In der Stube sieht er die Summerin stehn, und zwar splitternackt. Sakra, sakra! Zuerst hat der Hias sich fortmachen wollen. Aber er ist halt ein sündiger Mensch gewesen, nicht wahr, und was kann man von einem sündigen Menschen erwarten? Zumindest Neugier.
Er bleibt also vor dem erleuchteten Fenster stehen wie angewurzelt und starrt in die Stube hinein. Die Summerin holt vom Küchenbrett einen Tiegel herunter, da ist, wie sich alsbald erweist, eine Salbe drin. Und eben mit dieser Salbe schmiert sich die Summerin ein: von oben bis unten, am ganzen Leib. Dann stellt sie den Tiegel aufs Wandbrett zurück und besteigt einen Besen, den hatte sie schon bereitgelegt.
Und spätestens jetzt hat der Hias sich denken können, was da im Gange war.
Die Summerin spricht einen Zauberspruch. »Hui aus - und nimmerwo an!«, hört der Hias sie rufen - und hüraxdax, huraxdax! saust der Besen mit ihr davon, zum Schornstein hinaus und mit Windeseile dahin, dahin!
Den Hias hat das Fell gejuckt. Die Hexensalbe, der Zauberspruch. Ein Besen wird sich schon finden lassen, denkt er sich. Notfalls tut’s auch die Ofengabel. Gedacht, getan. Die Haustür war nicht verschlossen, verschlossen waren im Pfaffenwinkel die Haustüren damals alle nicht.
Der Hias also schlieft in die Stube, der Hias entledigt sich des Gewands, der Hias holt den Tiegel vom Wandbrett. Dann beschmiert er sich mit der Hexensalbe, von oben bis unten, am ganzen Leib. Die Salbe duftet nach allerlei Kräutern, nach mancherlei Spezereien. Dem Hias wird’s ganz leicht und wohl davon. Er klemmt sich den Stiel der Ofengabel zwischen die Beine, dann ruft er den Zauberspruch: »Hui aus - und immerwo an!«
Sogleich tut der Spruch seine Wirkung, die Ofengabel saust mit dem Hias davon. Hüraxdax, huraxdax!, fährt sie mit ihm zum Schornstein hinaus. Aber der Hias, wir haben es schon bemerkt: Der Hias hat sich mit dem Hexenspruch leider vertan, er hat einen Buchstaben weggelassen, bloß einen einzigen, aber das reicht schon hin - und nun kriegt er die Quittung dafür!
Die Ofengabel tut, was der Hias ihr befohlen hat. Sie sorgt dafür, dass er immerwo anstößt! Im Schornstein haut es ihn gegen die Mauersteine, und draußen im Freien erst recht! Da gibt’s keinen Baum, keinen Holzstoß und keinen Stadel, den sich die Ofengabel entgehen ließe: Sie haut ihn mit aller Gewalt dagegen, den armen Hias. Hüraxdax, huraxdax!
Bloß gut, dass er nicht den vollen Weg bis zum Blocksberg hat reiten müssen! Die Ofengabel, das rabiate Biest, schmeißt ihn einfach ab, schon gleich hinter Weilheim muss das gewesen sein. Zum Glück ist er wenigstens weich gefallen, der Hias - na ja, selbst Misthaufen haben bisweilen ihr Gutes. Wenngleich man von einem Misthaufen nicht erwarten darf, dass er nach Kräutern und Spezereien duftet. Ebenso wenig wie man vom Hias aus dem Pfaffenwinkel erwarten darf, dass er sich jemals wieder mit Hexensalbe einschmieren wird, und dufte sie noch so wohl!
Mehr Glück als Verstand
Ein Bursche will sich die Gunst eines Mädchens, ein Mädchen die Gunst eines Burschen erringen, und wenn das nicht anders klappt, so versucht man es eben mit Hexerei. Liebestränke sind ein bewährtes Mittel, sofern man die richtigen Zutaten kennt. Zuweilen leistet ein Kartenspiel gute Dienste: Man muss sich den Herzbuben oder die Herzdame unters Kopfkissen legen, nicht ohne entsprechende Zauberformel, wohl bemerkt. Große Wirkung kann auch von einem kleinen Zettel ausgehen, der mit dem Namen jener Person versehen ist, deren Liebe man zu gewinnen trachtet; diesen Zettel muss man nur lang genug auf der blanken Haut überm Herzen tragen - und je nachdem, welchen Liebeszauber man anwendet (es gibt deren noch ein paar Dutzend weitere), stellt sich nach Ablauf einer bestimmten Frist die erhoffte Wirkung ein, wobei man jedoch vor Überraschungen niemals sicher ist.
