So beschloß denn Georg, die Banjostudien aufzugeben, bis er wieder nach Hause käme. Aber auch da wurde ihm nicht viel Gelegenheit dazu. Frau Poppets kam dann wohl herauf und erklärte, es tue ihr zwar sehr leid – denn sie selbst liebe die Musik – aber die Dame im oberen Stock sei großer Schonung bedürftig, und der Doktor befürchte, es könne dem Kinde schaden.
Dann versuchte Georg, das Banjo spät abends mitzunehmen und auf dem freien Platze nebenan sein Heil zu probieren. Aber die Anwohner beklagten sich bei der Polizei, und eines Abends wurde er von einer ihm auflauernden Wache abgefaßt. Der Tatbestand zeugte klar gegen ihn; er mußte geloben, sechs Monate lang Frieden zu halten.
Nach diesem Erlebnis verging ihm der Mut, das Geschäft weiter zu betreiben; er machte zwar nach Ablauf dieser sechs Monate noch einige schwache Versuche; aber er begegnete immer derselben kühlen Aufnahme, demselben Mangel an Verständnis und Mitgefühl von seiten der Welt.
Nach einiger Zeit verzweifelte er gänzlich an jedem Erfolge und setzte das Instrument mit bedeutendem Schaden zum Verkauf aus – »da kein Gebrauch mehr von selbigem gemacht werde,« – und lernte dann anstatt Banjo spielen – Kartenkunststücke! Ja, ja, es muß schon etwas entmutigend sein, das Erlernen eines Instruments! Man sollte denken, die Gesellschaft sollte in ihrem eigenen Interesse einen Menschen, der ein Instrument spielen lernen will, in jeder Weise unterstützen – aber sie tut's nicht!
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Ich kannte einen jungen Mann, der das Dudelsackblasen lernen wollte; es ist wahrhaft erstaunlich, welchem Widerstande er dabei auf allen Seiten begegnete. Nicht einmal bei seiner eigenen Familie fand er die nötige tatkräftige Unterstützung. Sein Vater war von Anfang an taub gegen diese Musik und sprach über den Gegenstand in ganz roher, gefühlloser Weise. Mein Freund wollte die frühen Morgenstunden zu seinen Übungen benutzen; aber er mußte den Plan aufgeben seiner Schwester wegen. Diese hatte einen etwas religiösen Hang und sagte, es sei doch furchtbar gottlos, den Tag so zu beginnen.
So blieb er denn bei Nacht auf und fing an zu spielen, nachdem die Familie zu Bett gegangen; aber das ging auch nicht; denn das Haus kam dadurch in so üblen Ruf.
Späte Nachhausegänger hielten davor an, um zu horchen, und sprengten den andern Morgen das Gerücht durch die Stadt, in der letzten Nacht müsse in Herrn Jeffersons Hause ein schrecklicher Mord begangen worden sein; denn man habe das Geschrei des Opfers und die gräßlichen Flüche und Verwünschungen des Mörders und dazwischen die Bitten um Schonung und das letzte Röcheln des Sterbenden von außen gehört!
So ließ man ihn denn während des Tages in der abgelegenen Waschküche seine Übungen machen, nachdem alle Fenster und Türen verschlossen worden waren; aber die Passagen, die ihm besser gelangen, konnten gewöhnlich trotz dieser Vorsichtsmaßregeln im Wohnzimmer vernommen werden und brachten seine Mutter bis zu Tränen.
Sie sagte, es erinnere sie an ihren armen seligen Vater (der seinerzeit beim Baden an der Küste von Neu-Guinea von einem Haifisch verschlungen worden war); woher ihr diese Ideenverbindung kam, konnte sie zwar nicht angeben. Dann zimmerte man ihm ein kleines Gehäuse in der Ecke des Gartens zurecht, ungefähr zehn Minuten vom Hause entfernt, und hieß ihn seine Maschine dorthin schaffen und dort bearbeiten, wenn er das Bedürfnis danach empfinde; aber manchmal pflegte ein Besuch ins Haus zu kommen, der nichts von der Sache wußte und den man darauf vorzubereiten versäumt hatte; ging der dann im Garten spazieren und kam nun auf einmal in Hörweite dieses Dudelsacks, dann mußte es schon ein besonders starker Mann sein, wenn er nur einen Nervenzufall bekam; aber Personen von nicht mehr als gewöhnlichem Verstand konnten denselben bei dieser Gelegenheit völlig einbüßen.
