Ich betonte indessen Georg gegenüber, wieviel netter es sein würde, Harris frisch und sauber gewaschen in unserer Mitte zu haben, auch wenn wir deshalb einige Zentner Lebensmittel mehr fortschaffen müßten; da begann er endlich die Sache in meinem Lichte zu betrachten und zog seine Opposition gegen Harris' Badevorsätze zurück. Wir kamen schließlich dahin überein, daß jeder sein eigenes Badehandtuch mitnehmen sollte, damit nicht einer auf den andern warten müsse.
Was Kleidung anbetrifft, so glaubte Georg, zwei Flanellanzüge würden genügen, da wir sie ja selbst im Fluß waschen könnten, wenn sie schmutzig geworden seien. Wir fragten ihn, ob er denn schon einmal versucht habe, Flanell im Fluß zu waschen, worauf er erwiderte: »Das nicht gerade, aber ich kenne einige Leute, die es schon probiert haben; es macht sich ganz leicht!« Und Harris und ich, wir beide waren schwach genug, zu glauben, er verstehe etwas davon, und drei sonst ehrenwerte junge Leute, wenn sie auch weder Stellung noch Einfluß, noch irgendwelche Erfahrung im Waschen besäßen, könnten doch mit einem Stückchen Seife ihre Hemden und Hosen ganz gut in der Themse waschen.
Wir sahen in der Folge – leider nachdem es zu spät war – ein, daß Georg uns schmählich betrogen hatte und augenscheinlich auch nicht das mindeste von der Sache verstand. Wenn ihr diese Kleider nachmals gesehen hättet, – doch ich greife vor, wie der Zeitungsreporter zu sagen pflegt.
Georg bestand ferner darauf, daß jeder auch genügend Unterzeug und einen großen Vorrat an Socken mitnehme, für den Fall, daß das Boot umkippen sollte und wir unsern durchnäßten Anzug wechseln müßten, außerdem einen Vorrat an Taschentüchern, weil man damit auch das Geschirr abtrocknen könne, und ein paar Wasserstiefel außer unseren Bootschuhen, da wir deren benötigt sein würden, wenn das Boot kenterte.
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Dann erörterten wir die Proviantfrage. Georg meinte: »Beginnen wir mit dem Frühstück. (Georg ist so praktisch.) Zum Frühstück müssen wir eine Bratpfanne haben.« Harris meinte, Bratpfannen seien schwer verdaulich, wir erwiderten ihm bloß, er solle kein Esel sein, und Georg fuhr fort: »Wir brauchen ferner einen Teetopf, außerdem einen Kessel und einen Spiritusapparat.«
»Kein Erdöl,« sagte Georg mit einem bedeutungsvollen Blick, und Harris und ich stimmten zu. Einmal hatten wir uns eines Erdölherds bedient, aber »einmal und nicht wieder«. Die ganze Woche durch war es, als hausten wir in einem Erdölmagazin. Es floß. Es gibt gewiß auf der ganzen Welt kein heimtückischeres Naß, das so leicht durchsickert wie Petroleum. Wir hatten den Herd beim Schnabel des Boots aufgestellt, von da floß es herab zu den Rudern und drang in alles ein, was es auf seinem Wege antraf, ergoß sich in den Fluß und verpestete weit und breit die ganze Atmosphäre. Manchmal kam ein nach Erdöl duftender Wind von Westen, manchmal von Osten und ebenso von Nord und Süd. Ob er nun von den arktischen Schneefeldern oder über den Sand der Wüsten herstrich, immer duftete er nach Petroleum. Und dieser verdammte Duft verdarb uns den Sonnenuntergang, und – verflucht! – selbst der Mondschein roch nach Erdöl.
In Marlow suchten wir aus seinem Bereich zu kommen. Wir verließen unser Boot an der Brücke und machten einen Spaziergang durch die Stadt, um den Geruch loszuwerden; aber es half nichts; er folgte uns. Die ganze Stadt roch nach Erdöl. Wir gingen über den Kirchhof; es schien, als ob man die Toten hier mit Petroleum einbalsamiere. Die Hohe Straße stank danach. Wir wunderten uns, wie die Leute das auf die Länge aushielten. Dann gingen wir stundenweit zu Fuß, Birmingham zu, aber es half uns nichts; die ganze Gegend war in Erdöl getaucht. Am Ende dieser Exkursion kamen wir um Mitternacht unter einer hohlen Eiche auf einem einsamen Felde zusammen, und da wurde nun das Petroleum feierlich verflucht (die ganze Woche hatten wir über die Sache nur in unserer gewöhnlichen, sanftmütigen Weise geflucht), aber jetzt ging dem Faß der Boden aus! Wir taten also einen feierlichen Schwur, niemals wieder Petroleum in einem Boot mitzunehmen, ausgenommen natürlich in einem Krankheitsfalle. Für den gegenwärtigen Fall beschränkten wir uns demgemäß auf einen Spiritusapparat. Das ist ja gewiß nicht das beste auf der Welt! Pasteten und Kuchen werden nach Spiritus schmecken, aber Spiritus ist – wenn auch in beträchtlicher Quantität genossen – immer noch zuträglicher für den Magen als Erdöl.
