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Hier wurde der Wirt abgerufen, und Georg und ich richteten unsere Augen wieder auf den wunderbaren Fisch. Es war in der Tat die merkwürdigste Forelle der Welt! Je länger wir sie anschauten, desto mehr verwunderten wir uns darüber. –

Ihr Anblick nahm Georg so sehr gefangen, daß er zuletzt auf einen Stuhl stieg, um sie genauer betrachten zu können. Da kippte der Stuhl mit ihm um, und Georg griff in der Verzweiflung nach dem Glaskasten, um sich daran zu halten und vor dem Sturz zu bewahren – da fiel derselbe krachend zu Boden – und Georg mitsamt dem Stuhl darüber her.

»Du hast doch, um Gottes willen, den Fisch nicht beschädigt?!« rief ich Georg in höchster Besorgnis zu.

»Hoffentlich nicht,« sagte Georg, indem er sich langsam und vorsichtig erhob und besorgt um sich schaute. Aber er hatte ihn beschädigt; da lag die Forelle in tausend Stücke zersplittert! Ich sage tausend, es mögen aber vielleicht auch nur neunhundert gewesen sein. Gezählt habe ich sie nicht.

Es kam uns gar seltsam und unerklärlich vor, daß eine ausgestopfte Forelle in solch kleine Stücke zerbrechen konnte. – Ja! es würde auch wirklich seltsam und unerklärlich gewesen sein, wenn es eine ausgestopfte Forelle gewesen wäre; aber das war es nicht. Die Forelle war aus Gips!

*

In Oxford brachten wir zwei sehr angenehme Tage zu. Es gibt da eine Unmasse Hunde. Montmorency hatte schon am ersten Tage elf Gefechte, am zweiten vierzehn, er glaubte offenbar, jetzt sei er im Himmel.

Leute, die von Natur zu schwach oder zu faul sind, den Strom hinaufzurudern, machen sich nicht selten das Vergnügen, in Oxford ein Boot zu mieten und stromabwärts zu fahren. Für tatendurstige Leute ist aber die Fahrt stromaufwärts bei weitem vorzuziehen. Immer mit dem Strom zu gehen, soll ja nicht gesund sein. Es ist viel befriedigender, sich in Kampfesstellung gegen den Strom zu stemmen, es einmal tüchtig mit ihm aufzunehmen und trotz all seiner Wucht sich vorwärts zu schaffen; wenigstens ist das mein Gefühl, wenn Harris und Georg rudern und ich am Steuer sitze. – Denen, die von Oxford aus abzufahren gedenken, würde ich raten, sich ein eignes Boot anzuschaffen, den Fall natürlich ausgenommen, daß man ein fremdes wegnehmen kann, ohne das »elfte Gebot« zu übertreten. – Die Boote, die oberhalb Marlow mietweise zu haben sind, sind im allgemeinen gute Boote. Sie sind ordentlich wasserdicht, und wenn man sorglich mit ihnen umgeht, gehen sie auch selten in Stücke und sinken selten unter. Es ist auch Gelegenheit zum Sitzen darin; auch sind sie sonst mit allem oder fast mit allem versehen, was man zum Rudern und Steuern braucht. Aber schön sind sie nicht. Die Boote, die man oberhalb Marlow bekommt, sind nicht von der Art, daß man damit glänzen und Staat machen könnte. Ein zur Fahrt flußaufwärts gemietetes Boot treibt den Insassen in kürzester Frist so kühne Gedanken aus. Das ist seine Haupt-, man könnte fast sagen, einzige Empfehlung. Der Mann, der in einem gemieteten Boote den Fluß hinauffährt, ist bescheiden und zurückhaltend. Er hat eine Vorliebe für die Schattenseite unter den Uferbäumen und besorgt den größten Teil seiner Reise morgens früh oder spät am Abend, wenn nicht viele Leute unterwegs sind, die ihm zusehen könnten. Wenn er jemand zu Gesicht bekommt, den er kennt, so steigt er ans Land und verbirgt sich hinter einem Baum.

Ich gehörte einmal zu einer Gesellschaft, die ein Boot zu einer Fahrt stromaufwärts auf einige Tage gemietet hatte. Keiner von uns hatte zuvor ein für die Hinauffahrt gemietetes Boot gesehen, und als wir eins zu Gesicht bekamen, wußte keiner, was es sein sollte. Wir hatten uns das Boot, einen zweirudrigen Kahn, schriftlich bestellt. Als wir nun mit unserm Gepäck bei dem Schiffsvermieter ankamen und unsre Namen nannten, sagte der Mann: »Ganz recht, Sie sind die Gesellschaft, die einen Zweiruderer bestellte. Jawohl, das ist besorgt! Jakob, geh', mach' den ›Stolz der Themse‹ los!«

Der Knabe ging und kam fünf Minuten später, mit einer antediluvianischen Holzkruste sich abplackend, wieder zum Vorschein. Das Ding sah aus, als ob es neulich irgendwo unter den Pfahlbauten gefunden, recht unvorsichtig ausgegraben worden und dabei unnötigerweise stark zu Schaden gekommen wäre.

