Beim Klang von Rhiannons Stimme drehten sich alle außer Bercelak um. Wenn andere anwesend waren, wandte er sich niemals von denen ab, die ihr schaden konnten. Jetzt, wo sie Königin war, war Rhiannon in größerer Gefahr als zuvor, auch wenn ihre Mutter tot war. Also warf er nur einen kurzen Blick über die Schulter. Sie stand als Mensch vor ihnen, vollkommen nackt; die Brandmale ihrer Inbesitznahme zeichneten sich pechschwarz auf ihrer Haut ab, und sie trug immer noch das Halsband und die Kette.
Bercelak hatte sie nie mehr geliebt.
»Götter, Bercelak!«, rief seine Schwester aus. »Was zum Teufel hast du getan?«
Er wusste, was sie meinte. Er hatte einen Drachen über die gesamte Länge von Rhiannons Körper eingebrannt; der Schwanz begann an der äußersten Spitze ihres Fußes und zog sich ein Bein hinauf, über ihren Bauch und den Brustkorb, quer über ihre Brust und das Schlüsselbein bis hinauf zu ihrem Hals und endete an ihrem rechten Kieferknochen.
Doch obwohl er wusste, was seine Schwester meinte, antwortete er ihr nicht. Ihre Inbesitznahme war ihre Inbesitznahme, und niemand, auch nicht seine neugierige Sippe, hatte irgendetwas dazu zu sagen.
Er sprach mit Rhiannon, ohne sich umzudrehen: »Was sollen wir tun? Folgen wir ihnen?«
»Nein. Ich schicke keine Truppen aus, um vier Drachen zurückzuholen«, stellte sie selbstbewusst fest. »Aber das heißt nicht, dass wir nicht auf sie vorbereitet sein werden. Wenn sie hierher zurückkommen, mit oder ohne Drachen aus anderen Regionen, werden wir ihnen die Schuppen vom Leib und sie selbst in Stücke reißen.«
Bercelak unterdrückte ein Lächeln, als der ganze Saal bei Rhiannons beiläufig fallen gelassenen Worten still wurde. Er wusste, dass sie es ernst meinte, doch es war die Kälte in ihrer Stimme, die die anderen erschreckte. Ihn erschreckte sie allerdings nicht. Er wusste, sie würde eine wunderbare Königin abgeben. Da hatte er keinerlei Zweifel.
»Wir haben zuerst hier ein paar Dinge zu regeln«, fuhr sie fort. »Meine Geschwister können warten, bis sie etwas Dummes tun.«
Sie schwieg, und er spürte, wie sich ihr Blick in seinen Rücken bohrte und ihr eigenes Brandmal musterte. Ein Drache war in seine menschliche Haut gebrannt und bedeckte seinen gesamten Rücken und zu seiner Belustigung auch seinen Hintern. Sein Körper spannte sich, während sein Ding hart wurde beim Gedanken, dass seine Frau ihn genauso sehr wollte wie er sie. Und er machte sich nicht die Mühe, seine Reaktion zu verbergen. Sollten sie es doch sehen. Sollten sie es doch alle sehen.
»Mein Bett wird kalt, Gefährte«, murmelte sie hinter ihm. »Lass mich nicht warten.«
Damit drehte sie sich um und ging zurück in ihr Schlafgemach. Ihre Kette zog sie hinter sich her.
Bercelak konzentrierte sich auf seine Familie. »Wir lassen sie für den Moment in Ruhe, wie sie sagte, aber wir werden vorbereitet sein, falls sie zurückkehren.«
Seine Brüder nickten, genauso seine Schwester. Sie waren jetzt alle Teil von Rhiannons Hofstaat. Nicht länger die Familie von niedriger Herkunft, sondern Mitglieder des Königshauses.
Mit einem Nicken drehte er sich um und ging wieder die Treppe hinauf. Er hörte einen der anderen Drachen, keinen von seinen Geschwistern, einem Kameraden neben sich zumurmeln, die Stimme voller Missbilligung: »Sie hat ihn schon gebrandmarkt. Sieh dir seinen Rücken an.« Der Drache schnaubte. »Tja, wir werden sehen, wer in dieser Familie die Hosen anhat.«
Bercelak ging weiter, auch als er spürte, wie seine Geschwister lautlos von dem zurücktraten, der gesprochen hatte. Als er einen der Waffenständer am Rand des Saals erreichte, schnappte er sich einen langen Spieß, drehte sich um und schleuderte ihn zielsicher.
Der Spieß fuhr durch den Hals des Drachen, riss ihn zurück und spießte ihn an der Marmorwand hinter ihm auf.
