwyl nickte. Sie schloss die Augen wieder und rieb sie mit ihren Handflächen. Es half, um die Kopfschmerzen zu lindern, die begonnen hatten, als sie auf den Boden gefallen war. »Sie sind alle gute, starke Männer. Aber die Soldaten meines Bruders …«

»Sind euch zahlenmäßig überlegen?«

»Aye. Sogar mit der Hilfe anderer Königreiche hat mein Bruder immer noch mehr Truppen. Mehr Nachschub. Mehr von allem.« Sie senkte die Hände. »Und wir haben …« Sie wandte den Blick dem Drachen zu und hielt inne.

Dann lächelte sie.

Wäre Fearghus ein Mensch gewesen, hätte ihn allein der Ausdruck auf ihrem schönen Gesicht dazu gebracht, im Laufschritt den Raum zu verlassen. Er wusste, was sie dachte. Also beschloss er, es sofort zu beenden. »Nein.«

»Ich habe dich doch noch gar nichts gefragt!«

»Aber du wirst es tun, und die Antwort ist Nein.«

Sie ließ ein frustriertes kleines Knurren hören. »Warum?«

»Ich lasse mich nicht auf die unbedeutenden Probleme von Menschen ein.«

Sie stemmte sich vom Bett hoch. »Aber wir könnten uns gegenseitig helfen!«

»Würdest du nicht eher einfach all mein Gold und die Juwelen nehmen, mich im Schlaf töten und das war’s?«

Sie tat die Reichtümer, die er ihr anbot, mit einer Handbewegung ab. »Gold habe ich. Ich brauche deine Macht, Drache.«

»Nein.« Er beobachtete, wie sie in der Höhle hin und her ging und war beeindruckt, wie schnell ihr Körper heilte. Sie hatte anscheinend schon einiges an Kraft zurückgewonnen, was sie nur noch entschlossener zu machen schien.

Was habe ich mir da bloß angetan?

»Es muss etwas geben, das wir dir anbieten können. Etwas, das du willst oder brauchst.«

Er seufzte theatralisch und schwieg einen Moment. »Na ja, ich habe immer Bedarf an frischen Jungfrauenopfern.«

Sie verdrehte die Augen. »Sehr witzig.«

»Annwyl, es gibt nichts, was ein Mensch mir anbieten könnte. Ich habe alles, was ich brauche. Es gibt einen Grund dafür, dass mich seit fast siebzig Jahren keiner mehr gesehen hat.«

Sie regte sich so auf, dass er fürchtete, sie könnte aus der Haut fahren. »Ich bitte dich nicht, dein Leben hier aufzugeben! Hilf mir, Lorcan zu besiegen, und dann können wir so tun, als wären wir uns nie begegnet. Ich werde dich wieder ganz deiner Einsamkeit überlassen.«

Aus irgendeinem Grund war das das Letzte, was er von ihr hören wollte, aber er ignorierte den Anfall von Bedauern, den ihre Aussage in ihm auslöste.

»Ich kann dir nicht helfen, deinen Bruder zu besiegen. Das musst du schon selbst tun. Und du musst es allein tun.«

»Warum?«

»Wenn du Lorcan nicht selbst tötest, wird deine Herrschaft immer infrage stehen. Die anderen Königreiche werden sich gegen dich erheben und dich und deine edlen Truppen töten. Willst du das?«

»Natürlich nicht.«

»Dann holst du dir seinen Kopf am besten selbst.«

Ihre Augen wurden schmal, als sie ihn ansah. »Aber du glaubst nicht, dass ich es kann.« Sie ging auf ihn zu. »Oder?«

»Nein. Eigentlich nicht.«

Sie wurde wütend. »Warum nicht?«

»Weil du nicht glaubst, dass du es kannst.«

Ihr Zorn kam und verging so schnell – es war ein ziemlich unvergesslicher Anblick. Ihr ganzer Körper schien in sich zusammenzufallen, ihre Hand tastete nach ihrer verwundeten Seite. »Du hast recht. Ich glaube nicht, dass ich es kann.« Sie setzte sich aufs Bett. »Er ist so schnell. Seine Kunstfertigkeit mit der Klinge … Ich würde es nicht einmal schaffen, ihn zu berühren.«