Als ich das Ding erblickte, war mein erster Gedanke, daß es eine römische Antike sein müsse, von der ich natürlich nicht wissen konnte, was sie vorstellen sollte – möglicherweise einen Sarg. Die Umgebung der oberen Themse ist reich an römischen Altertümern, daher schien mir meine Vermutung einige Wahrscheinlichkeit für sich zu haben; aber unter uns war ein sehr ernsthafter junger Mann, der etwas von einem Geologen an sich hatte. Der verspottete meine Theorie von der römischen Antike und sagte, es müsse auch dem allergewöhnlichsten Verstande (wozu er den meinigen leider mit gutem Gewissen nicht rechnen zu dürfen glaubte) klar sein, daß das Ding, das der Knabe gefunden, ein versteinerter Walfischknochen sei; ei zeigte uns an verschiedenen Merkmalen, daß das Fossil der der Eiszeit vorhergehenden Periode angehört haben müsse. Um dem Streit ein Ende zu machen, wandten wir uns an den Jungen. Wir sagten ihm, er solle keine Menschenfurcht haben, sondern uns die reine Wahrheit berichten: war das Ding ein versteinertes Stück eines vorsintflutlichen Walfisches oder ein frührömischer Sarg?

Der Knabe sagte, es sei der »Stolz der Themse«. Diese Antwort des Knaben kam uns zuerst recht gelungen vor, und einer von uns gab ihm zwei Pence als Belohnung für seinen schnellen Witz. Aber als er den Spaß mehr als uns nötig schien in die Länge zog, ärgerten wir uns über ihn. »Mein guter Junge,« sagte unser Anführer mit Schärfe, »mach' uns nichts weiß. Nimm du nur deiner Mutter Waschzuber wieder heim und schaff' uns ein Boot her.« Der Schiffbauer selbst kam jetzt herzu und versicherte auf sein Wort, das Wort eines praktischen Mannes, daß das Ding wirklich ein Boot sei, ja, daß es das Boot sei, nämlich der zweiruderige Kahn, den er für unsere Stromfahrt ausgewählt habe.

Wir brummten und schimpften nicht wenig. Zum mindesten, meinten wir, hätte er es doch anstreichen oder teeren lassen können oder irgend etwas tun sollen, damit es sich von einem Wrack ein bißchen unterschieden hätte! Er aber konnte keinen Fehler daran finden; er schien sogar beleidigt durch unsere Bemerkungen und erklärte, er habe uns das beste Boot aus seinem ganzen Vorrat ausgesucht, wofür wir ihm wohl ein wenig dankbar sein dürften.

Der »Stolz der Themse«, sagte er, so wie sie hier vor uns liege (oder vielmehr zusammenhing), habe seit den letzten vierzig Jahren, so viel ihm bekannt sei, gedient, ohne daß sich jemand darüber beklagt habe, und er sehe daher nicht ein, warum wir nun die ersten sein sollten, die damit begännen.

Auf solche Gründe konnten wir natürlich nichts mehr erwidern. Wir banden das sogenannte Boot mit Tauen etwas zusammen, verschafften uns etwas Tapetenpapier, verkleisterten die schäbigsten Stellen, sprachen noch ein frommes Gebet zum Himmel und gingen dann an Bord. – Man verlangte von uns fünfunddreißig Schilling für das Überlassen des Wracks auf sechs Tage. Für vier und einen halben Schilling hätten mir das Ding zweimal in einer Auktion von Treibholz an der Küste kaufen können.

Am dritten Tage änderte sich das Wetter, nebenbei bemerkt, ich spreche jetzt von unserer gegenwärtigen Reise; wir traten unter beständigem Regen unsere Rückfahrt von Oxford an. Wenn das helle Sonnenlicht von den tanzenden Wellen zurückgeworfen wird, die grünen Buchen glänzend vergoldet, Streiflichter durch die dunklen kühlen Waldwege sendet, Schatten über die Sandbänke hinhuschen, Diamanten von den Mühlrädern niederstäuben läßt, die Lilien am Ufer küßt, am Wehr mit dem weißschäumenden Wasser spielt, alte, moosbewachsene Mauern und Brücken mit silbernem Glanz überflutet, jedes unansehnliche Städtchen verklärt, jede Hecke und jede Wiese lieblich macht, zwischen die Schilfgräser hineindringt, aus jedem einströmenden Bächlein hervorglitzert, hervorlacht, manch fernes Segel in schimmernde heitere Farben taucht, die Luft mit sanfter Glorie erfüllt – ja, dann ist der Fluß ein von goldigem Zauber umwobener Strom.