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»Siehst du? Aber letztlich war es dann auch Duddits, der dem kleinen grauen Mistkerl zum Verhängnis geworden ist. Und ich sage dir noch etwas: Ich glaube, Duddits hat mir da am Ende der East Street das Leben gerettet. Ich glaube, es ist absolut möglich, dass Kurtz' Kumpel, als er uns hinten im Humvee gesehen hat - beim ersten Mal, meine ich -, einen kleinen Duddits im Ohr hatte, der ihm sagte: >Keine Sorge, mein Lieber, du kannst weitergehen, die sind tot.<«

Aber Jonesy war immer noch bei seinem vorherigen Gedanken. »Und sollen wir jetzt davon ausgehen, dass es reiner Zufall war, dass sich das Byrum ausgerechnet mit uns zusammengetan hat? Denn das war ja Gerritsens Meinung. Er hat es nie so ausdrücklich gesagt, war aber eindeutig dieser Ansicht.«

»Wieso auch nicht? Viele Wissenschaftler, darunter so brillante Männer wie Stephen Jay Gould, sind der Ansicht, dass wir unsere Existenz als Spezies einer noch viel längeren und unwahrscheinlicheren Kette von Zufällen verdanken.

«

»Siehst du das auch so?«

Henry hob die Hände. Es fiel ihm schwer zu antworten, ohne auf Gott zu sprechen zu kommen, der sich im Laufe der vergangenen Monate wieder in sein Leben eingeschlichen hatte. Durch die Hintertür, mitten in so mancher schlaflosen Nacht. Aber musste man diesen alten Deus ex machi-na ins Spiel bringen, um sich das hier zu erklären?

»Ich glaube, wir sind Duddits, Jonesy. L'enfant c'est moi... toi... tout le monde. Rasse, Spezies, Gattung; Spiel, Satz, Sieg. Wir alle zusammen sind Duddits, und all unser Sinnen und Trachten läuft letztlich auch nicht auf mehr hinaus als darauf, die gelbe Lunchbox nicht zu verlieren und zu lernen, wie man einen Schuh richtig herum anzieht - Was mahn? Pass nich? Unsere größten Bosheiten sind, kosmisch gesehen, nichts anderes, als wenn man beim Cribbage die Stifte in die falsche Richtung weitersteckt und hinterher nichts davon wissen will.«

Jonesy sah ihn fasziniert an. »Das ist entweder ein inspirierender oder ein Grauen erregender Gedanke. Ich kann mich nicht recht entscheiden.«

»Das macht nichts.«

Jonesy dachte darüber nach und fragte dann: »Wenn wir Duddits sind, wer singt uns dann was vor? Wer singt uns das Wiegenlied vor und hilft uns einzuschlafen, wenn wir traurig sind oder Angst haben?«

»Oh, das macht immer noch Gott«, sagte Henry und hätte sich treten können. Da war es raus, trotz bester Absichten.

»Und hat Gott auch das letzte Wiesel von Schacht zwölf fern gehalten? Denn wenn das Vieh ins Wasser gelangt wäre, Henry -«

Eigentlich war das Wiesel, das in Perlmutter herangewachsen war, das letzte gewesen, aber das war nun wirk-lieh nur eine Feinheit, ein Haar, das man nicht spalten brauchte.

»Es hätte Probleme gegeben, das bestreite ich nicht; für ein paar Jahre hätten sie in Boston wirklich andere Sorgen gehabt als die, ob sie den Fenway Park abreißen lassen sollen oder nicht. Aber dass es uns vernichtet hätte, glaube ich nicht. Wir waren etwas völlig Neues für sie. Und Mr. Gray wusste das; was du da in der Hypnose gesagt hast -«

»Fang nicht davon an.« Jonesy hatte auch zwei der Bänder angehört und hielt es für den größten Fehler, den er während seines Aufenthalts in Wyoming begangen hatte. Als er sich selbst gehört hatte, wie er als Mr. Gray sprach - und, in tiefe Hypnose versetzt, Mr. Gray wurde -, war es ihm vorgekommen, als würde er einem boshaften Geist lauschen. Manchmal bildete er sich ein, der einzige Mann auf der Welt zu sein, der wirklich wusste, wie es war, vergewaltigt zu werden. Manches vergaß man lieber.

»Tschuldige.«

Jonesy deutete mit einer Handbewegung an, dass es schon in Ordnung sei, war aber doch merklich blasser geworden.

