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Natürlich war es nicht die Schuld Marinias selbst, und ich war mir auch klar darüber, daß dies nicht typisch sein konnte, um so mehr als ich dann die breiten, schönen. Wohnebenen zu sehen bekam, die Viertel mit den riesigen, eleganten Verwaltungsgebäuden. Ebene 9 war so etwas wie ein Niemandsland zwischen Fabrik-und Lieferviertel weiter unten und den Verwaltungsund Wohnebenen darüber.

Und Faulkners Büro lag in einer besonders unschönen Nachbarschaft.

Es war in einem Gebäude mit einer langen nach oben führenden Treppenflucht. Am Kopf dieser Treppe kam ich in einen dunklen, niederen Raum, der nach Staub und abgestandener Luft roch. Unter der einzigen Troyon-Röhre standen zwei schmutzige Stühle und ein uralter, zerschundener Tisch. Das war alles.

In einem Stuhl hinter dem Tisch lehnte ein riesiger Mann. Die Füße hatte er auf den Tisch gelegt, und die knochigen Hände waren hinter seinem struppigen Kopf verschränkt. Der Mund war offen und zeigte gelbe Zähne. Das dunkle Gesicht wies viele Narben und Falten auf. Er schnarchte laut.

Ich hüstelte. »Guten Tag«, sagte ich.

Der Mann ließ die Füße auf den Boden fallen und blinzelte mich an. »Eh?« fragte er, dann klärten sich seine Augen.

»Was wollen Sie?« fragte er verdrossen.

»Ich möchte zu Mr. Wallace Faulkner«, erklärte ich ihm.

Der große Mann schüttelte den Kopf. »Nicht da.«

»Wann wird er erwartet?«

»Weiß nicht. Kommt heute nicht mehr.«

»Es ist aber sehr wichtig, daß ich ihn sehe. Wo kann ich ihn jetzt finden?«

»Kommen Sie morgen wieder«, knurrte der Mann. »Wer sind Sie?«

»James Eden«, antwortete ich.

Ich dachte, die Augen des großen Mannes seien erstaunt größer geworden, doch er sagte nur: »Ich bestell's ihm.«

Das gefiel mir alles nicht — der Schmutz, das elende Büro, mein Eindruck von Faulkner, gewonnen aus seinen Briefen und Radiogrammen. »Sir«, versuchte ich es noch einmal, »ich muß Mr. Faulkner ganz dringend sprechen. Gibt es denn gar keine Möglichkeit, ihn heute irgendwo zu erreichen?«

»Ich hab's Ihnen doch schon gesagt, es geht nicht«, knurrte der andere. »Kommen Sie morgen. Gleich in der Frühe. Verstanden?«

Also konnte ich nur gehen, und um dies zu unterstreichen, schwang er wieder seine Füße auf den Tisch, lehnte sich zurück und machte sich daran, den unterbrochenen Schlaf fortzusetzen.

Ich verließ das Büro und ging die Treppe hinab. Auf halber Höhe blieb ich stehen, denn ich glaubte meinen Namen gehört zu haben.

Einen Augenblick blieb ich stehen und lauschte, aber ich wurde nicht gerufen, sondern ich gewann den Eindruck, daß der Große sehr nachdrücklich meinen Namen einem anderen gegenüber erwähnte.

Also kehrte ich wieder um. An der Tür hörte ich dann: » . . . Eden. Bis morgen früh dann.« Der Telefonhörer wurde auf die Gabel geknallt. Ich wartete, hörte aber nichts mehr, bis der Mann wieder zu schnarchen anfing. Jetzt schlief er, aber er hatte meinetwegen jemanden angerufen. Und das gefiel mir alles absolut gar nicht...

Wenn ich Faulkner erst am nächsten Morgen sehen konnte, hatte ich fast einen ganzen Tag Zeit, die ich verbringen konnte, wie ich wollte. Ich konnte mich in Thetis umschauen und alle Wunder der Hauptstadt von Marinia kennenlernen.

Allmählich wich die Bedrückung von mir. Einen Polizisten bat ich, mir ein Hotel zu empfehlen. Er zählte einige auf und beschrieb mir, wie ich hinkommen könnte und wo es ein Telefon gab, um mich anzumelden.

Das Telefon war in einer Kneipe. Die Gäste schienen die gleichen groben Leute zu sein, die sich in den Straßen drängten, aber ich brauchte nicht mit ihnen zu trinken. Ich fand die Telefonkabine und rief das erste Hotel an, das der Polizist mir genannt hatte.

Der Mann vom Empfang war höflich und kurz. Sie hatten ein Zimmer frei, das sie für mich reservieren wollten. In einer Stunde sollte ich da sein, sobald ich mein Gepäck abgeholt hatte.

Als ich zur Tür ging, drehte sich ein großer, magerer Mann an der Bar so schnell um und trat vor mich, daß ich nicht rasch genug reagieren konnte; ich streifte ihn etwas, und er verschüttete ein paar Tropfen von seinem Drink.

