Was er wohl mit dem Sauerkrautfass im Sinn hat? Die finstere Miene des Paters verheißt nichts Gutes.
»No schön. Da der Dieb sich nicht freiwillig meldet, muss ich mich meiner magischen Kunst bedienen, indem ich ...« Ein Blinder sieht, dass es den Pater gewaltige Überwindung kostet, den Zauber ins Werk zu setzen.
»Ich werde also«, fährt er mit düsterer Miene fort, »das Messer in dieses Fass stoßen - und so wahr, wie die Messerklinge ins Fass fährt, wird sie dem Dieb in den Leib fahren, mitten hinein ins Gedärme!«
Der Herr Pater tritt an das Sauerkrautfass heran. Mit der Linken setzt er die Messerspitze genau auf die Mitte des Fassdeckels, mit der Rechten ergreift er den hölzernen Bierschlägel, mit dessen Hilfe der Schankbursch die Bierfässer anzapft.
»Noch ist Zeit«, mahnt der Pater. »Noch könnte der Dieb sich zu seinem Diebstahl bekennen . « Er blickt in die Runde, stechenden Blickes. »Ich zähle bis drei, dann wird zugeschlagen.
Und dass ihr’s nur wisst, Geliebte im Herrn: Ich werde das Messer dreimal im Fass - was sag ich! - im Bauch des Diebes herumdrehn, damit’s auch dafürsteht.«
Der Wurstmacher duckt sich, eins von den Stubenmädeln beginnt zu zittern, der Schankbursch wird grün im Gesicht, der Schweiß tritt ihm auf die Stirn. Das Messer ist angesetzt, Pater Hahn hebt den Bierschlägel, weit holt er damit aus, jeden Augenblick wird er zuschlagen .
»Nein, nein, nein!« Die Posselt Hermine, weiß wie die Wand, ist emporgeschnellt. »Erbarmen, Herr Pater! Nicht zuschlagen! Habt Erbarmen mit mir!«
»Du?« Der Herr Anton Posselt, Fleischer- und Selchermeister zu Platten im Erzgebirge, auch Gast- und Schankwirt alldorten, traut seinen Ohren nicht. »Du bist’s gewesen, Alte?«
»Ja - ich.« Die Posselt’sche schlägt die Augen nieder.
»Verzeih mir, Alter! Verzeiht mir alle! Ich hab mir doch bloß einen Ring wollen kaufen, im Sächsischen drüben. Und eine Halskette. Dazu hab ich das Geld aus der Lade genommen. Ich hab ja kein eigenes, um mir dann und wann was davon zu kaufen.«
»Schon gut, meine Tochter, schon gut.« Der Herr Zauberer Pater Hahn ließ den Bierschlägel sinken, atmete hörbar auf und legte das Messer an seinen Platz zurück. Dann wandte er sich der schluchzenden Frau zu. »Bereut und gebeichtet ist halb vergeben. Bevor ich dich endgültig losspreche, auferlege ich dir eine Buße von zwanzig Talern, bestimmt für das neue Dach der Pfarrkirche .«
An dieser Stelle unterbrach er sich stirnrunzelnd, ehe er fortfuhr: »Ach, meine Tochter, fast hätte ich ja vergessen, dass du kein Geld hast, von dem du die Buße leisten könntest, kein eigenes jedenfalls . No, was können wir denn da tun?«
Der Herr Pater legte den rechten Zeigefinger an die Nase und dachte nach. Bald erhellte sich seine Miene wieder, ein guter Einfall schien ihm gekommen zu sein. Mit sanfter Miene tat er ihn kund und belehrte die Posselt’sche:
»Auferlegt, meine Tochter, ist auferlegt: Daran lässt sich nicht rütteln . Am besten, du sprichst über alles Weitere mit dem Herrn Anton, ja? Über das Bußgeld - und über den Ring und die Halskette. Er soll froh sein, dass dir das Messer nicht ins Gedärme gefahren ist. Auch rate ich ihm, in Hinkunft dafür zu sorgen, dass du ein bissl eigenes Geld zur Verfügung hast. Amen, amen.«
Beim Wort genommen
Zaubern aus Übermut, Zaubern aus Freude am Schabernack. Zu den Spaßvögeln unter den Zauberern gehörte auch Pumphutt, wie Krabat ein Mühlknappe aus der Lausitz. Während der Sommermonate zog er wandernd im Land umher, von Mühle zu Mühle. Wo man ihn brauchen konnte, blieb er für eine Weile in Kost und Lohn; und hatte man keine Arbeit für ihn, so musste der Müller ihm dennoch Obdach für eine Nacht und Zehrung für einen Tag geben, so verlangte es guter Mühlenbrauch. An seinem großen Hut mit der breiten Krempe, von dem er den Namen hatte, und an dem schmalen, goldenen Ring, getragen im rechten Ohrläppchen, hätte er eigentlich leicht zu erkennen sein müssen. Dennoch merkten die Leute, die es mit ihm zu tun bekamen, immer erst hinterher, dass es Pumphutt gewesen war, der sie mit seinen Zauberkünsten veralbert hatte. Und nicht nur veralbert! Fast immer wusste es Pumphutt so einzurichten, dass seine Streiche für die Betroffenen eine Lehre enthielten. Und meistens fiel diese Lehre recht handfest aus.
