Zwei kamen einen Moment später heraus und schleppten mit sich einen steifen, wächsern aussehenden Körper, den Steward, der meine Kabine umgetauscht hatte.
Der Kapitän der Isle of Spain war ein taktvoller — und erbarmungsloser Mann.
Hätte ich etwas zu verbergen gehabt, so wäre ich bei ihm damit nicht durchgekommen. Ich war froh, daß ich ehrlich mit diesem bronzegesichtigen Mann reden konnte.
Ich erzählte ihm alles, angefangen von meinem erzwungenen Abgang von der Akademie, bis zum Tod meines Onkels, dem Mann im roten Hut und dem kleinen Grauen.
Ich hatte einen Blick auf den unglücklichen Steward geworfen, er war auf groteske Art steif und verbogen, und das Gas hatte sogar seine Haare gebleicht. Der Schiffsarzt nannte das Gas Lethine, und ich hatte schon davon gehört; es war absolut tödlich.
Wer auch immer hinter dem kleinen Grauen stand, er ging aufs Ganze.
Die Schiffsoffiziere handelten sofort. Als sie die ersten Worte meiner Geschichte gehört hatten, unterrichteten sie Black Camp über Radio, der kleine Graue müsse sofort festgenommen werden. Aber ich hatte meine Zweifel und meinte, der Mann ließe sich nicht leicht finden.
Unglücklicher Steward! Der Kapitän vermutete, daß er in die Kabine 334 zurückgekehrt war, weil er wissen wollte, wovor ich geflüchtet war und wofür ich sogar den doppelten Fahrpreis bezahlte. Seine Neugier war sein Verhängnis gewesen.
Endlich war die ganze Vernehmung vorbei. Der Kapitän nahm mir das Versprechen ab, daß ich bleiben sollte, wo ich war, wenn wir in Thetis ankamen, so daß die Polizei von Mari-nia mich ausfragen konnte, wenn sie das wollte, und danach konnte ich mich frei bewegen.
Ich kehrte nicht in die Kabine 334 zurück. Meine Sachen wurden in den neuen Raum gebracht, und ich hoffte inständig, daß damit die Möglichkeiten meiner unbekannten Feinde erschöpft seien.
In Seven Dome sollten wir spät nachts ankommen, aber ich war sehr müde und beschloß zu schlafen. Ich hatte einen anstrengenden Tag hinter mir. Deshalb ging ich frühzeitig in meine Kabine. Aber zum Schlafen kam ich noch nicht.
Es klopfte an meiner Tür, ich machte sie auf. Ein Steward entschuldigte sich und reichte mir einen scharlachroten Umschlag auf einem Silbertablett. »Für Sie, Mr. Eden«, sagte er. »Entschuldigen Sie bitte die Störung.«
Ich riß den Umschlag auf und las:
Sehr geehrter Mister Eden,
es tut mir leid, von Ihren Schwierigkeiten zu hören. Sie wissen vielleicht, daß Ihr Vater, Ihr Onkel und ich einmal sehr eng verbunden waren. Vielleicht kann ich Ihnen helfen.
Bitte, kommen Sie zu meiner Suite auf Deck A, wenn Sie diesen Brief erhalten haben.
Ich starrte den Brief ungläubig an, denn die Unterschrift lautete: Hallam Sperry.
11. Mein Partner, mein Feind
Hallam Sperry öffnete mir persönlich.
Das war schon etwas anderes als die kleine Kabine, die ich auf dem Deck darunter bewohnte. Es war eine richtige Suite, und ich denke, so sollte es auch sein, schließlich war die Isle of Spain einer von einem Dutzend Tiefsee-Riesen der Sperry -Linie. An den Wänden befanden sich große Fotomurale, in Drucktanks flitzten winzige Fische herum und »blühten« die merkwürdigen Blumentiere der Tiefsee; getönte Troyon-Röhren wärmten die Räume und erzeugten die Illusion von Sonnenschein.
Hallam Sperry nahm meine Hand in einen stählernen Griff. Er war ein Riese von einem Mann, so groß wie mein Onkel gewesen war, aber dunkel, während mein Onkel Stewart blond war, schwarzbärtig im Gegensatz zum rötlichen Bart Onkel Stewarts. Seine Augen waren durchdringend und forschend, tiefblau und kalt wie die Seetiefen. Aber auf seinen Lippen lag ein Lächeln, und seine Worte waren mehr als nur höflich.
»Jim Eden«, sagte er, »ich weiß eine ganze Menge über Sie, junger Mann. Ich kannte Ihren Vater und seinen Bruder sehr gut. Schlimm, das mit Stewart, aber er war ja immer tollkühn. Von meinem Jungen hörte ich über Ihr Pech auf der Akademie.«
Er bot mir einen Stuhl an. Was konnte ich zu diesem Mann sagen? Daß mein »Pech« auf der Akademie die Tat seines Sohnes war? Daß der Kampf zwischen ihm und den Edens ein öffentlicher Skandal war?