Es ist – ich muß es gestehen – etwas Trauriges um die ersten Versuche eines Dudelsackbläsers. Ich habe das selbst empfunden, wenn ich meines jungen Freundes Versuchen zuhörte.
Es schien mir ein äußerst schwer zu spielendes Instrument. Man muß, ehe man zu blasen anfängt, erst Atem für das ganze Lied holen; so kam es mir wenigstens vor, wenn ich meinem Freunde Jefferson zuschaute. – Er konnte prachtvoll mit einem wilden, vollen, einem Schlachtruf ähnlichen Ton einsetzen, der einen völlig fortriß; aber im Verlauf des Vortrages ward ein immer schwächeres Piano daraus, und mitten im letzten Satz brach er plötzlich mit einem schrillen Pfeifen ab.
Wer den Dudelsack blasen will, der muß eine robuste Gesundheit haben. – Der junge Jefferson brachte es überhaupt nur zu einer Melodie auf dem Dudelsack; gleichwohl hörte ich niemals eine Klage darüber, daß sich sein Repertoire nicht weiter erstrecke. Das einzige Lied, das er blasen konnte, war: »Die Campbells kommen – Hurra! Hurra!« Wenigstens behauptete der junge Jefferson, daß es dieses Lied sei, das er blase; aber sein Vater behauptete stets, es sei: »Die blauen Glocken von Schottland«. Niemand war ganz sicher, was es eigentlich wäre; aber alle stimmten darin überein, daß es schottisch klinge. Den Fremden erlaubte man, dreimal zu raten, und gewöhnlich riet jeder jedesmal etwas anderes.
Nach dem Abendessen war Harris ziemlich schlecht aufgelegt. Ich vermute, daß ihm das Irish Stew zu schaffen machte; er ist eben die feinere Küche nicht gewöhnt; daher ließen wir – Georg und ich – ihn an Bord und stiegen aus, um einen Wandel nach Henley zu machen. Harris meinte, er wolle sich ein Glas Whisky und eine Pfeife gönnen und unser Boot für die Nacht zurüsten. Wir sollten ihm bei unserer Zurückkunft zurufen, dann wolle er von der Insel herüberrudern und uns abholen.
»Aber daß du uns ja nicht einschläfst, alter Bursche,« sagten wir ihm noch zum Abschied.
»Das hat keine Gefahr,« erwiderte Harris, »solange ich das Irish Stew im Leibe habe,« und schiffte brummend zurück.
Henley machte sich zur Regatta[Fußnote: In Henley finden alljährlich die großen Ruderregatten statt, ein Ereignis, das in ganz England schon wochenlang zuvor das Tagesgespräch bildet.] bereit und war voll Leben.
Unter den angekommenen Gästen trafen wir eine Menge alter Bekannter, in deren angenehmer Gesellschaft uns die Zeit schnell verging, so daß es nahezu elf Uhr war, als wir unsern vier Meilen weiten Rückweg von der Stadt zu unserem »Heim«, wie wir jetzt unser kleines Fahrzeug zu nennen pflegten, antraten.
Es war eine ungemütliche Nacht; ein feiner Regen fiel hernieder; und als wir so durch die dunkeln, stillen Wiesen dahintrabten, uns leise miteinander unterhielten und ungewiß waren, ob wir uns wohl auf dem richtigen Wege befänden oder nicht, dachten wir unseres behaglichen Bootes mit seinem durch die festgezogene Leinewand durchschimmernden Lampenlicht. Wir dachten an Harris und Montmorency und an den Whisky und wünschten, wir wären an Bord.
Wir beschworen vor unseres Geistes Auge das Bild unseres lieben, trauten Bootes herauf, wie es, ein riesiger Glühwurm, aus dem trüben Wasser unter den überhängenden Bäumen hervorschimmert. Drinnen behagliche Wärme und freundliche Helle, und wir selbst darin, ein wenig hungrig und müde. Wir bildeten uns ein, wir säßen beim Abendessen, ließen uns den kalten Braten trefflich munden und reichten uns gegenseitig riesige Stücke Brot; wir hörten das freundliche Klirren unsrer Messer und Gabeln, unsre lachenden Stimmen, die in der Stille der Nacht hinausdrangen, und beeilten uns, die Vision zur Wahrheit zu machen.