Bercelak wandte sich dem Rest des Hofstaats zu, der ihn angsterfüllt ansah. Alle bis auf seine Familie. Sie sahen auf ihre Füße hinab oder an die Decke. Denn sie wussten, wenn sie einander ansahen, würden sie in Lachen ausbrechen. Was definitiv ihre furchterregende Wirkung zerstört hätte, um die sie im Moment alle rangen.
Er lächelte, was den Hofstaat sogar noch mehr zu erschrecken schien. »Ich habe ihn nicht verstanden. Was hat er gesagt?«
Keiner antwortete. Keiner wagte es.
»Das dachte ich mir.«
Damit grinste er jene an, die zu schwach waren, ihn herauszufordern, ging zurück in sein Schlafgemach und brachte seine Gefährtin den Rest des Morgens und bis weit in den Nachmittag hinein dazu, seinen Namen zu schreien …
Epilog
195 Jahre später …
Knurrend marschierte Rhiannon zurück zur Höhle der Familie. In Devenallt stand ihr Thron, doch hier in dieser Höhle zog sie ihre Jungen groß. Und was für verzogene, verwöhnte kleine Jungen das waren!
Ohne nachzudenken, stürmte sie an ihrem Gefährten vorbei, der zusammen mit seiner Sippe damit beschäftigt war, sich Schlachtpläne anzusehen. Ihr Thron war in Gefahr, und sie würden in den Krieg ziehen. Ihre zwei Ältesten hatten bereits die Rüstung der Kampfdrachen erhalten. Sie wollte nicht, dass sie gingen, doch sie waren jetzt alt genug, um ihre eigenen Entscheidungen zu treffen.
Bercelaks Klaue hielt sie am Unterarm fest. »Was ist los?«
»Nichts.« Sie versuchte, sich von ihm loszumachen, doch sein Griff war wie ein Schraubstock.
»Lasst uns allein!«, befahl er den Drachen im Raum. Und ohne zu zögern taten sie es.
»Was ist los, Rhiannon? Sag es mir.«
Sie entriss ihm ihren Unterarm und starrte ihren Gefährten wütend an. »Deine«, und sie unterstrich dieses »Deine« mit ihrer Schwanzspitze vor seinem Gesicht, »deine Nattern von Sprösslingen haben ihm den Schwanz abgeschnitten!«
Bercelak schüttelte verwirrt den Kopf. »Wessen Schwanz abgeschnitten?«
»Gwenvaels!«, schrie sie, so wütend, dass sie kaum klarsehen konnte.
Doch statt seine Sprösslinge zu sich zu zitieren, um ihnen zu sagen, was für fürchterliche kleine Bastarde sie waren, brach er in Lachen aus.
»Ich bin sicher, er hatte es verdient!«
Ihr Schwanz schlug ihm gegen den Hals. »Das ist nicht lustig!«
»Oh, Rhiannon, mach ihn einfach wieder ganz. Du verhätschelst ihn zu sehr.«
Sie stampfte mit dem Fuß auf, dass die Höhlenwände wackelten. »Das kann ich nicht!«
»Warum nicht?«
»Als ich sie erwischt habe, habe ich sie gerade in dem Moment angebrüllt, als Fearghus ihn Briec zugeworfen hat. Er ist so erschrocken, dass er ihm durch die Hände gerutscht und in den Fluss gefallen ist … sie konnten ihn nicht finden.«
Bercelak räusperte sich und bemühte sich, ein ernstes Gesicht zu machen. »Sowas kann leicht passieren, mein Liebling.«
Sie rammte ihre Schwanzspitze gegen Bercelaks Brust, was ihn keinen Millimeter vom Fleck bewegte. »Du hast sie genauso erzogen wie dein Vater euch, mein Liebling. Diese kleinen Bastarde kann man nicht erschrecken!«
Unfähig, es noch länger zurückzuhalten, lachte Bercelak wieder laut heraus. »Ich weiß!«
»Oh!« Rhiannon drehte sich um und wollte davonstürmen, doch Bercelaks Unterarme schlangen sich um sie und zogen ihren Drachenkörper eng an seinen.
»Sei nicht sauer, Liebling. Bitte. Es tut mir leid.« Er versuchte tapfer, nicht zu lachen.
»Es war schrecklich, Bercelak. Überall spritzte Blut herum, und er hat den Schwanz die ganze Zeit herumgeschwungen.«
Schnaubend fing Bercelak wieder an zu lachen.
»Weißt du«, grollte sie, »du fändest das nicht so lustig, wenn es deine heißgeliebte Morfyd oder Keita wäre.«
Wie sie wusste, ernüchterte ihn das auf der Stelle. »Nein, das stimmt.«
»Tja, genauso geht es mir mit meinem Gwenvael.«
»Ich sage es dir noch einmaclass="underline" Du verhätschelst ihn zu sehr.«