Ich sagte nichts davon. Auf der Akademie hatten wir gelernt, erst zu sprechen, wenn man wußte, was man zu sagen hatte. Möglich war ja, daß Hallam Sperry nicht ganz so schwarz war, wie man ihn zeichnete, also war es nicht fair, ihn auf der Basis von Gerüchten und alten Erinnerungen anzugreifen.
Er bot mir ein Kristallglas an mit einer blaßgrünen, starken Flüssigkeit darin. Ich nippte nur daran, dann setzte ich das Glas ab; irgendein merkwürdiges Getränk aus den Tiefen.
,,Mein alter Freund, Stewart Eden«, sagte er. ,,Oh, wir hatten natürlich unsere Meinungsverschiedenheiten, aber bewundert habe ich Ihren Onkel immer. Großer Mann. Jammerschade, daß er so abtreten mußte.«
Es war egal, was ich zur Antwort gab, er rumpelte weiter mit seinem tiefen Baß. ,,Hab' viele Jahre mit ihm gearbeitet. Mit Ihrem Vater auch. Sie werden sicher schon manche Geschichte über unsere Kämpfe gehört haben. Egal, Junge. Er ist jetzt tot. Und unsere Meinungsverschiedenheiten sind es auch. Frage: Was jetzt?«
»Verzeihung?« bat ich.
»Was jetzt für Sie«, knurrte er fast ungeduldig. »Was Sie tun wollen. Sie reisen nach Thetis. Warum?«
»Ich bin der Erbe meines Onkels, Mr. Sperry«, erwiderte ich steif. »Er hat mir alle seine Beteiligungen hinterlassen.«
»Beteiligungen!« schniefte Sperry. »Quatsch. Eine bankrotte Firma. Ein gesunkenes Schiff. Ich weiß, was diese Beteiligungen waren . . . Sie können es ja gleich wissen. Ihr Onkel hat mir Geld geschuldet. Ziemlich viel. Mehr als der Wert seines Besitzes sein kann, Junge.«
Ich rutschte unbehaglich herum. »Davon weiß ich nichts. Mr. Faulkner, Onkel Stewarts Anwalt, hat davon auch gar nichts erwähnt.«
»Natürlich nicht. Faulkner wußte es ja auch nicht.
Gentlemen's Agreement zwischen Ihrem Onkel und mir. Ich lieh ihm Geld. Ohne etwas Schriftliches. Frage: Wollen Sie das honorieren?«
Ich wollte etwas sagen, doch er redete schon weiter. »Kann im Moment zurückgestellt werden. Geschäfte haben später auch noch Zeit. Erst erzählen Sie mir was über sich selbst.« Ehe ich noch reden konnte, lachte er mich breit an. »Und trinken Sie Ihr Glas leer, Junge. Das ist ein Befehl.«
Allmählich wurde mir der Mann sympathischer. Er hatte Charme und eine harte Strenge, und die Mischung gefiel mir. Vielleicht sagte er die Wahrheit. Vielleicht waren seine bitteren Kämpfe mit meinem Vater und Onkel Stewart rein geschäftliche Auseinandersetzungen zwischen starken Männern, die miteinander rivalisierten.
Ich erzählte ihm von der Akademie und meinen Beziehungen zu seinem Sohn, Brand Sperry, von dem Ärger in Italien und meinem erzwungenen Ausscheiden. Er hörte sehr aufmerksam zu. Sogar von den Radiogrammen Faulkners erzählte ich ihm und von meinen Antworten, auch von dem Mann mit dem roten Hut und dem kleinen Grauen, der mit Lethine den Steward ermordet hatte, obwohl ich gemeint war.
Wie unvorsichtig ich doch war ...
Hallam Sperry gehörte das Schiff und alles darinnen; sicher würde er sowieso alles wissen, was darin vorging. Und ich entdeckte, daß er noch sehr viel mehr wußte.
Als ich meine Geschichte beendet hatte, nippte er an seinem See-Brandy. »Junge, das war viel Pech. Frage: Was tun Sie jetzt?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das weiß ich noch nicht genau, Sir. Erst gehe ich jetzt nach Thetis. Dann schaue ich mich um und sehe, was sich tun läßt. Über Marinia weiß ich tatsächlich noch nicht viel.«
Er lachte rumpelnd. »Hätte nie geglaubt, daß ein Eden dies zugibt! Junge, Eden Dome ist nach Ihrer Familie benannt!«