»Das weiß ich, Sir«, erwiderte ich steif. »Aber ich war ja doch noch nicht hier. Ich weiß nicht einmal, was mein Onkel in den letzten Jahren getan hat.«
Er sah mich erstaunt an. »Oh, das kann ich Ihnen schon sagen. Ich weiß alles, was in Marinia vorgeht. Besonders über Ihren Onkel Stewart wußte ich Bescheid, Junge . . . Erstens, dieser Platinplan in den Mountains of Darkness. Hat ein Jahr daran gearbeitet, aber die Ader lief aus. Dann Petroleum. Sah erst recht gut aus, aber Ihr Onkel hat das Vorkommen verkauft, weil er für etwas Geld brauchte. Und wofür? Für die Marine Mines Ltd. Jeden Nickel, auf den er die Hand legen konnte, hat er da hineingesteckt. Stewart war von jeher ein Wagehals, wissen Sie.«
»Das sagten Sie mir schon«, antwortete ich.
»Aber jetzt zurück zur Hauptfrage. In den letzten paar Jahren hab' ich Ihren Onkel besonders genau beobachtet. Schuldet mir Geld, mehr als eine halbe Million Dollar. Was wollen Sie da unternehmen?«
»Das weiß ich nicht, Sir«, gab ich kleinlaut zu. »Von Ihnen höre ich zum erstenmal davon. Ich muß erst mit Mr. Faulkner darüber sprechen.«
Zum erstenmal war sein Gesicht nun irgendwie ruhig, eigentlich seltsam; aber jetzt grinsten mich seine Augen an, und das fand ich alarmierend. »Lassen Sie sich Zeit, Junge«, riet er mir, läutete nach einem Steward und bestellte Kaffee.
»Zeit zum Schafengehen«, bemerkte er. »In ein paar Minuten lasse ich Sie schon gehen. Wollen Sie sonst noch etwas wissen, Junge?«
»Nein, ich glaube nicht, Sir«, erwiderte ich. »Aber vielleicht fällt mir noch etwas ein, das ich wissen müßte.«
Er zuckte die breiten Schultern. »Habe ich Ihnen schon etwas über Marine Mines erzählt?« wollte er wissen.
»Nun, ich weiß eine Kleinigkeit darüber. Von Mr. Faulkner.«
»Wahrscheinlich sehr wenig. Ist auch nicht viel zu erzählen. Typisches Dickkopfmodell Ihres Onkels. Die Eden-Deeps ausbeuten! Er konnte doch dem Boden nicht auf tausend Faden nahekommen, nicht einmal mit seinem eigenen Edenit. Das habe ich ihm zu sagen versucht, aber genützt hat's nichts. Er wollte keine Vernunft annehmen.«
»Das haben die Mathematiker gesagt«, erklärte ich so beißend wie nur möglich. »Als Onkel Stewart nämlich zum erstenmal seinen Edenitprozeß erklärte, behaupteten die Wissenschaftler sofort, das sei unmöglich. Mit Tatsachen und Zahlen wiesen sie nach, wie lächerlich es sei. Aber als Onkel Stewart die erste Edenbeschichtung praktisch einsetzte, redeten die Mathematiker schnell von ganz anderen Dingen.«
Sperry grinste. »Gut gesagt, Junge«, gab er zu. »Ich glaube, so etwa dachte ich auch. Er ließ sich jedenfalls nicht davon abbringen, öffnete in Seven Dome ein Büro, direkt neben den Tiefen. Er hatte einen Mann namens Westervelt oder so bei sich. Ich weiß nicht, wo er jetzt ist. Als Ihr Onkel starb, verschwand er. Ich hörte zuletzt, er verstecke sich in Kelly's Kingdom, weil er Schwierigkeiten mit dem Gesetz hatte. Mehr weiß ich nicht. Und die Marine Mines haben nie etwas erreicht. Ist nur eine Papierfirma. Mit Papiervermögen.«
Ich versuchte mein Temperament im Zaum zu halten. »Dieses Vermögen war aber für jemanden hundertsech-zigtausend Dollar wert, Papier oder nicht Papier.«
»Für wen?«
»Das weiß ich nicht«, mußte ich zugeben. »Ein Klient Faulkners.«
»Natürlich können Sie's nicht wissen, aber ich sag's Ihnen, wenn Sie's wissen wollen. Ich war's, der die hundertsechzigtausend angeboten hat, aber Sie wollten nicht. Vielleicht haben Sie mir damit sogar einen Gefallen getan. Ist's sowieso nicht wert.«
Ich starrte ihn an. »Warum . . . wie ...«
Er stand auf und lachte schallend. »Junge, Junge, Sie sind für Marinia noch etwas zu feucht hinter den Ohren. Keine Beleidigung beabsichtigt. Ich sag' Ihnen auch den Grund: Sie haben nämlich in den Mines einen Partner.«
»Nun, natürlich. Aber . . .«
