Выбрать главу

Auch sagt der »Führer für Fischer auf der Themse« kein Wort über das Fischefangen! Alles, was er sagt, ist: »Die Gegend ist ausgezeichnet zum Fischen geeignet,« und soviel ich von ihr gesehen habe, kann ich diese Mitteilung nur bestätigen.

Es gibt gewiß keinen Ort in der Welt, wo man sich besser dem Fischen hingeben, oder wo man länger dabei verweilen möchte. Manche Fischer kommen hierher und fischen einen Tag, andere fischen einen Monat lang. Man kann aber auch ein ganzes Jahr hier mit Fischen verbummeln – das Resultat wird immer dasselbe – nämlich Null sein. Der »Führer für Angler auf der Themse« sagt: »Auch werden dort Fluß- und Kaulbarsche gefangen« – aber da ist der »Führer für Angler« nicht ganz orientiert. Ja, es mag schon Fluß- und Kaulbarsche da herum geben; ich kann sogar mit Bestimmtheit sagen, daß es deren gibt. Man kann sie in ganzen Haufen beisammen sehen, wenn man am Ufer spazieren geht; sie kommen heran, halten sich halb über Wasser und sperren das Maul auf, um etwas Zwieback zu erschnappen. Wenn man dort ein Bad nimmt, so scharen sie sich um einen und belästigen einen. Aber gefangen werden sie nicht, und wenn man auch den schönsten Wurm an seinen Angelhaken hängt; nein, das niemals! –

Ich selber will mich keineswegs für einen guten Fischer ausgeben. Es gab eine Zeit, wo ich dieser Sache ziemlich viel Aufmerksamkeit schenkte und ich auch – nach meinem Dafürhalten – ziemlich gute Fortschritte in besagter Kunst machte; aber die alten gewiegten Leute vom Fach sagten mir, ich werde es niemals zu etwas Ordentlichem bringen, und rieten mir, das Handwerk aufzugeben. Sie meinten, im Wurf könnte ich mich schon recht gut sehen lassen, auch fehle es mir beim Fangen durchaus nicht an Grütze, außerdem sei ich mit aller dazu nötigen Faulheit begabt. Aber sie seien überzeugt, ich werde niemals ein richtiger Fischer werden, denn es mangle mir an einem Haupterfordernis – an der Einbildungskraft. Sie meinten, als Dichter, oder Zeitungsschmierer, oder als Reporter, oder irgend etwas dieser Art möchte ich es vielleicht zu etwas bringen; aber um mir unter den Themseanglern einen, wenn auch noch so bescheidenen Ruf zu erwerben, sei ein etwas freieres Spiel der Einbildungskraft, etwas mehr Erfindungsgabe, als mir zu Gebote stehe, erforderlich.

Es scheint mir, manche Leute meinen, zu einem guten Fischer gehöre nichts anderes, als mir nichts dir nichts, ohne Erröten recht tüchtig aufzuschneiden; aber das ist grundfalsch.

Bloße freche Lügenfabrikation ist nutzlos; jeder Gimpel kann das.

Der erfahrene Angler erweist sich als solcher in der anschaulichen Schilderung aller, auch der nebensächlichsten Einzelheiten, in der verschönernden, aber höchst wahrscheinlichen Färbung des Ganzen, in dem durch die ganze Erzählung gehenden Zug von peinlicher, man könnte fast sagen, pedantischer Wahrhaftigkeit.

Ein jeder kann hereinkommen und sagen:

»O, wißt ihr's schon, ich habe gestern abend fünfzehn Dutzend Barsche gefangen«; oder »Letzten Montag zog ich einen Gründling ans Land, der achtzehn Pfund schwer und vom Kopf bis zum Schwanzende drei Fuß lang war.«

Für solche Erzählungen braucht es weder Kunst noch Schlauheit: sie zeugen von Keckheit – das ist aber auch alles.

Nein; der »gewiegte Angler« verachtet derartige Lügen. Seine Methode ist an sich schon ein Studium.

Er tritt ruhig ein, behält den Hut auf dem Kopfe, eignet sich den bequemsten Stuhl in der Stube an, stopft sich seine Pfeife und fängt in aller Stille an zu paffen. Er läßt die Gelbschnäbel eine Zeitlang renommieren, dann, während einer momantanen Pause in der Unterhaltung nimmt er die Pfeife aus dem Munde und bemerkt, während er sie ausklopft: »Ja, ja! Am Dienstag abend, da galt's zu ziehen! Doch wozu sollte ich die Geschichte erzählen?«

»O! Aber warum denn nicht?« fragt alles.

