Harris meinte schließlich, es sei ein sehr schönes Labyrinth, soviel er beurteilen könne – und wir kamen überein, daß wir Georg auf unserm Rückweg hineinlocken wollten.
*
Harris erzählte mir diese Labyrinthgeschichte, während wir durch die sonst sehr belebte Schleuse bei Moulders fuhren. Ich habe manchmal dort gestanden und hinabgeschaut, wenn man keinen Tropfen Wasser mehr sehen konnte, sondern nur ein glänzendes Gewimmel von bunten Jacken, hellen Mützen, verwegenen Hüten, vielfarbigen Sonnenschirmen, seidenen Mänteln und Decken, flatternden Bändern und zarten, weißen Kleidern; und wenn man vom Quai in die Schleuse hinabsah, so erschien das alles wie eine ungeheuere Kiste, worin Blumen von allen Farben und Schattierungen, wirr durcheinander geworfen, in buntem Haufen beisammenlagen und jede Ecke ausfüllten.
An einem schönen Sonntag bietet die Schleuse fast den ganzen Tag über diesen Anblick, während oberhalb und unterhalb der Fluß voll von Booten ist, die außerhalb der Schleusentore auf das Öffnen derselben warten. Und Boote kommen und gehen, so daß der sonnige Fluß vom Schlosse an bis hinauf zur Hamptonkirche gelb, blau, orange, weiß, rot und rosa gesprenkelt erscheint.
Alle Einwohner von Hampton Court und Moulsey kleiden sich nämlich ausschließlich in Rudereranzüge, kommen mit ihren Hunden daher und bummeln um die Schleuse herum, kokettieren und rauchen und schauen nach Booten; und das alles zusammen, die Herren mit ihren bunten Mützen und Jacken, die Damen in ihren schönen, hellfarbigen Kleidern, die aufgeregten Hunde, die hin- und herschießenden Boote mit ihren weißen Segeln, die reizende Landschaft und das im Sonnenlicht glitzernde Wasser – all das zusammen bietet eines der heitersten Bilder in der Umgebung dieses düstern alten Londons.
Ja! Der Fluß bietet eine gute Gelegenheit, mit seinem Anzug Staat zu machen. Auf dem Flusse haben wir Männer auch einmal Gelegenheit, unsern Geschmack in Farben zu zeigen, und meiner Meinung nach machen wir uns da gar nicht übel. Ich z. B. mag immer gern etwas Rot an mir – Rot und Schwarz zusammen. Ihr müßt nämlich wissen, mein Haar hat eine Art goldbrauner Farbe, eine ganz hübsche Schattierung, sagt man mir, und ein dunkles Rot macht sich wunderbar gut dazu; und dann denke ich immer, eine hellblaue Krawatte passe vorzüglich, sowie ein Paar juchtenlederne Schuhe und ein rotseidener Schal, um die Hüften gebunden; nebenbei bemerkt, ein Schal sieht immer viel feiner aus als ein Gürtel.
Harris liebt Schattierungen oder Zusammensetzungen von Orange oder Gelb, aber ich bin nicht der Meinung, daß er wohl daran tut, seine Hautfarbe ist zu dunkel für Gelb. Gelb steht ihm nicht – das ist gar keine Frage. Ich wollte ihn veranlassen, Blau als Hauptfarbe zu wählen, Blau mit Weiß oder Creme. Aber so ist der Mensch. Je weniger einer Geschmack hat, um so hartnäckiger hält er an seiner Ansicht fest. Es ist recht schade, da er auf diese Weise niemals ordentlich aussehen wird, während er sich mit ein paar andern Farben gar nicht so übel ausnehmen würde, namentlich wenn er seinen Hut auf hat.
Georg hat sich für unsere Exkursion auch einige neue Sachen angeschafft, die mich etwas ärgern. Seine Jacke hat eine schreiende Farbe. Ich möchte nicht, daß Georg diese meine Meinung zu wissen bekäme, aber ich kann nun einmal kein anderes Wort dafür finden. Er brachte sie – nämlich die Jacke – am Donnerstag nach Hause und zeigte sie uns. Wir fragten ihn, wie er denn diese Farbe nenne; er antwortete, er wisse es nicht. Er glaube überhaupt nicht, daß diese Farbe schon einen Namen habe; der Kaufmann habe ihm gesagt, es sei ein orientalisches Muster. Georg zog die Jacke an und fragte, wie er uns darin gefalle. Harris meinte, wenn das Ding im Frühjahr als Vogelscheuche in einem Gartenbeet dienen solle, so wolle er ihm gerne seine Reverenz machen, aber als Teil eines Anzugs für ein menschliches Wesen, einen Zulukaffer ausgenommen, mache sie ihn förmlich krank. Georg wurde ganz wild; aber Harris versetzte gleichmütig, warum er ihn denn gefragt habe, wenn er seine Meinung nicht hören möge.
