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»Zwölfe hat’s geschlagen!« Der Nachtwächter rief in den Straßen die Mitternachtsstunde aus. Jetzt war es so weit!

Der Doktor Faustus stellte sich in die Mitte der Zauberkreise, von denen er wusste, dass sie ihn vor dem Zugriff der Geister beschützen würden; dann sprach er die erste Beschwörungsfor­mel. Da war es, als schlüge der Wind in den Schornstein des Hauses.

Zum Ofenloch fuhr eine kleine, schwarze Gestalt heraus, mit feurigen Augen und langem Schwanz, einem Affen gleich. Das äffische Wesen machte am Rand des äußersten Kreises Halt und ließ sich mit quäkender Stimme vernehmen:

»Zu Diensten, Meister. Du hast mich gerufen, ich bin zur Stelle. Mein Name ist Vitzliputzli, schnell bin ich wie der Pfeil, wenn er von der Sehne schwirrt. Wenn du mich brauchen kannst, will ich dir dienstbar sein.«

»Hinweg!«, gebot ihm der Doktor Faustus. »Was soll ich mit

einem Diener, der einem Affen gleicht? Apage, apage!«

Das Affenwesen verschwand im Ofenloch. Doktor Johannes Faustus versuchte es mit der zweiten Beschwörungsformel. Wieder ein Windstoß, dreimal so stark wie der vorige. Aus dem Feuerloch stob eine schwarze Gestalt hervor, zottelig, oben Mensch, unten Ziegenbock, mit gehörnter Stirn, mit geschwänztem Hinterteil.

Der Bocksmensch scherte sich nicht um den äußeren Kreis, erst an der zweiten, der mittleren Linie machte er Halt. In Faustens Studierstube verbreitete sich ein übler Gestank: Man weiß ja, wie Böcke stinken.

»Du hast mich gerufen, Meister, ich bin zur Stelle. Mein Name ist Auerhahn. Schnell bin ich wie der Wind, wenn er über die Dächer fegt. Wenn du mich brauchen kannst, will ich dir dienstbar sein.«

»Hinweg!«, gebot ihm der Doktor Faustus. »Was soll ich mit einem Diener, der wie ein Bock stinkt? Apage, apage!«

Der Bocksmensch verschwand, der Gestank verzog sich so plötzlich wieder, wie er gekommen war. Doktor Johannes Faustus versuchte es mit der dritten, der stärksten Formel. Kein Windstoß schlug in den Schornstein, kein Sturm erhob sich, kein Donner grollte. Hatte der dritte Spruch seine Wirkung verfehlt? Schon wollte der Doktor ihn wiederholen, da klopfte es an die Tür der Studierstube. Herein kam ein hagerer Mensch, gekleidet wie ein Student, von geschmeidiger Höflichkeit. Er verneigte sich vor dem Doktor und machte ihm seine Aufwartung.

Dass er beim Gehen ein wenig hinkte, fiel nicht besonders auf. Der Hagere achtete weder des äußeren noch des mittleren Kreises; erst an der dritten, der inneren Linie hielt er an.

»Hier bin ich, Meister. Mein Name ist Mephistopheles, das bedeutet der Listige und Gewandte. Schnell bin ich, schnell und leicht wie des Menschen Geist: gedankenschnell, um genau zu sein. Wenn du mich brauchen kannst, will ich dir dienstbar sein. Ich werde dich an die entlegensten Orte führen, in ferne Zeiten, in ferne Länder, wie immer es dir gefällt. Du wirst reich sein, wirst schöne Frauen haben. Ich werde dich alle Geheimnisse dieser Welt lehren, werde dir ihre Rätsel enthüllen bis auf den letzten, den tiefsten Grund.«

»Wohlan!«, sprach der Doktor Johannes Faustus. »Das hört sich nicht übel an, Mephistopheles. Was verlangst du für deine Dienstbarkeit?«

Der Teufel, denn Mephistopheles war ein Teufel, wenngleich in Menschengestalt: Der Teufel war auf die Frage vorbereitet. »Bloß eine Unterschrift«, sagte er leichthin, wobei er dem Doktor Faustus ein Pergament vor die Nase hielt; weiß der Kuckuck, woher er es plötzlich hatte. »Wir werden einen Kontrakt schließen, wie sich das gehört. Ich leiste dir meine Dienste, o Herr und Meister - und du verschreibst mir dafür deine Seele. Übrigens steht das alles auf diesem Blatt ...«

Der Doktor las den Kontrakt. Mephistopheles werde ihm, stand da zu lesen, in allen Dingen Gehorsam leisten, mit einer Ausnahme lediglich: Den Ablauf der Zeit zu ändern, dazu sei er weder befugt noch im Stande. Der Pakt solle zweimal ein Dutzend Jahre währen. Nach Ablauf der Frist verfalle die Seele des Doktor Faustus auf ewig der Hölle.