,,He, aufpassen, Mac!« knurrte er mich an.

»Entschuldigen Sie«, bat ich und wartete, bis er zur Seite trat, doch das tat er nicht. Er stellte seinen Drink ab und rückte noch näher an mich heran.

»He, du meinst wohl, der Platz gehört dir?« herrschte er mich an. »Bloß 'reinkommen zum Stänkern, was?«

Er schien einen Streit direkt zu suchen. Ich fürchte mich davor nicht, aber eine Kneipenschlägerei war nicht gerade das, womit ich meinen ersten Tag in Thetis verbringen wollte. »Entschuldigen Sie«, sagte ich. »Es war nicht meine Absicht, Sie anzurempeln. Wollen Sie mich jetzt vorbei lassen?«

Das schien er als persönliche Beleidigung zu empfinden. »Dich vorbei lassen? Ihr Landratten glaubt wohl, ihr könnt auf uns 'rumtrampeln wie ihr wollt, was? Aber da habt ihr euch getäuscht.« Er stand jetzt so nah vor mir, daß er mich berührte.

Na, gut. Es sah nach Rauferei aus. Ich trat also einen Schritt zurück, um mir Raum zu verschaffen.

,,He, Kelly, was ist da los?« hörte ich einen rumpelnden Baß fragen. »Will dir dieser kleine Junge ans Leben?«

Das war der Seepolizist, den ich um Auskunft gebeten hatte. Groß und breit stand er unter der Tür. Sein Ton klang humorvoll, aber so schaute er nicht drein. Der Magere faßte es auch nicht so auf. Schnell schätzte er die Lage ab. ,,Ah, ihr Cops geht mir auf die Nerven«, sagte er. »Warum kümmert ihr euch nicht um eure eigenen Sachen?«

Die Augen des Polizisten funkelten gefährlich. »Na, schön, mein Sohn«, sagte er. »Wenn du hier 'raus willst, dann komm mit mir.«

Ich ging an Kelly vorbei, ohne ihn anzuschauen. Der Polizist schloß hinter uns die Tür.

»Hab' mir gedacht, daß du hier Ärger kriegst. Kaum hatte ich dich zum Telefon geschickt, da dachte ich mir, Shaughnessy, sagte ich zu mir, der Junge paßt nicht in die Kneipe. Also hab' ich nachgeschaut, was los ist.«

»Vielen Dank«, sagte ich. »Allerdings glaube ich, es hätte keine großen Schwierigkeiten gegeben.«

Für mein Gepäck brauchte ich nur ein paar Minuten, und damit beladen studierte ich die Straßen- und Ebenenbezeichnungen, um den besten Weg zu meinem Hotel zu finden.

Ich hätte wohl besser jemanden gefragt, aber ich mag nicht gern, wenn ich mich selbst als unwissend hinstellen muß.

Endlich kam ich zu dem Entschluß, ich würde wohl am besten durch eine schmale Verbindungspassage gehen zu einer anderen Bank von Expreßlifts, und von dort aus konnte ich ohne Aufenthalt zum Stockwerk 18 gebracht werden, wo das Hotel lag.

Ich machte mich auf den Weg und stöhnte ein wenig unter der Last meines Gepäcks. Ich mußte zwischen Lagerhäusern durchgehen. Hier waren nur wenige Mensehen zu sehen; ich nehme an, es ist so wie auf der Erdoberfläche, daß die geschäftige Zeit bei Lagerhäusern die frühen Morgenstunden sind. Natürlich spielte vier Meilen unter der Wasseroberfläche der Tag keine besondere Rolle; er war genauso künstlich beleuchtet wie die Nacht. Mir schien nur, die Troyonlampen flackerten ein wenig heftiger als vorher und waren etwas schwächer. Die Fronten der Lagerhäuser warfen verzerrte Schatten. Einige schienen sogar lauernden Menschengestalten zu ähneln.

Und die gab es auch.

Ich fand es zu meinem Leidwesen heraus; an einer Kreuzung stellte ich meine Koffer ab, denn ich wußte nicht recht, welche Richtung ich nun einschlagen sollte. Ich hörte Schritte hinter mir, die plötzlich schneller wurden, als gehe einer zum Angriff über. Mehr aus Neugier denn aus Angst drehte ich mich um.

Zu spät. Etwas Hartes schlug an meine Schläfe — und das war für einige Zeit alles.

Als ich aufwachte, lag ich auf dem kalten, glatten Metallboden eines völlig dunklen Raumes. Meine Fußknöchel waren zusammengebunden, um die Taille hatte ich eine Schnur, und meine Handgelenke waren damit an meinen Körper gebunden. Die Knoten waren so scharf angezogen, daß mein Blut nicht mehr richtig zirkulieren konnte und meine Hände und Füße völlig taub waren.