Was Harris und mich selbst in bezug auf genanntes Kleidungsstück beunruhigt, das ist, daß wir befürchten müssen, die allgemeine Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen. Auch die Mädchen sehen in einem Boot ganz passabel aus, wenn sie hübsch angezogen sind. Nichts ist nach meiner Meinung pikanter als ein geschmackvolles Bootkostüm. Aber ein »Bootkostüm« – wenn die Damen das doch nur verstehen möchten! – muß doch ein Kostüm sein, das in einem Boot getragen werden kann und nicht bloß in einem Glasschrank. Es verdirbt euch den ganzen Spaß an dem Ausflug, wenn ihr Leute im Boot habt, die die ganze Zeit mehr an ihren Anzug denken als an die Bootfahrt. Ich hatte einmal das Unglück, mit zwei Damen dieser Art ein Picknick auf dem Wasser zu unternehmen. Ja, das war ein schönes Vergnügen! – Sie waren beide prächtig angezogen, alles voll Spitzen und Seidenzeug und Blumen und Bänder; dazu feine Stiefelchen und helle Handschuhe. Zu einer photographischen Aufnahme wären sie jedenfalls geeignet gewesen, aber nicht zu einer Wasserpartie. Die Kleider waren genau nach dem »Bootskostüm« eines französischen Modejournals angefertigt. Es war einfach lächerlich, in solchen Anzügen überhaupt in Luft-, Wasser- und Erdennähe zu kommen. Das erste war, daß sie behaupteten, das Boot sei nicht sauber. Wir stäubten nochmals alle Sitze für sie ab und versicherten ihnen dann, daß es nun gewiß sauber sei, aber sie glaubten es nicht. Eine von ihnen strich mit dem behandschuhten Finger über das Sitzkissen und zeigte der andern das Ergebnis: beide seufzten und setzten sich dann nieder wie die leidenden Knechte Gottes, die sich vor dem Martyrium durch Blicke gegenseitig Mut zusprechen. Man kann doch nicht umhin, beim Rudern dann und wann ein paar Tropfen Wasser umherzuspritzen, und da zeigte es sich denn, daß ein Tropfen Wasser diese Anzüge ruinierte; der Flecken war nicht wieder aus dem Kleid zu entfernen, sondern blieb zeitlebens darin.
Ich hatte die mittleren Ruder und tat mein möglichstes. Ich drehte die Ruder nur mit dem Handgelenk in einer Höhe von zwei Fuß und pausierte nach jedem Schlag, damit sie abtropfen konnten, ehe ich sie wieder eintauchte, und suchte mir zum frischen Einsatz ganz ruhiges glattes Wasser aus. Mein Hintermann sagte, als er mich so arbeiten sah, »er sei noch kein so erprobter Rudersmann, um es mit mir aufnehmen zu können, aber wenn ich es ihm erlaubte, möchte er etwas aussetzen, um meine Ruderart zu studieren«. Er sagte, es interessiere ihn so. Aber trotz alledem und alledem konnte ich nicht verhindern, daß dann und wann ein leichter Sprühregen jene Anzüge traf.
Die Damen klagten nicht; aber sie drückten sich mit festgeschlossenen Lippen ganz nah aneinander, und jedesmal, wenn sie von einem Tropfen Wasser getroffen wurden, zitterten sie am ganzen Körper und schauderten. Es war in der Tat ein erhabener Anblick, sie so als stille Dulderinnen vor mir zu sehen, aber es entnervte mich vollständig. Ich weiß wohl, daß ich zu zartfühlend bin. Ich geriet in immer stärkere Aufregung; und je mehr ich das Spritzen zu vermeiden suchte, um so weniger gelang es mir. Zuletzt gab ich es auf und sagte, ich wolle jetzt am Schnabel rudern. Mein Hintermann meinte auch, es werde wohl besser sein, und so wechselten wir die Plätze. Die Damen stießen einen unwillkürlichen Seufzer der Erleichterung aus, als sie mich gehen sahen, und lebten für einen Moment ordentlich auf. Arme Mädchen! Sie hätten lieber mich behalten sollen. Der Mann, der nun meinen Platz einnahm, war ein lustiger, sorgloser, dickköpfiger Bursche, der ungefähr so viel Gefühl im Leibe hatte wie ein junger Neufundländer. Man hätte ihn stundenlang mit Blicken durchbohren können, er hätte es gar nicht einmal bemerkt, und wenn er es bemerkt hätte, so wäre er dadurch auch nicht aus der Fassung gekommen. Er setzte stets mit einem herzhaften Schlag ins Wasser ein, durch den es sich wie eine Fontäne über das ganze Boot ergoß, so daß sämtliche Insassen in die Höhe schreckten. Und wenn er auf diese Weise mehr als ein Viertelliter Wasser über eines der Kleider ausgoß, dann konnte er ganz täppisch dazu lachen und sagen: »O, ich bitte sehr um Vergebung,« und sein Taschentuch anbieten, um es abzutrocknen.