»Nichts aber. Der Partner bin ich. Mir gehören zwanzig Prozent des Firmenkapitals. Den Rest sollte ich aus Profiten bekommen. Welche Profite? Wurden ja nie Profite gemacht. Aber ich konnte mir das Spiel leisten, also ging ich drauf ein. Ich habe verloren. Wenn ich aber Alleinbesitzer der Mines bin, vielleicht kann ich dann etwas damit anfangen. Ich habe in Marinia ein bißchen Einfluß, wissen Sie. Ich könnte mir den Claim vielleicht um ein paar Jahre verlängern lassen. Vielleicht kommt doch noch was dabei 'raus. Ein Spiel bleibt es trotzdem und nicht einmal sehr aussichtsreich für mich, weil ich ja nur eine Minorität habe. Verstehen Sie?«
Nein, ich verstand nichts. Aber ich war zu jung und zu stur, als daß ich das hätte zugeben können. »Ich werde lieber erst mit Mr. Faulkner sprechen, Sir. Ich bezweifle nichts von dem, was Sie sagen, Sir, aber .. .«
»Aber, aber . . .«, spöttelte er. Noch immer lachte er so kalt wie vorher. Aber nun veränderte sich abrupt seine Stimmung. Er setzte die Kaffeetasse so hart auf den Tisch, daß sie klirrte. »Nun ist's aber genug«, knurrte er. »Zeit fürs Bett. Gehen Sie in Ihre Kabine, Junge. Und schlafen Sie.«
Er läutete nach dem Steward, rieb sich die Augen und öffnete mir die Tür. »Schlafen Sie drüber, Junge«, sagte er. »Wollen Sie die Schulden Ihres Onkels bezahlen oder soviel Sie können? Nehmen Sie mein Angebot für die Anteile an, dann vergesse ich den Rest. Oder nicht? Zwingen kann ich Sie selbstverständlich nicht. Es ist ja ein Getlemen's Agreement. Aber entscheiden Sie sich.«
Ohne jede Eile stapfte er zur Tür, die in den Nebenraum führte. Der Steward verbeugte sich höflich und schloß mir die äußere Tür vor der Nase zu.
12. In Thetis Dome
Endlich dockten wir in Thetis an.
Die Isle of Spain tropfte förmlich aus der Dunkelheit in eine leuchtende, sehr flache Ebene aus blauem Schlamm. Wir ankerten auf der üblichen metallenen Plattform.
Westlich von uns lag Thetis. Die schimmernde Kuppel wölbte sich hoch in das dunkle Wasser. Östlich und nördlich lagen zerklüftete schwarze Hügel, im Süden eine Tiefe, und an ihrem Rand war ein phosphoreszierendes Tal mit seltsamen fließenden Dingern, die wie Ranken und dicken, großen Gebilden, die wie Bäume aussahen. Sie sahen wie Ranken und Bäume aus, doch ich sollte bald herausfinden, daß sie's nicht waren. Hier in dieser Tiefe gab es keine Vegetation, und die entzückenden Blüten und seilartigen Lianen waren Tiere, keine Pflanzen.
Ich ging von Bord, holte mein Gepäck ab und begab mich sofort zu Faulkners Büro.
W-17, S-469, Ebene 9 — die Adresse kannte ich auswendig. Sie hatte auf dem langen blauen Umschlag gestanden, in dem der Scheck meines Onkels angekommen war.
Vom Lift stieg ich direkt in einen großen Warteraum unter den Docks, der aus dem lebenden Felsen unter dem Meeresboden gehauen war. Er war hell mit dem kalten, violetten Troyon-Licht erleuchtet, vollgepackt mit den von Bord gegangenen Passagieren, mit Zollbeamten und vielen anderen Leuten. Mir erschien es fast unbegreiflich, daß sich vier Meilen hoch die See über uns auftürmte.
Ich fand eine Rollbahn, die in die richtige Richtung führte, und damit wurde ich sehr schnell durch einen langen Tunnel getragen. Ich fand dann die Liftreihe, die ich gesucht hatte, und bald war ich auf Ebene 9. Als ich den Lift verließ, trat ich in eine breite Straße hinaus.
Auch hier war es strahlend hell vom violetten Troyon-Licht, und viele Menschen waren unterwegs. Das war nun mein erster Blick auf eine Stadt von Marinia, und wenn ich offen bin: sehr begeistert war ich nicht. Die Leute schienen sehr grob und waren nachlässig gekleidet. Ich sah zahlreiche scharlachrot ge-kleidete Seepolizisten, die sich rasch und zielbewußt durch die Menge bewegten. Die Gebäude, die sich zu einer Höhe von einigen Dutzend Fuß erhoben, um die nächste Ebene zu stützen, waren schäbiger, als ich mir vorgestellt hatte.