»Du gibst zu leicht auf. Dir fehlt nur die Ausbildung.«

»Von wem? Ich kenne keinen Krieger, der so geschickt ist wie mein Bruder.«

»Ich schon.«

Annwyl sah auf. »Du kennst jemanden?«

»Äh …« Das Ganze wurde immer komplizierter. »Ja, ich kenne jemanden.«

»Traust du ihm?«

Nur so weit, wie er sich selbst traute. »Aye, das tue ich.«

»Und er wird mir helfen, mich darauf vorzubereiten, Lorcan zu töten?« Fearghus nickte. »Könntest du dann vielleicht meinem Heer gegen die Truppen meines Bruders helfen?«

»Annwyl …«

Sie beugte sich vor und verzog das Gesicht, als ihr der Schmerz in die Seite fuhr. »Bitte, Fearghus. Ich weiß, ich schulde dir schon mein Leben. Aber wenn es etwas gibt … Wenn wir nur die Macht eines Drachen hinter uns hätten …«

»Dann helfe ich dir eben, deinen Bruder zu besiegen«, unterbrach er sie grob. »Und wie sehen deine Pläne danach aus?«

Annwyl runzelte die Stirn. »Meine Pläne?«

»Ja. Deine Pläne. Du enthauptest deinen Bruder, deine Truppen warten. Was tust du als Nächstes?«

Annwyl starrte ihn nur an. In diesem Augenblick wurde ihm bewusst, dass das Mädchen gar keine Pläne hatte. Keinen einzigen. Keine großen Ideen von der Weltherrschaft. Keine Verschwörungen, um irgendwelche anderen Reiche zu zerstören. Nicht einmal den Plan für ein Festbankett.

»Annwyl, du wirst Königin sein! Du wirst etwas tun müssen!«

»Aber ich will nicht Königin sein!« Ihr Körper schüttelte sich vor Entsetzen, und er konnte es in ihrer Stimme hören.

»Wenn du ihn enthauptest, wirst du keine große Wahl haben.«

»Was zur Hölle soll ich denn als Königin machen?«

»Na ja … du könntest versuchen zu herrschen

»Das klingt furchtbar kompliziert.«

»Ich verstehe dich nicht.«

»Was meinst du damit?«

»Du führst den größten Aufstand an, den dieses Land je gesehen hat. Wenn ich es richtig sehe, sind dir deine Truppen blind ergeben. Und andere Königreiche schicken dir Verstärkung und Gold.«

»Worauf willst du hinaus?«

»Du bist schon Königin, Annwyl. Du musst dir nur noch die Krone nehmen.«

Sie schüttelte den Kopf. »Mein Vater glaubte nicht an Kronen. Einen Thron gibt es allerdings.«

»Dann nimm deinen Thron. Nimm ihn und werde Königin.«

»Das werde ich. Wenn du mit mir kämpfst, Drache.«

»Wirst du jemals Ruhe geben, wenn ich es nicht tue?«

»Manchmal müssen Königinnen eben Dinge tun, auf die sie nicht unbedingt stolz sind«, neckte sie ihn. »Unter anderem gut aussehende Drachen foltern, wie du einer bist. Ich könnte Leute einstellen, die hier pausenlos ein- und ausgehen. Redselige Leute.« Sie lächelte, während sie sprach – und sie nannte ihn »gut aussehend« –, aber er traute ihr alles zu.

»Dann lässt du mir ja keine große Wahl, oder?«

»Nein, das stimmt wohl.«

»Dann werde ich mit dir kämpfen, Annwyl.«

Sie grinste, und er spürte wieder diesen Stolz, dass er es ausgelöst hatte.

4

Als die Tage vergingen und Annwyl sich erholte, begann sie sich hinauszuwagen in die Bergschlucht, die die Höhle des Drachen umgab. Sie hatte sich nie sicherer gefühlt als in diesem Moment. Mitten im Territorium eines Drachen, nur mit einem Schwert, um sich zu schützen. Und sie hätte auch niemals sicherer sein können. Er ließ sie tun, was sie wollte. Ließ sie gehen, wohin sie wollte. Das tat sie auch. Auch wenn sie den Bereich mied, wo es noch immer nach verbrannten Männern roch.

Annwyl bewegte sich langsam zwischen den Bäumen und Blumen. Sie waren alle so schön und nur dafür da, dass sie sie in der Abgeschiedenheit genießen konnte. Wie alle anderen in den umgebenden Königreichen, hatte sie gelernt, die Finstere Schlucht zu fürchten. Und von außen erhob sie sich auch dunkel und imposant. Doch im Inneren schuf der dichte Wald einen Ort der Ruhe und Beschaulichkeit. Hätte sie als Kind gewusst, dass sie nichts zu befürchten hatte, wäre sie schon vor langer Zeit hierher geflohen.