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Der Professor Aloysius Walther wußte nicht, daß er wirklich den reisenden Enthusiasten vor sich hatte, wiewohl er es hätte merken können, und so gebe ich dir, mein günstiger Leser! des Jesuiten-Studenten kurze Erzählung von dem Maler Berthold. Die Weise, wie er sich mir zeigte, wird dadurch ganz erklärt, und du, o mein Leser! wirst dann auch gewahren, wie des Schicksals wunderliches Spiel uns oft zu verderblichem Irrtum treibt.

»Laßt euern Sohn nur getrost nach Italien reisen! Schon jetzt ist er ein wackrer Künstler, und es fehlt ihm hier in D. keinesweges an Gelegenheit, nach den trefflichsten Originalen jeder Art zu studieren, aber dennoch darf er nicht hier bleiben. Das freie Künstlerleben muß ihm in dem heitern Kunstlande aufgehen, sein Studium wird dort sich erst lebendig gestalten, und den eignen Gedanken erzeugen. Das Kopieren allein hilft ihm nun nichts mehr. Mehr Sonne muß die aufsprießende Pflanze erhalten, um zu gedeihen und Blüt und Frucht zu tragen. Euer Sohn hat ein reines wahrhaftiges Künstlergemüt, darum seid um alles übrige unbesorgt!«So sprach der alte Maler Stephan Birkner zu Bertholds Eltern. Die rafften alles zusammen was ihr dürftiger Haushalt entbehren konnte, und statteten den Jüngling aus zur langen Reise. So ward Bertholds heißester Wunsch, nach Italien zu gehen, erfüllt.

»Als mir Birkner den Entschluß meiner Eltern verkündete, sprang ich hoch auf vor Freude und Entzücken. - Wie im Traum ging ich umher die Tage hindurch, bis zu meiner Abreise. Es war mir nicht möglich, auf der Galerie einen Pinsel anzusetzen. Der Inspektor, alle Künstler, die in Italien gewesen, mußten mir erzählen von dem Lande, wo die Kunst gedeiht. Endlich war Tag und Stunde gekommen. Schmerzlich war der Abschied von den Eltern, die von düstrer Ahnung gequält, daß sie mich nicht wiedersehen würden, mich nicht lassen wollten. Selbst der Vater, sonst ein entschlossener fester Mann, hatte Mühe, Fassung zu erringen. ›Italien - Italien wirst du sehen‹, riefen die Kunstbrüder, da loderte von tiefer Wehmut nur stärker entzündet das Verlangen auf und rasch schritt ich fort - vor der Eltern Hause schien mir die Bahn des Künstlers zu beginnen.«

Berthold, in jedem Fache der Malerei vorbereitet, hatte sich doch vorzüglich der Landschaftsmalerei ergeben, die er mit Liebe und Eifer trieb. In Rom glaubte er reiche Nahrung für diesen Zweig der Kunst zu finden; es war dem nicht so. Gerade in dem Kreis der Künstler und Kunstfreunde, in dem er sich bewegte, wurde ihm unaufhörlich vorgeredet, daß der Historienmaler allein auf der höchsten Spitze stehe, und ihm alles übrige untergeordnet sei. Man riet ihm, wolle er ein bedeutender Künstler werden, doch nur gleich von seinem Fach abzugehen und sich dem Höheren zuzuwenden, und, dies, verbunden mit dem nie sonst gefehlten Eindruck, den Raffaels mächtige Fresko-Gemälde im Vatikan auf ihn machten, bestimmte ihn wirklich, die Landschaft zu verlassen. Er zeichnete nach jenen Raffaels, er kopierte kleine Ölgemälde anderer berühmter Meister; alles fiel bei seiner tüchtigen Praktik recht wohl und schicklich aus, aber nur zu sehr fühlte er, daß das Lob der Künstler und Kenner ihn nur trösten, aufmuntern sollte. Er sah es ja selbst, daß seinen Zeichnungen, seinen Kopien alles Leben des Originals fehle. Raffaels, Correggios himmlische Gedanken begeisterten (so glaubte er) zum eignen Schaffen, aber sowie er sie in der Fantasie festhalten wollte, verschwammen sie wie im Nebel, und alles, was er auswendig zeichnete, hatte, wie jedes nur undeutlich, verworren Gedachte, kein Regen, keine Bedeutung. Über dieses vergebliche Ringen und Streben schlich trüber Unmut in seine Seele, und oft entrann er den Freunden, um in der Gegend von Rom Baumgruppen - einzelne landschaftliche Partien heimlich zu zeichnen und zu malen. Aber auch dies geriet nicht mehr wie sonst, und zum erstenmal zweifelte er an seinem wahren Künstlerberuf. Die schönsten Hoffnungen schienen untergehn zu wollen.»Ach mein hochverehrter Freund und Lehrer«, schrieb Berthold an Birkner,»Du hast mir Großes zugetraut, aber - hier, wo es erst recht licht werden sollte in meiner Seele, bin ich inne worden, daß das, was Du wahrhaftes Künstlergenie nanntest, nur etwa Talent - äußere Fertigkeit der Hand war. Sage meinen Eltern, daß ich bald zurückkehren würde, um irgend ein Handwerk zu erlernen, das mich künftig ernähre usw.«Birkner schrieb zurück:»Oh, könnte ich doch bei Dir sein, mein Sohn! um Dich aufzurichten in Deinem Unmut. Aber glaube mir, Deine Zweifel sind es gerade, die für Dich, für Deinen Künstlerberuf sprechen. Der, welcher in stetem unwandelbaren Vertrauen auf seine Kraft immer fortzuschreiten gedenkt, ist ein blöder Tor, der sich selbst täuscht; denn ihm fehlt ja der eigentliche Impuls zum Streben, der nur in dem Gedanken der Mangelhaftigkeit ruht. Harre aus! - Bald wirst Du Dich erkräftigen, und dann ruhig, nicht durch das Urteil, durch den Rat der Freunde, die Dich zu verstehen vielleicht gar nicht imstande, gezügelt, den Weg fortwandeln, den Dir Deines Ichs eigne Natur vorgeschrieben. Ob Du Landschafter bleiben, ob Du Historienmaler werden willst, wirst Du dann selbst entscheiden können, und an keine feindliche Absonderung der Zweige eines Stammes denken.«