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»Nein, das denke ich nicht. Indes möchte ich gern den Grund für dies lieblose, harte Urteil kennen. Was hat er verbrochen? Was wußte sie von ihm, das sie zu solcher Erbitterung hinriß?«

»Das ahne ich nicht. Aber daß sie ihn nicht tötete, dafür bürge ich. Sie war dafür zu ... zu kultiviert, zu fein.«

»Bravo, Mademoiselle! Ich selbst hätte es psychologisch nicht besser erfassen können. Wissenschaftliche Erfahrung war bei dem Verbrechen im Spiel, aber keine Feinheit.«

»Wissenschaftliche Erfahrung?«

»Ja, Mademoiselle. Denn der Mörder wußte ganz genau, wo er die Mordwaffe ansetzen mußte, um das Hauptnervenzentrum am Ende des Schädels zu treffen.«

»Das deutet ja beinahe auf einen Arzt hin.«

»Kannte Miss Adams irgendeinen Arzt näher?«

»Nein. Wenigstens ließ sie niemals derartiges verlauten.«

»Trug sie aber vielleicht einen Kneifer?«

»Carlotta? Bei ihren guten Augen? Welch drollige Frage, Monsieur Poirot!«

»Ah!« Mein Freund furchte grübelnd die Stirn.

Meine Phantasie aber zauberte mir das Bild eines Doktors vor die Seele, der betäubende Karboldünste um sich verbreitete und mit kurzsichtigen Augen durch scharfe Gläser stierte. Eine scheußliche Vorstellung!

»Hat Miss Adams übrigens den Filmschauspieler Martin Bryan gekannt?« riß mich Hercule Poirots Stimme in die Wirklichkeit zurück.

»Gewiß. Eine Bekanntschaft, die sogar bis in die Kinderzeit zurückreicht. Trotzdem sahen sie sich nur hie und da. Sie behauptete, er sei durch seine Erfolge sehr aufgeblasen geworden.« Besorgt schaute Jenny Driver auf ihre Armbanduhr. »Du meine Güte, ich muß fort! Bin ich Ihnen überhaupt behilflich gewesen, Monsieur Poirot?«

»Sehr. Und ich werde Ihre Hilfe noch weiterhin in Anspruch nehmen.«

»Ich stehe zu Ihrer Verfügung, sooft Sie mich benötigen. Irgend jemand zettelte diese Teufelei an. Oh, wir werden den Schurken schon aufspüren!«

Sie schüttelte uns beiden kräftig die Hand, ließ ihre weißen Zähne in einem flüchtigen Lächeln aufblitzen und stob davon mit charakteristischer Plötzlichkeit.

»Ein Persönchen, das das Herz auf dem rechten Fleck hat«, sagte Poirot, als er die Rechnung beglich.

»Mir gefällt sie auch.«

»Es tut immer wohl, wenn man einem hellen Verstand begegnet, Hastings.«

»Ein bißchen mehr Gefühl könnte ihr freilich nicht schaden«, bemerkte ich. »Die Kunde von dem jähen Ende ihrer Freundin warf sie viel weniger aus dem Gleichgewicht, als ich gefürchtet hatte.«

»Was wollen Sie .? Sie gehört nicht zu den Menschen, deren Tränendrüsen gleich Ströme vergießen«, gab Hercule mir auf seine Art recht.

»Hat Sie die Unterredung wenigstens befriedigt?«

»Nicht völlig. Ich hoffte, einen Fingerzeig hinsichtlich der Persönlichkeit des D., des Gebers der rubinengeschmückten Golddose, zu erhalten. Und das ist mir nicht gelungen. Unglücklicherweise war Carlotta Adams eine verschlossene Natur, die ihre Liebesgeschichten nicht den Freundinnen ausplauderte. Andererseits braucht der unbekannte Urheber des sogenannten Possenspiels ihrem Herzen gar nicht nahegestanden zu haben, sondern kann ein oberflächlicher Bekannter gewesen sein, der den >Scherz< unter dem Deckmantel einer Wette in die Wege leitete und ihn ihr durch die Aussicht auf einen hohen Gewinn schmackhaft zu machen verstand. Dieser Unbekannte hat die Golddose möglicherweise in ihrem Besitz gesehen und sich eine Gelegenheit verschafft, deren Inhalt festzustellen.«

»Aber wie in aller Welt bewog man sie, das Gift zu nehmen? Und wann?«

»Mon cher, erinnern Sie sich, daß die Wohnungstür während der Zeit, als das Mädchen den Brief zur Post trug, nicht abgeschlossen war? Offen gestanden, diese Theorie befriedigt mich nicht, Hastings, weil sie dem Zufall zu viele Möglichkeiten einräumt. Aber jetzt an die Arbeit! Wir haben noch zwei Fingerzeigen nachzugehen.«