»Ich will damit sagen, dass wir als Menschheit mehr oder weniger in dem Traumfänger leben. Das hört sich fürchterlich an, ich weiß, klingt nach billigem Transzendentalismus, aber hierfür haben wir eben auch nicht die richtigen Begriffe. Wir müssten uns endlich mal welche einfallen lassen, aber bis dahin muss Traumfänger reichen.«

Henry drehte sich auf seinem Stuhl um. Jonesy tat es ihm nach und verlagerte Noel dabei ein wenig auf seinem Schoß. Ein Traumfänger hing über der Tür des Cottage. Henry hatte ihn als Einweihungsgeschenk mitgebracht, und Jonesy hatte ihn gleich aufgehängt, wie ein katholischer Bauer in vampirreichen Zeiten ein Kreuz an die Tür seiner Kate nagelte.

»Vielleicht hast du sie einfach nur angezogen«, sagte Henry. »Vielleicht haben wir sie angezogen. Wie Blumen dem

Lauf der Sonne folgen oder Eisenspäne sich nach einem Magneten ausrichten. Wir können es nicht erfahren, denn das Byrum ist so ganz anders als wir.«

»Ob sie wiederkommen?«

»Oja«, sagte Henry. »Sie oder andere.«

Er sah zum blauen Himmel dieses Spätsommertags hoch. Irgendwo in der Ferne, aus der Richtung des Quabbin-Sees, rief ein Adler. »Darauf kannst du dich verlassen.«

»Jungs!«, rief Carla. »Das Mittagessen ist fertig!«

Henry nahm Jonesy Noel ab. Kurz berührten sich ihre Hände und ihre Blicke und ihre Gedanken - und für diesen einen Moment sahen sie noch einmal die Linie. Henry lächelte, und Jonesy lächelte zurück. Dann gingen sie Seite an Seite die Treppe hinunter und über den Rasen, Jonesy humpelnd und Henry mit dem schlafenden Kind auf dem Arm, und für diesen Moment gab es an Dunklem nur die beiden Schatten, die ihnen über das Gras folgten.

Lovell, Maine 29. Mai 2000

Nachbemerkung

Nie war ich so dankbar für das Schreiben wie während der Arbeit an Duddits - Traumfänger (vom 16. November 1999 bis zum 29. Mai 2000). Ich hatte in diesen sechseinhalb Monaten viele körperliche Beschwerden zu erdulden, und dieses Buch zu schreiben war mir dabei eine große Hilfe. Der Leser wird bemerken, dass mich die körperlichen Qualen zum Teil bis in die Geschichte hinein verfolgt haben, aber ich erinnere mich hauptsächlich an die köstliche Befreiung, die man in lebhaften, eindringlichen Träumen findet.

Viele Leute haben mir dabei geholfen. Meine Frau Tabi-tha etwa hat sich rundheraus geweigert, diesen Roman nach seinem Arbeitstitel Krebs zu nennen. Sie fand den Titel hässlich und meinte, er würde das Unglück nur so anziehen. Irgendwann habe ich das eingesehen, und jetzt nennt sie es auch nicht mehr »dieses Buch da« oder »das mit den Kack-wieseln«.

Dank schulde ich auch Bill Pula, der mich am Quabbin-Reservoir herumfuhr und mir alles zeigte, und seinem Team: Peter Baldracci, Terry Campbell und Joe McGinn. Ein anderes Team, dessen Mitglieder lieber ungenannt bleiben möchten, fuhr mit mir hinter der Basis der Air National Guard mit einem Humvee aus und ließ mich törichterweise auch alleine fahren, wobei sie mir versicherten, man könne sich mit so einem Monstrum gar nicht festfahren. Ich hätte es trotzdem fast geschafft. Ich kam mit Schlamm bespritzt und bester Laune wieder. Von diesen Leuten soll ich Ihnen auch ausrichten, dass Humvees mit Schlamm besser zurechtkommen als mit Schnee; was ihre Fahreigenschaften angeht, habe ich mir daher dichterische Freiheiten herausgenommen, weil der Verlauf der Geschichte es so verlangte.

Der Reihe nach sei auch gedankt: Susan Moldow und Nan Graham von Scribner, Chuck Verrill, der dieses Buch lektoriert hat, und meinem Agenten Arthur Greene. Und ich darf auch Ralph Vicinanza nicht vergessen, meinen Agenten für Auslandsrechte, dem für »kleine Ansteckungsgefahr« mindestens sechs verschiedene französische Übersetzungen eingefallen sind.

Eine abschließende Bemerkung noch: Dieses Buch wurde mit der besten Textverarbeitung der Welt geschrieben, einem Patronen-Füllfederhalter von Waterman. Die erste Fassung eines so langen Buchs mit der Hand zu schreiben hat mich der Sprache so nahe gebracht, wie ich es seit Jahren nicht mehr war. Eines Nachts, während eines Stromausfalls, habe ich sogar bei Kerzenlicht geschrieben. Solche Gelegenheiten bekommt man im 21. Jahrhundert nicht oft geboten, und man sollte es auskosten.