Weit hinten im hintersten Hinterpommern, da haben einmal Soldaten in einem Dorf in der Nähe von Bütow für einige Zeit im Quartier gelegen, ob im Krieg, ob im Frieden, ist nicht bekannt. Nur dass es Husaren gewesen sind, weiß man noch: flinke Burschen mit hohen Pelzmützen, roten Hosen und kurzen, silberverschnürten Leibröcken, schnurrbärtig alle, und alle mit grasgrünen Mäntelchen ausgestattet, die über der linken Schulter getragen wurden. Da kann man sich vorstellen, was für Eindruck sie auf die Mädchen gemacht haben! Überall dort, wo sie im Quartier lagen, gab es bald schon die heftigsten Liebschaften, so auch in jenem hinterpommerschen Dorf in der Nähe von Bütow.
Nun war da ein Wachtmeister bei der zweiten Schwadron, ein stattlicher Mensch mit funkelnden, schwarzen Augen, der hätte sich gern mit der Tochter seines Quartierwirts was angefangen;
aber die schöne Trine hat nicht dergleichen getan, für die schien er Luft zu sein. Und wenn der Herr Wachtmeister noch so viel mit den Augen geplinkert und sich den Schnurrbart gezwirbelt hat - die Trine hat einfach nichts von ihm wissen wollen, und basta! Da hat sich der Wachtmeister schließlich nicht anders zu helfen gewusst und hat es mit einem Liebeszauber probiert.
Was er getan hat und wie er’s getan hat, kann ich nicht sagen. Jedenfalls hat der Zauber am Morgen des dritten Tages zu wirken begonnen - aber gerade an diesem Morgen, in aller Frühe, da war ein Befehl gekommen, aus heiterm Himmel. Da haben nun die Trompeter Signal geblasen, Signal zum Satteln und Aufsitzen, und es hat keine halbe Stunde gedauert, da sind sie zum Dorf hinausgesprengt, die Herren Husaren, in Reih und Glied, und mit ihnen der Wachtmeister von der zweiten Schwadron.
Die Dorfleute haben ihnen nachgewinkt, ein paar Mädchen mussten sich mit den Schürzenzipfeln die Augen wischen, sie hatten wohl Grund dazu. Und die Trine? Bei ihr, wie gesagt, hat gerade an diesem Morgen der Zauber zu wirken begonnen, der Liebeszauber. Sie hat das natürlich nicht wissen können, aber es war schon seltsam. Irgendwas zerrte und zog da plötzlich an ihr herum, stärker und immer stärker, und als die Husaren längst in der Ferne verschwunden waren, nur eine hohe Staubwolke war noch am Himmel zu sehen: Da konnte die Trine nicht anders, sie musste loslaufen.
Schneller und immer schneller lief sie zum Dorf hinaus, den Husaren nach. Arme Trine! Sie konnte natürlich nicht ahnen, was da mit ihr geschehen war, dass sie der Wachtmeister von der zweiten Schwadron behext hatte. Und so lief sie und lief den Husaren nach, bis ihr jemand den Weg vertrat und sie fest hielt. Und dieser Jemand, das war der Schweinehirt, der mit seiner grunzenden Herde neben der Straße dahinzog. Was denn los sei, wollte er wissen, warum es die Trine denn gar so eilig habe?
»Weiß selber nicht«, keuchte das Mädchen, schon ganz außer Atem. »Weiß selber nicht!«
Aber der Schweinehirt ahnte es. Hirten verstehen ja häufig was von dergleichen Dingen. »Nur ruhig, Trine, das legt sich wieder!« Während er mit der Linken das Mädchen fest hielt, band er ihr mit der Rechten die Schürze ab. Und was tat er mit Trines Schürze? Er hängte sie einer von seinen Säuen um. »Gib mal Acht, was mit der passiert!«
Nun sind ausgewachsene Säue ja meistens von eher träger Natur. Die Sau mit der Schürze aber: Mit einem Mal quiekt sie lauthals auf, und dann fängt sie zu rennen an, als habe ihr jemand eins mit dem glühenden Schürhaken über die Schwarte gezogen! Sie rennt also los, mit Trines Schürze behängt, und sie rennt und rennt auf der Straße dahin! »Sie rennt den Husaren nach«, sagte der Schweinehirt. »Einer von ihnen muss dir was angehext haben - aber nun bist du es wieder los.«