Выбрать главу

»Seit wann kannst du denn das Banjo spielen,« riefen Harris und ich in einem Atem.

»Ich kann mich dessen nicht gerade rühmen,« erwiderte Georg; »aber man sagte mir, es sei sehr leicht zu lernen; und hier habe ich das Buch mit der ›Anleitung zum Selbstunterricht‹.«

*

Da wir nun Georg bei uns hatten, ließen wir ihn auch brav arbeiten. Er hatte natürlich gar kein besonderes Verlangen danach. Das versteht sich ja bei Georg von selbst. Er habe harte Arbeit in der City gehabt, erklärte er uns. Harris, der ziemlich hartherzig und mitleidlos ist, bemerkte:

»Ganz recht; jetzt bekommst du zur Abwechslung harte Arbeit auf dem Fluß; eine Abwechslung bekommt jedermann gut. Hinaus mit dir!«

Dagegen konnte Georg mit gutem Gewissen – wie weit sein Gewissen auch sein mochte – nichts einwenden, obwohl er vorbrachte, es möchte vielleicht besser sein, wenn er den Tee bereiten könnte, während Harris und ich das Boot zögen; denn die Teebereitung sei bekanntlich ein heillos schwieriges Geschäft und Harris und ich sähen doch recht ermattet aus.

Die einzige Antwort, die wir ihm darauf gaben, war, daß wir ihm die Leine hinreichten; die nahm er denn auch und stieg aus.

Es ist etwas Seltsames und Unberechenbares um eine solche Schleppleine. Da wickelt man sie mit so viel Sorgfalt auf, als gälte es, ein neues Paar Beinkleider zusammenzufalten, und fünf Minuten nachher, wenn man sie aufnehmen will, bildet sie ein spukhaftes, sinnverwirrendes Netz.

Ich will mich gewiß jeder Beleidigung enthalten, aber ich bin fest überzeugt, daß, wenn man eine nur mäßig große Leine nähme, sie der Länge nach auf einer Wiese auseinanderlegte und dann, wär's auch nur auf eine halbe Minute, den Rücken kehrte, man sie sicherlich in der Mitte des Wiesenplans auf einen Haufen gewickelt, zusammengeflochten und in einen Knoten geschürzt finden würde, während die beiden Enden verloren gegangen und nichts als Schlingen und Schleifen zu sehen wären; und im nassen Grase sitzend würde es einen nun eine gute halbe Stunde Zeit kosten, sie wieder zu entwirren, wenn man es auch an den obligaten Flüchen gewiß nicht fehlen ließe. Das ist meine Meinung über Schleppleinen im allgemeinen. Es mag natürlich auch ehrenhafte Ausnahmen geben, ich will nicht behaupten, daß es deren keine gäbe. Es mag Leinen geben, die ihrem Beruf wirklich Ehre machen – gewissenhafte, rechtschaffene Leinen, welche sich nicht einbilden, sie seien Häkelarbeit, Leinen, die nicht versuchen, sich zu Fauteuilschonern zusammenzustricken, sobald sie einen Augenblick sich selbst überlassen sind. Ich sage, es mag solche Schlepptaue geben; ich hoffe und wünsche es sogar aufrichtig; aber vorgekommen ist mir ein derartiges bis jetzt noch nicht.

Nun, ich hatte unsere Leine selbst eingezogen, gerade als wir vor der Schleuse angekommen waren. Ich wollte Harris nichts damit zu tun haben lassen, denn er ist so nachlässig. Ich hatte sie mit besonderer Sorgfalt aufgerollt, in der Mitte zusammengebunden, zwei Teile daraus gemacht und dann fein säuberlich auf den Boden des Boots niedergelegt. Dann hatte sie Harris mit mathematischer Pünktlichkeit aufgenommen und Georg in die Hand gegeben. Georg hatte sie mit festem Griff erfaßt und, während er sie etwas vom Leib hielt, begonnen, sie wieder abzuwickeln, und er tat dies so bedächtig, als ob er ein neugeborenes Kind aus den Windeln herauszuschälen hätte; aber noch ehe er auch nur ein Dutzend Meter abgewickelt hatte, sah das Ding eher einer schlecht gearbeiteten Strohmatte als irgend etwas anderem ähnlich. –

So ist's immer, und was drum und dran hängt, ist auch immer so. Der Mann am Ufer, der bemüht ist, das Tau zu entwirren, denkt, die ganze Schuld der Verwirrung liege an dem, der es aufgewickelt hat, und – beim Bootfahren befragt man nicht erst das »Lexikon der feinen Sitte« – was er denkt, das sagt er auch.