»Die sind?«

»Zunächst der Telefonanruf bei dem Amt Victoria. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Carlotta Adams telefonieren wollte, um ihren Erfolg zu verkünden. Freilich, wo hielt sie sich zwischen zehn Uhr zehn und Mitternacht auf? Verbrachte sie diese Zeit in Gesellschaft des Anstifters, so mag der Telefonanruf gut und gern auch nur einer x-beliebigen befreundeten Person gegolten haben.«

»Und der zweite Fingerzeig?«

»Ach, auf den setze ich nur geringe Hoffnung. Der Brief, Hastings. Der Brief an die Schwester. Es ist möglich - ich sage nur möglich -, daß sie die ganze Angelegenheit in ihm beschrieb. Da man den Brief erst eine Woche später und zudem in einem anderen Land lesen würde, mag sie eine solche Beichte nicht als Vertrauensbruch aufgefaßt haben. Aber, wie gesagt, Hastings, meine Hoffnung ist gleich Null. Nein, wir müssen die Sache vom anderen Ende her anpacken.«

»Was nennen Sie das andere Ende?«

»Eine sorgfältige Suche nach jenen, denen der Tod Lord Edgwares Vorteil bringt.«

Ich zuckte die Schulter. »Außer seinem Neffen und seiner Frau .«

»Und dem Mann, den seine Witwe zu heiraten beabsichtigte«, fiel Poirot mir ins Wort.

»Der Herzog? Er ist in Paris.«

»Zugegeben. Trotzdem steht er nicht außerhalb des fraglichen Kreises. Und dann das Hauspersonaclass="underline" der Butler, die anderen dienstbaren Geister. Wer weiß, welchen Groll sie gehegt haben! Aber unser weiteres Vorgehen leiten wir meines Erachtens am besten damit ein, daß wir eine neuerliche Unterredung mit Jane Wilkinson herbeiführen. Sie ist gewitzt; sie bringt uns möglicherweise auf eine Spur.«

Abermals lenkten wir unsere Schritte zum Savoy, wo wir die Künstlerin umgeben von Schachteln und Kartons und Seidenpapier vorfanden, während über der Lehne jedes Sessels, jedes Stuhls sich kostbare schwarze Gewänder ausbreiteten. Jane probierte mit einem wichtigen, verzückten Ausdruck gerade einen anderen schwarzen Hut vor dem Spiegel an.

»Oh, Monsieur Poirot ...? Nehmen Sie Platz. Das heißt, wenn Sie einen freien Platz finden! Ellis, rasch, mach bitte mal zwei Stühle leer.«

»Madame, Sie sehen bezaubernd aus!«

Jane betrachtete ausgiebig ihr Spiegelbild.

»Ich will nicht richtig den Heuchler spielen, Monsieur Poirot, jedoch man muß einen gewissen Anschein wahren, nicht . ?

Übrigens habe ich das reizendste, entzückendste Telegramm vom Herzog erhalten.«

»Aus Paris?«

»Ja, aus Paris. Natürlich mit der nötigen Vorsicht abgefaßt, so daß es für Fremde wie Beileidsworte klingt, immerhin aber so gehalten, daß ich zwischen den Zeilen lesen kann.«

»Meine ergebenen Glückwünsche, Madame.«

»Monsieur Poirot.« Sie faltete die Hände, dämpfte die Stimme. Wie ein Engel, der im Begriff steht, Gedanken hehrster Heiligkeit zu verkünden, sah sie aus. »Je mehr ich nachdenke, desto mehr erscheint mir das Ganze wie ein Wunder. Hier stehe ich, erlöst von allen Sorgen. Keine langweilige, unangenehme Scheidung. Keine Scherereien. Glatt und eben liegt mein Weg vor mir. Wissen Sie, es durchströmt mich beinahe ein Gefühl frommer Dankbarkeit.«

Ich hielt vor Staunen und Entsetzen den Atem an, und Poirot betrachtete die schöne Sprecherin, den Kopf ein wenig zur Seite geneigt. »Die Sachlage behagt Ihnen, wie, Madame?«

»Ja, es hat sich alles trefflich für mich gefügt«, wisperte Jane mit scheuer Ehrfurcht. »In letzter Zeit habe ich so häufig gedacht: wenn Edgware doch nur stürbe! . Und eins, zwei, drei, ist er tot! Man könnte beinahe meinen, es sei eine Antwort auf mein Gebet.«

Poirot mußte seine Kehle durch ein Räuspern frei machen, ehe er sagte: »Leider kann ich nicht behaupten, daß ich die Dinge im gleichen Licht sehe, Madame. Irgend jemand tötete Ihren Gatten.«

»Natürlich«, gab sie unumwunden zu.

»Haben Sie noch nicht einmal darüber nachgedacht, wer wohl der Mörder gewesen ist?«

Ihre blauen Augen ruhten in heller Verwunderung auf Poirots Gesicht.