»Kein geringer Preis, den du da verlangst.« Noch zögerte Faustus, noch war er unschlüssig. Reisen in ferne Zeiten, in fremde Länder, Reichtum und schöne Frauen: Ob sie das Heil seiner Seele aufwogen?

»Und die Geheimnisse dieser Welt?«, fragte Mephistopheles lauernd. »Und dass ich dir ihre Rätsel enthüllen werde bis auf den letzten Grund - ist das etwa nichts?«

Was für ein Angebot! Welche Verlockung für einen forschen­den Geist, einen Mann der Wissenschaft! »Wahrhaftig!« Der Doktor pflichtete dem Versucher bei. »Das ist viel, das ist sehr viel. Feder und Tinte her, Mephistopheles!«

»Wozu Tinte, Meister? Man unterschreibt einen solchen Kontrakt nicht mit Tinte, ein solcher Kontrakt wird mit Blut unterschrieben.«

Mephistopheles reichte Faustus den Gänsekiel und ein Messerchen. »Ein kleiner Schnitt in den Arm wird reichen, Meister.«

Der Doktor streifte den linken Ärmel zurück, er brachte sich mit dem Messerchen einen Schnitt bei. Doch seltsam, es trat kein Blut aus der Wunde hervor. War das die letzte Warnung, ein letztes Zeichen zur Umkehr?

»Dein Blut scheint zu stocken, Meister. Wir werden es gleich

in Fluss bringen.«

Mephistopheles spitzte die Lippen, er hauchte auf Faustens Arm - an der Schnittstelle zeigten sich ein paar Blutstropfen. »Das reicht aus. Und nun rasch unterschrieben, Meister!«

Faustus gehorchte dem Teufel. Er netzte die Feder mit seinem Blut, dann setzte er seinen Namenszug auf das Pergament. Der Vertrag war besiegelt, der Pakt mit der Hölle in Kraft gesetzt.

»Topp!« Mephistopheles rieb sich die Hände. »Von Stund an, o Herr und Meister, werde ich jedem deiner Befehle Gehorsam leisten - zweimal ein Dutzend Jahre lang.«

Zweimal ein Dutzend Jahre: für den, der an ihrem Anfang steht, eine lange, eine beruhigend lange Zeit. Hätte es nur in Faustens Studierstube nicht die Uhr gegeben!

Plötzlich, so schien es dem Doktor, tickte sie lauter als sonst gewohnt. Lauter und sehr viel schneller. Draußen ertönte der Ruf des Nachtwächters. »Eins hat’s geschlagen.« Die erste Stunde der Frist war verstrichen, die zweite war angebrochen. Stunden würden zu Tagen, Tage zu Wochen werden, Wochen zu Jahren. Die Zeit lief dahin, sie ließ sich nicht anhalten. Mephistopheles lächelte spöttisch, den Doktor Faustus begann es, in tiefster Seele zu frösteln.

Eine Kerbe zu viel

Das Zeitalter der Reformation hat in Deutschland eine stau­nenswerte Anzahl großer Gelehrter und Künstler hervorgebracht, unter ihnen den bedeutenden Arzt und Philoso­phen Theophrastus Bombastus von Hohenheim, der sich Paracelsus nannte. Zu Einsiedeln in der Schweiz geboren, hat er an der Universität von Ferrara den Doktorhut erworben. Danach ist er jahrelang durch die Lande gezogen, forschend, lehrend und heilend, wo Heilung möglich war. Als Arzt und Naturforscher hat er in seinen Schriften zahlreiche Gedanken und Einsichten entwickelt, die bahnbrechend für die moderne Heilkunst geworden sind. Bei vielen seiner Zeit- und Berufsgenossen ist er damit auf Unverständnis und Ablehnung gestoßen. Immer wieder gab es Versuche, ihn der Ketzerei zu bezichtigen, ihn als Scharlatan in Verruf zu bringen. Selbstverständlich ist Paracel­sus von seinen Gegnern auch verdächtigt worden, mit dem Teufel im Bunde zu stehen, ein Hexenmeister zu sein. Seine Freunde jedoch und die einfachen Leute waren davon überzeugt, Bombastus von Hohenheim habe sich nicht der bösen schwar­zen, sondern der guten, der weißen Magie verschrieben. - Anno 1541 ist Paracelsus zu Salzburg verstorben. Sein Grab ist erhalten geblieben, es befindet sich auf dem Sebastiansfriedhof der Stadt, am rechten Ufer der Salzach. Die Volkssage weiß es anders.

In Salzburg hatte Paracelsus einen getreuen Diener, dessen Name uns nicht überliefert ist. Eines Tages war er mit ihm hinausgegangen, ein Stück vor die Tore der Stadt, bis zu einer alten Linde. In ihrem Schatten eröffnete Paracelsus seinem Begleiter, dass er sich krank wisse, sterbenskrank. »In wenigen Tagen wird es mit mir zu Ende sein«, fuhr er fort. »Es gibt aber keinen Grund, den Mut zu verlieren. Denn wisse, mein treuer