»Was hast du denn mit dem Ding da eigentlich machen wollen, he? Ein Fischnetz etwa? Da hast du eine schöne Suppe angerichtet, jawohl! Hättest du es denn nicht aufwickeln können, wie sich's gehört, du Schafskopf?« so grunzt er seinen Genossen von Zeit zu Zeit an, während er in wildem Kampfe mit dem Ding begriffen ist; dann legt er es auf dem Leinpfad weit auseinander und rennt darum herum, um eines der verlorenen Enden zu finden.

Andrerseits ist der, der aufgewickelt hat, fest überzeugt, daß die Schuld an dem ganzen Wirrwarr nur an dem liegt, der es abwickeln sollte.

»Es war ganz in der Ordnung, als du es in die Hand nahmst,« ruft er unwirsch. »Warum hast du den Kopf nicht bei der Arbeit? Wenn du etwas schaffst, so gibt's doch jedesmal eine Schlapperei! Du wärst imstande, einen Pfahl mit sich selbst zu verstricken.«

Und sie werden so böse aufeinander, daß sie sich am liebsten an der Leine gegenseitig aufhängen würden. So gehen zehn Minuten vorüber; jetzt stößt der am Ufer einen Schrei aus und geberdet sich wie toll. Er tanzt auf dem Tau herum, greift nach dem ersten besten Stück und zieht und zerrt daran, so stark er kann. Natürlich wird der Knoten dadurch nur noch fester. Da springt der zweite Mann aus dem Boot ans Ufer, um ihm zu helfen; hierbei geraten sie einander in den Weg und hindern sich gegenseitig. Sie ziehen beide an dem nämlichen Strang der Leine, aber in entgegengesetzter Richtung, und dabei wundern sie sich, wo es nun wieder festhält. Zuletzt bringen sie es doch noch auseinander, dann sehen sie sich nach dem Boot um und entdecken, daß es mittlerweile davon getrieben ist und geradenwegs auf das Wehr zusteuert. Dies ist kein erfundener Vorgang, sondern einer, von dem ich selbst einst Augenzeuge war.

Wir befanden uns bei Boveney. Es war ein etwas windiger Morgen; stromabwärts fahrend, bemerkten wir bei einer Krümmung des Flusses zwei Menschen am Ufer. Sie schauten einander mit solch bestürzten Blicken, mit solch unsäglich hilflosem Ausdruck an, wie ich ihn vorher und nachher nie wieder in einem menschlichen Antlitz gesehen habe. Sie hielten eine lange Schleppleine in Händen. Offenbar war ihnen etwas zugestoßen; daher steuerten wir nach dem Ufer und fragten, was geschehen sei.

»Ei, unser Boot ist auf und davon,« gaben sie ganz beleidigt zurück. »Wir sind nur eben ausgestiegen, um das Tau zu entwirren, und wie wir uns umschauen, ist das Boot futsch!« Und sie schienen entsetzlich beleidigt über dies gemeine und undankbare Benehmen ihres Bootes. Wir fanden den Deserteur eine halbe Meile weiter unten im Röhricht festsitzen und brachten ihn den Leuten zurück. Ich wette, was ihr wollt, eine Woche lang haben sie gewiß dieses Boot keines Blickes mehr gewürdigt.

Niemals werde ich das Bild wieder vergessen, das diese beiden Männer darboten, wie sie, das Tau in der Hand, am Ufer auf und ab gingen und nach ihrem Boot ausschauten.

Man erlebt doch manch lustiges Stückchen in bezug auf die Bootschlepperei, wenn man so den Fluß befährt. Eines der gewöhnlichsten ist der Anblick eines ziehenden Paares, das, in eine lebhafte Unterhaltung vertieft, machtvoll vorwärts strebt, während der Mann im Boot bei etwa einhundert Meter Abstand sich vergeblich heiser schreit, daß sie halten sollen, und als Notsignal wie wahnsinnig mit dem Ruder um sich schlägt. Etwas muß da passiert sein; entweder hat sich das Ruder aus den Angeln gelöst oder der Boothaken ist über Bord geglitten, oder der Hut ihm ins Wasser gefallen und schwimmt eilends davon. Er ruft ihnen zuerst ganz sanft und höflich zu, anzuhalten; dann immer noch ganz liebreich:

»He! Haltet einen Augenblick an, mein Hut ist ins Wasser gefallen!« Dann »He! Thomas, Richard! Hört ihr nicht?« Diesmal klingt's schon nicht mehr ganz so gemütlich wie vorhin. Darauf aber: »He! Hallo! Wenn euch doch der Teufel holte, ihr dickköpfigen Rindviehcher! He! Haltet doch! O, wäret ihr doch –!« Dann springt er auf und ärgert sich brandrot und flucht alle Flüche, die er jemals gehört hat.

Und die kleinen Buben am Ufer bleiben stehen und verhöhnen ihn und werfen Steine nach ihm, während er mit einer Geschwindigkeit von vier Meilen die Stunde an ihnen vorbeigezogen wird und das Ufer nicht gewinnen kann.