Außerdem schlug Georg zum Frühstück Eier und Schinken vor, die leicht zu kochen seien, ferner kaltes Fleisch, Teebrot, Butter und Eingemachtes. Zum Gabelfrühstück, meinte er, könnten wir Biskuit, kaltes Fleisch, Butterbrot und Eingemachtes verzehren, aber ja keinen Käse. Der Käse ist wie's Petroleum zu aufdringlich. Das ganze Boot beherrscht er. Durch den Korb dringt er und macht, daß alles andere nach Käse schmeckt. Man kann nicht mehr unterscheiden, ob man Apfeltorte oder Braunschweiger Würste oder Erdbeeren mit Rahm unter den Zähnen hat. Es schmeckt alles wie Käse. In der Tat, Käse verbreitet einen zu starken Wohlgeruch!
Ich erinnere mich eines Freundes, der einmal in Liverpool ein paar Käselaibe gekauft hatte. Prächtige Käse waren es, reif und mild, und mit ca. 200 Pferdekraft-Geruch ausgestattet. Und man hätte dafür garantieren können, daß sie drei Meilen weit rochen und einen Menschen auf 200 Meter Entfernung noch umgeworfen hätten. Ich hielt mich damals gerade in Liverpool auf; da sagte mein Freund zu mir, wenn er mich damit beschweren dürfe und es mir nichts ausmache, so möchte er mich bitten, sie mit mir nach London zu nehmen, da er erst in ein oder zwei Tagen zurückreise und fürchte, die Käse würden sich nicht länger halten.
»O, mit Vergnügen, lieber Junge,« sagte ich, »mit dem größten Vergnügen.«
Nachher fuhr ich in einer Droschke bei ihm vor, um die Käse in Empfang zu nehmen. Die Droschke war eine alte Mausefalle, gezogen von einem Hinkegaul, einem abgehetzten, schläfrigen Klepper, den sein Herr ein Pferd zu nennen beliebte. Ich placierte die Käse zum übrigen Gepäck aufs Kutschendach, und fort ging's, so eilig wie mit der Schneckenpost, bis wir um eine Ecke bogen; da blies der Wind plötzlich unserer Stute den Käsegeruch unter die Nase. Der hauchte ihr auf einmal Leben ein, so daß sie, vor Schrecken schnaubend, mit einer Schnelligkeit von drei Meilen in der Stunde davonjagte. Der Wind blies indessen in derselben Richtung fort, und ehe wir das Ende der Straße erreichten, hatte der Gaul schon eine Geschwindigkeit von vier Meilen in der Stunde erreicht; und während er es früher kaum mit Krüppeln und korpulenten alten Damen hatte aufnehmen können, ließ er die jetzt stolz weit hinter sich zurück.
An der Station angekommen, bedurfte es zweier Schaffner und des Kutschers, um ihn anzuhalten, und ich glaube nicht, daß sie, obgleich ihrer drei, damit zustande gekommen wären, hätte nicht einer der Männer die Geistesgegenwart gehabt, sein Sacktuch über die Nase des Gauls zu binden und etwas Räucherpapier anzuzünden.
Ich nahm ein Billett und marschierte mit meinen Käsen stolz auf dem Perron auf und ab. Das Publikum wich mir respektvoll aus. Der Zug wurde sehr voll, und ich kam in ein Kupee, in welchem sich bereits sieben andre Personen befanden. Ein alter, mürrischer Herr erhob Einspruch, aber ohne Erfolg; ich placierte meine Käse oben auf das Netz, klemmte mich dann mit verbindlichem Lächeln zwischen zwei Insassen und machte eine Bemerkung über das warme Wetter. Nach einer Weile wurde der alte Herr unruhig. »Die Luft ist hier sehr dumpf,« sagte er. »Zum Ersticken!« meinte der Mann neben ihm. Dann begannen beide zu schnüffeln, und als sie Lunte rochen, nahmen sie, ohne weiter ein Wort zu verlieren, ihre Sachen und gingen hinaus.
Dann erhob sich eine umfangreiche Dame mit der Bemerkung, es sei eine Schande, wenn eine ehrbare, verheiratete Frau auf diese Weise ausgetrieben werde, – nahm ihren Reisesack und acht Pakete zu sich und ging ebenfalls hinaus.