»Nun, weil ich nicht erwarten kann, daß mir irgend jemand Glauben schenkt,« erwidert der alte Bursche gelassen und sogar ohne die geringste Bitterkeit im Tone. Dann stopft er sich seine Pfeife von neuem und ersucht den Wirt, ihm ein großes Glas Grog zu bringen.

Dann tritt eine Pause ein, denn keiner von den Anwesenden fühlt sich gerieben genug, um dem alten Herrn geradezu zu widersprechen. So muß er denn jetzt ohne weitere Aufmunterung den Faden wieder aufnehmen.

»Nein!« fährt er tief nachdenklich fort, »nein, ich würde es selbst nicht glauben, wenn mir's einer erzählte – aber es ist trotz alledem Tatsache. Ich hatte den ganzen Nachmittag dagesessen und buchstäblich nichts gefangen, außer ein Stücker zwanzig Flußbarsche und ein paar Dutzend Weißfische; wie ich nun gerade im Begriff war, das unersprießliche Geschäft aufzugeben, verspürte ich plötzlich einen ungewöhnlich starken Zug an der Angelschnur. Ich dachte zuerst, es sei am Ende wieder einer von den Kleinen und wollte ihn hinauswerfen.

Ich will mich hängen lassen, wenn ich imstande war, die Angel zu bewegen! Es brauchte eine gute halbe Stunde, denken Sie, meine Herren, eine halbe Stunde, bis es mir gelang, den Kork ans Land zu ziehen; jeden Augenblick mußte ich befürchten, daß mir die Angelschnur abreiße! Zuletzt aber konnte ich ihn fassen, und was meinen Sie, daß es war? Ein Stör, ein vierzig Pfund schwerer Stör! Gefangen mit der Angel, meine Herren! Ja, Sie mögen sich wohl baß darüber wundern! – Herr Wirt, geben Sie mir noch ein großes Glas Grog.«

Dann erzählte er ferner, wie alle diejenigen, die den Fisch gesehen hätten, natürlich riesig erstaunt gewesen seien; ferner, was seine Frau dazu gesagt habe, als er ihn nach Hause gebracht, und was Sepp Buggles davon gehalten habe.

In einer Kneipe am Flusse fragte ich einmal den Wirt, ob es ihn nicht manchmal krank mache, alle die erlogenen Geschichten mit anhören zu müssen, welche die Fischer hier herum ihm erzählen, worauf er mir erwiderte:

»O nein, mein Herr, jetzt nicht mehr, im Anfang, ja, da wurde mir's hier und da ein bißchen übel; aber wahr und wahrhaftig, ich und meine Frau, wir hören dem Ding jetzt den ganzen Tag lang zu. Wissen Sie, 's ist die Macht der Gewohnheit, ja, die Macht der Gewohnheit!«

Ich kannte einst einen jungen Mann, einen höchst gewissenhaften Menschen; er hatte es sich zum Gesetz gemacht, wenn er fischen ging, niemals mehr als fünfundzwanzig Prozent dazuzulügen.

»Wenn ich vierzig Fische gefangen habe,« sagte er zu sich selbst, »dann will ich den Leuten sagen, ich hätte fünfzig gefangen, und so fort; mehr als das lüge ich nicht dazu – denn das Lügen ist eine Sünde.« – Aber der Plan mit den fünfundzwanzig Prozent war kein glücklicher Griff. Er kam in seinem Leben nie in die Lage, ihn auszuführen, die größte Anzahl Fische, die er jemals an einem Tage gefangen hatte, waren drei, und man kann doch nicht fünfundzwanzig Prozent von drei berechnen, wenigstens nicht bei Fischen.

So erhöhte er denn seinen Prozentsatz auf dreiunddreißig ein Drittel, aber das war wieder ungeschickt, wenn er nur einen oder zwei gefangen hatte. Um aber die Sache zu vereinfachen, beschloß er bei sich, die Anzahl gerade zu verdoppeln.

Bei diesem Modus blieb er ein paar Monate lang, aber dann wurde er dessen überdrüssig; denn niemand wollte ihm glauben, daß er die Zahl nur einfach verdoppelte; er erregte daher nirgends die ersehnte Bewunderung; seine Bescheidenheit kam ihm neben den übrigen Anglern sehr übel zu statten.

Wenn er wirklich drei Fische gefangen hatte und von sechsen sprach, war es da ein Wunder, daß er ganz eifersüchtig wurde, wenn er nun einen andern, von dem er ganz sicher wußte, daß er einen einzigen gefangen hatte, den Leuten erzählen hörte, er habe deren zwei Dutzend ans Land gezogen?