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Ungefähr um vier Uhr nachmittags begannen wir zu beraten, wie wir uns diesen Abend einrichten wollten. Wir waren etwas über Goring hinaus, und hatten beschlossen, noch bis Pangbourne zu rudern und dort zu übernachten.

»Wird wieder ein schöner Abend werden,« brummte Georg. Wir saßen da und dachten über unsere Aussichten nach. Um fünf Uhr konnten wir in Pangbourne sein. Unsere Mahlzeit konnte etwa um halb sieben beendet sein. Dann konnten wir unter strömendem Regen einen Spaziergang im Dorf herum machen, bis es Zeit zum Schlafengehen wäre. Oder wir konnten uns auch in eine matterleuchtete Wirtsstube setzen und den Kalender lesen!

»Da wäre es in der Alhambra[Fußnote: Elegantes, namentlich für pantomimische Aufführungen berühmtes Theater in London.] beinahe amüsanter,« sagte Harris, indem er einen Augenblick seinen Kopf hinaussteckte, um den Himmel auszukundschaften. – »Mit einem kleinen Souper in –[Fußnote: Ein kapitales kleines Restaurant, etwas abseits, in der Nähe von –, wo man ein vorzügliches und billiges kleines französisches Diner oder Souper bekommt, mit einer ausgezeichneten Flasche Beaune für drei und einen halben Schilling – dessen Namen ich aber nicht so dumm bin, in die Welt hinauszuposaunen.] nicht wahr?« fügte ich fast unbewußt hinzu.

»Ja, es ist schade, daß wir uns in den Kopf gesetzt haben, uns diesem Boot zu verschreiben,« antwortete Harris; dann war eine Zeitlang alles still.

»Wenn wir uns nicht in den Kopf gesetzt hätten unsern gewissen Tod in diesem verwünschten alten Sarg zu holen,« brummte Georg, indem er noch einen Blick voll unsäglichen Abscheus auf das unglückliche Boot warf, »so dürfte vielleicht die Mitteilung erlaubt sein, daß bald nach fünf Uhr noch ein Zug von Pangbourne abgeht, der, wie ich weiß, uns so zeitig nach Hause brächte, daß wir bequem ein Kotelett verzehren und dann den Ort besuchen könnten, den du vorhin genannt hast.« –

Keiner sprach ein Wort. Wir schauten einander an, und jeder glaubte, seine eigenen sündlichen, niederträchtigen Gedanken auf dem Antlitz des anderen zu lesen. Schweigend nahmen wir unsren Gladstone zur Hand. Wir schauten den Fluß hinauf und hinab; weit und breit war keine Seele zu sehen!

Zwanzig Minuten später hätte man drei Personen, gefolgt von einem schamrot dreinschauenden Hunde, sehen können, wie sie sich verstohlenerweise von dem Bootshause zum »Schwan« nach dem Bahnhof schlichen in dem nachfolgend beschriebenen, weder sauberen, noch farbenprächtigen Aufzug: schwarze Lederschuhe, schmutzig, flanellenes Bootkostüm, sehr schmutzig, brauner Filzhut, sehr defekt, Regenmantel, pudelnaß, Schirm.

Den Bootsmann in Pangbourne hatten wir angeschwindelt. Wir hatten nicht das Herz gehabt, ihm zu gestehen, daß wir vor dem Regen auskniffen! Das Boot und alles, was es enthielt, hatten wir seiner Hut übergeben, mit der Weisung, daß es am andern Morgen um neun Uhr für uns bereit sein solle. Wenn, hatten wir ihm gesagt, wenn etwas Unvorhergesehenes dazwischenkäme, würden wir ihm schreiben!

Wir erreichten den Paddington-Bahnhof[Fußnote: Großer Bahnhof im Westen Londons.] um sieben Uhr und fuhren direkt nach dem vorhin erwähnten Restaurant, nahmen dort ein leichtes Mahl ein, ließen Montmorency mit einer Bestellung für ein richtiges Souper auf halb elf Uhr zurück und setzten dann unsern Weg nach dem Leicesterplatz fort.

In der Ahambra zogen wir die allgemeine Aufmerksamkeit auf uns! Als wir an der Kasse aufmarschierten, hieß man uns ganz grob, nach der Schloßstraße gehen, wir seien eine halbe Stunde zu spät gekommen.

Mit einiger Schwierigkeit gelang es uns schließlich, den Mann zu überzeugen, daß wir nicht die weltberühmten »Schlangenmenschen vom Himalaja« seien; er nahm unser Geld und ließ uns eintreten. Drinnen wartete unser ein noch viel größerer Erfolg. Unsern edlen, sonnverbrannten Gesichtern und unserer malerischen Tracht folgte man allerorten mit bewundernden Blicken. Jedes Auge war bezaubert. Es war ein stolzer Moment für uns alle!

Bald nach dem ersten Ballett machten wir uns indessen aus dem Staube und lenkten unsere Schritte zurück nach dem Restaurant, wo bereits das Souper unser wartete. – Ich muß bekennen, daß mir dieses Souper baß behagte. – Ungefähr zehn Tage lang hatten wir mehr oder weniger von kaltem Fleisch, Kuchen, Brot und Eingemachtem gelebt. Es war eine einfache, eine nahrhafte Kost gewesen; aber pikant hätte man sie nicht nennen können; und der Duft des Burgunders, der Geruch französischer Saucen und der Anblick reiner Servietten und langer Brotlaibe, alles das kam unsrem innern Menschen als willkommener Gast entgegen.

Eine Zeitlang hieben wir ein und zechten schweigend, bis wir endlich, anstatt aufrecht zu sitzen und Gabel und Messer fest zu handhaben, uns zurücklehnten, nur noch langsam und nachlässig arbeiteten, die Beine behaglich unter den Tisch ausstreckten, die Serviette unbeachtet unter den Tisch fallen ließen, zum erstenmal den rauchgeschwärzten Plafond etwas genauer untersuchten als bisher, die Gläser auf Armslänge von uns entfernt auf den Tisch stellten und uns so gut, so voll tiefer Gedanken, so mild vergebend erschienen.

Da zog Harris, der dem Fenster zunächst sah, den Vorhang etwas beiseite und schaute auf die Straße hinaus.

Sie glitzerte trüb vor Nässe. Die düstern Lampen flackerten bei jedem Windstoß. Der Regen patschte noch immer standhaft in die Pfützen hernieder, und die Dachrinnen entleerten ihren Inhalt in die Dohlen. Einige völlig eingeweichte Wanderer eilten vorüber, sich unter ihre Regenschirme duckend, und die Frauen hielten ihre Kleider in die Höhe.

»Ich muß gestehen,« sprach Harris, indem er die Hand nach seinem Glas ausstreckte, »daß wir eine angenehme Fahrt gehabt haben; ich sage daher dem alten Vater Themse meinen herzlichen Dank dafür; aber ich denke, wir haben wohl daran getan, auszureißen und ihm eine Nase zu drehen! – Ich trinke auf das Wohl der ›Drei Mann glücklich aus dem Boot‹!«

Montmorency, der am Fenster auf den Hinterbeinen stand und in die Nacht hinausschaute, stimmte mit einem kurzen Gebell in den Trinkspruch ein.

*

Ende