Eines Tages kam Pumphutt auf die Gemauerte Mühle am Kittlitzer Bach, als dort gerade Hochzeit gefeiert wurde, die Hochzeit der Müllerstochter. Getafelt wurde im Freien, an langen Tischen unter den Apfelbäumen im Obstgarten. An die hundert Gäste waren geladen, Verwandte und Freunde von beiden Seiten, die benachbarten Müller mit ihren Frauen. Und auch der Herr Pastor mit seiner Frau war selbstverständlich dabei.
Es gab reichlich zu essen und reichlich zu trinken. Der Mauermüller war ein begüterter Mann, er wusste, was er den Gästen schuldig war. »Tut euch bloß keinen Zwang an!«, rief er. »Wenn Mauermüllers Rosina heiratet, lässt sich der Mauermüller nicht lumpen!« Auch für Tafelmusik war gesorgt. Es sangen die Geigen, es juchzte die Klarinette, ein Dudelsack quäkte, der Schusterbass machte schrummschrumm dazu.
Auf einen Hochzeitsgast mehr oder weniger kam es dem Mauermüller am Kittlitzer Bach nicht an. Pumphutt war ihm willkommen, er musste sich an den Tisch mit den jungen Leuten setzen.
Die Gäste ließen sich schmecken, was ihnen die Mauermüller’schen Mägde auftrugen: Suppe und dreierlei Braten, Hefeknödel in brauner Tunke, gedünsteten Rotkohl mit Speck und Apfelkraut, Streuselkuchen und Gugelhupf, Kaffee und süße Sahne. Alle waren bei bester Laune, alle sprachen dem Hochzeitsmahl wacker zu. Der Herr Pastor wollte gerade ein Wohl auf das edle Brautpaar ausbringen, da betraten vier Bettelkinder den Obstgarten, rotznasig, barfuß, in abgerissenen Kitteln und fadenscheinigen Hosen. Sie stellten sich vor dem Tisch der Brautleute auf und begannen zu singen, mit dünnen Stimmchen, aber aus voller Kehle:
Hierauf streckten sie ihre mageren, braunen Hände dem Mauermüller entgegen und riefen ihm zu:
Die Gäste lachten und klatschten Beifall, der Mauermüller indessen bekam einen roten Kopf und knurrte:
»Ich werde euch mal was sagen, Rotznasen! Erst gebettelt und dann gestohlen - das kennt man ja. Schert euch weg da, Gesindel, bevor ich euch Beine mache!«
Pumphutt taten die Kinder Leid. Er versuchte, beim Mauermüller ein gutes Wort für sie einzulegen. »Ach, Meister, warum denn gleich böse werden. Siehst du nicht, dass sie Hunger haben? Sie werden dich schon nicht arm essen.«
»Papperlapapp!« widersprach ihm der Müller. »Ich mag keine Bettelkinder auf der Gemauerten Mühle. Hier haben die nichts verloren, hier kriegen die nichts - und wenn mir das Rad von der Welle springt!«
Er meinte das Mühlrad, das fest auf der Mühlenwelle verkeilt war. Es war eine Redensart, die unter Müllern und Müllerburschen gebräuchlich war. Pumphutt erwiderte nichts darauf. Er fasste sich bloß, wie zufällig, an den Hut. Da erschraken die Hochzeitsgäste nicht schlecht! Denn plötzlich ließ sich ein dumpfes Poltern vernehmen, das kam von der Mühle her. Und als sie hinüberblickten - was sahen sie da? Sie sahen, dass sich das große, hölzerne Wasserrad von der Mühlenwelle gelöst hatte und heruntergesprungen war. »He!«, rief der Mauermüller verdattert. »Wie gibt’s denn so was?«