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Und draußen im Felde ringsum leuchten die Lichter der entfernteren Lagerfeuer, um die sich die Truppen einiger mächtiger Herren gelagert haben, und dort drücken sich des falschen Johann französische Söldner gleich schleichenden Wölfen um die Stadt herum.

Wachen stehen an allen dunklen Straßenecken, während ringsumher auf jeder Anhöhe die Wachtfeuer glimmen; so geht die Nacht hin; und über dieses schöne Tal der alten Themse ist der Morgen des großen Tages hereingebrochen, der mit dem Schicksal noch ungeborener Jahrhunderte geschwängert enden sollte.

Seit Tagesgrauen ertönt auf der unteren der beiden Inseln – gerade oberhalb unseres jetzigen Standorts – großer Lärm von den Werkzeugen der Zimmerleute. Das große Zelt, das gestern hereingebracht wurde, soll heute morgen aufgeschlagen werden; die Zimmerleute bringen ringsumher Sitzreihen an, während Londoner Ladenburschen mit vielfarbigen Stoffen, mit Seide und golddurchwirktem Tuch ankommen. Und jetzt, siehe, dort auf der Straße, die sich von Staines her längs des Flusses hinzieht, kommt ein Fähnlein stahlgepanzerter Hellebardiere, lachend und in tiefen Baßtönen miteinander scherzend, auf uns zu. Es sind die Leute einiger Barone; sie halten ein paar hundert Schritte oberhalb unseres Standorts am andern Ufer, lehnen sich auf ihre Waffen und warten.

Und so, von Stunde zu Stunde, marschieren immer weitere Truppen und Horden gewappneter Männer auf – ihre Helme und Stahlpanzer glänzen im Morgenlicht – bis, soweit das Auge reicht, der Weg dicht mit schimmernden Waffen und stolzen Rossen besetzt ist. Daher sprengen Reiter und geben von Gruppe zu Gruppe ihre Befehle; die kleinen Banner bewegen sich leicht im Winde, hie und da ist eine lebhaftere Bewegung in den Reihen zu bemerken, wenn sie Platz machen müssen, um irgendeinen großen Baron auf seinem Schlachtrosse, von einem Haufen seiner Knappen umgeben, seinen Stand in der Mitte seiner Diener und Vasallen einnehmen zu lassen. Und oben auf dem Coopersberge, uns gerade gegenüber, hat sich das staunende Land- und neugierige Stadtvolk versammelt, das von Staines herausrannte, wenn auch keiner weiß, was all das Getriebe bedeuten soll; aber jeder hat eine andere Erklärung für die Dinge, die da kommen sollen, und einige sagen, daß der heutige Tag dem Volke viel Gutes bringen werde, aber die alten Leute schütteln die Köpfe, denn sie haben solche Redensarten schon mehr gehört!

Und der ganze Fluß bis hinunter nach Staines wimmelt von kleinen Booten und Barken und winzigen ledernen Fischerkähnen, welch letztere jetzt mehr und mehr in Abgang kommen und nur noch von armen Leuten benutzt werden.

Über die Stromschnellen, wo nachmals die Bellweir-Schleuse errichtet werden sollte, sind sie mit Hilfe ihrer handfesten Rudersleute hinabgesteuert, und nun drängen sie sich, so nahe sie können, an die großen Barken, welche hier in Bereitschaft liegen, um den König Johann dahin zu bringen, wo die verhängnisvolle Charta seiner Unterschrift wartet.

Es ist Mittag, und wir inmitten der andern haben manche Stunde geduldig gewartet; nun geht ein Gerücht, der aalglatte Johann sei dem Griff der Barone abermals entschlüpft, habe sich, im Gefolge seiner Söldner, von Duncroft-Hall weggestohlen und werde bald anderes Werk betreiben, als Freiheitsurkunden für sein Volk unterzeichnen.

Aber nein! – Diesmal war es der Griff einer Eisenfaust gewesen; diesmal hat er vergeblich versucht, sich ihr zu entwinden und zu entschlüpfen. In der Ferne steigt eine kleine Staubwolke auf, die, je näher sie rückt, desto größer wird; der Hufschlag wird lauter, und durch die längs des Weges versammelten Haufen bricht sich ein glänzender Aufzug berittener buntgekleideter Herren und Ritter Bahn. Und vorn und hinten und zu beiden Seiten reiten die Vasallen der Barone und in deren Mitte – König Johann.

Er reitet dahin, wo die Barken in Bereitschaft liegen, und die großen Barone verlassen ihren Platz, um ihn zu begrüßen. Er begrüßt sie mit heiterem Lachen und honigsüßen Worten, als ob es sich um irgendein Fest handle, das ihm zu Ehren gegeben werde. Aber indem er sich erhebt, um abzusteigen, wirft er rasch noch einen Blick auf seine französischen Söldnerscharen, die sich ganz im Hintergrunde hatten aufstellen müssen, und auf die festgeschlossenen Reihen der Barone und ihrer Leute, die ihn auf allen Seiten einschließen.

Wäre es wirklich zu spät?

Ein kräftiger Schlag auf die ahnungslosen Reiter an seiner Seite, ein Kommandoruf an seine fränkische Garde, ein verzweifelter Angriff auf die unbereiten Linien vor ihm, und diese rebellischen Barone könnten den Tag bereuen müssen, an dem sie es wagten, seine Pläne zu kreuzen!

Eine kühnere Hand würde vielleicht das Spiel gewagt und selbst in diesem Augenblick noch gewonnen haben! Ja, wenn ein Richard anstatt eines Johann dagewesen wäre! Dann wäre vielleicht die Schale der Freiheit von Englands Lippen weggerissen und noch für ein Jahrhundert vorenthalten worden!

Aber König Johann fühlt sich entmutigt, wie er auf die entschlossenen Mienen der bewaffneten Männer schaut, sein erhobener Arm senkt sich, er steigt ab und nimmt seinen Platz in der vordersten Barke ein. Und die Barone folgen ihm, die eisenbehandschuhte Hand am Schwertgriff; dann ergeht der Befehl, vorwärts zu steuern.

Langsam verlassen die schweren, glänzend ausstaffierten Barken das Ufer von Runningmede. Langsam bewegen sie sich, im Kampf mit der starken Strömung, bis sie mit dumpfem Schürfen das Ufer der kleinen Insel streifen, die von diesem Tage an den Namen Magna Charta-Insel trägt. Nun ist König Johann ans Ufer gestiegen, und wir warten in atemloser Stille, bis ein weithin hallender Schrei die Luft durchzittert und wir nun sicher wissen, daß der große Eckstein zu Englands Freiheitstempel felsenfest gelegt ist.

*

Ich saß am Ufer, während ich die vorher beschriebenen Szenen vor meines Geistes Auge aus dem Dunkel der Jahrhunderte heraufbeschwor, da machte Georg die Bemerkung gegen mich, wenn ich vollständig ausgeruht habe, so werde es mir vielleicht nichts ausmachen, ein wenig beim Aufwaschen zu helfen; auf diese Weise aus den Tagen glorreicher Vergangenheit in die prosaische Gegenwart mit all ihrem Elend und all ihrer Sünde zurückgerufen, schlüpfte ich denn wieder ins Boot hinein, fegte die Bratpfanne mit einem Stück Holz, an welches ich ein Bündel Gras befestigt hatte, und rieb sie zuletzt mit Georgs nassem Hemd glänzend.

Wir gingen dann nach der Magna Charta-Insel hinüber und beschauten uns den Stein, der dort in der Hütte steht, auf welchem die große Charta unterzeichnet worden sein soll; ich möchte mich indessen nicht dafür verbürgen, daß dies wirklich hier und nicht am andern Ufer in Runningmede geschehen ist. Was meine eigene Meinung anbetrifft, so bin ich eher geneigt anzunehmen, daß es auf der Magna Charta-Insel, wie die Volkssage will, geschehen sei. –

Gewiß, wäre ich einer der Barone jener Zeit gewesen, so würde ich fest darauf bestanden haben, daß es sehr geraten sei, einen so schlüpfrigen Kameraden wie König Johann nach dem Eiland zu bugsieren, wo sich ihm weniger Gelegenheit für Überraschungen und Verrat darbot.

Auf dem Grund von Ankerwyke, nahe bei Picnic-Point, sieht man heute noch die Ruinen eines alten Klosters. In dieser Gegend soll Heinrich VIII. seine Zusammenkünfte mit Anna Boleyn gehabt haben. Aber er pflegte solche auch auf Bever Schloß in der Grafschaft Kent und auch irgendwo in der Gegend von St. Albans zu halten.

Es muß für das englische Volk damals ziemlich schwierig gewesen sein, einen Platz zu finden, wo dieses gedankenlose junge Volk sich nicht umhertrieb!

Wart ihr jemals in einem Hause, wo ein Liebespaar sich gerade aufhielt? O, das zählt schon zu dem Unangenehmsten auf dieser Welt. Ihr wollt euch ein Weilchen im Salon aufhalten und begebt euch dahin. Beim Öffnen der Tür hört ihr ein Geräusch, als ob sich jemand plötzlich nach einem zuvor vergessenen Gegenstand umsehen wollte, und wenn ihr dann eingetreten seid, so steht Emilie am Fenster und schaut voll Interesse nach der entgegengesetzten Seite der Straße, während euer Freund Johann Eduard am anderen Ende des Salons durch den Anblick von Photographien von Leuten, die er gar nicht kennt, völlig gebannt zu sein scheint.