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»Klar«, meinte mein Retter ganz selbstverständlich und musterte mich, während ich wieder zu Atem zu kommen versuchte. Er war ein großer, breiter, kohlschwarzer Neger mit freundlichen Augen, der den Kopf schüttelte, als er die Stricke an mir bemerkte. »Hm. Vielleicht bist du gar nicht zum Vergnügen geschwommen«, sagte er und grub aus seiner Hosentasche ein Messer aus.

Als das Blut wieder in meine Finger und Füße schoß, war dies ein scheußlicher, fast unerträglicher Schmerz, aber ich hätte nie gedacht, daß ich einen Schmerz so willkommen heißen könnte! Nun allmählich wagte ich an mein Glück zu glauben: ich lebte ja!

»Danke«, sagte ich noch einmal. »Du hast mir das Leben gerettet. Ich hoffe, ich kann dir das einmal vergelten.«

Er lachte leise. »Ich hoffe, das kannst du nie, mein Freund. Diese Art Vergeltung hätt' ich nicht gern. Komm, laß dir helfen.« Ich stützte mich auf ihn und hinkte ein paar Schritte dorthin, wo das Troyon-Licht lag. Es war eine kleine Röhre, und sie flackerte ziemlich schwach, als sei der Gasvorrat nahezu erschöpft. Ich sah mich um.

In der Rampe sah ich eine Nische, kaum kopfhoch und breit genug für einen Mann, um sich hineinzulegen. Ein paar abgenutzte Decken sah ich, etliche Bretter, die offensichtlich als Bett dienten, ein paar Packkisten. »Willkommen bei mir zu Hause«, sagte der Mann. »Ich heiße Gideon Park. Keine sehr elegante Wohnung, was? Aber du bist ein gerne gesehener Gast.«

»Mr. Park«, sagte ich allen Ernstes, »ich habe noch nie einen Platz gesehen, der mir besser gefallen hätte.«

Er lachte breit. »Kann ich mir denken. Aber wenn's dir nichts ausmacht, dann sag' Gideon zu mir. Den Namen bin ich besser gewöhnt. Deshalb hab ich ihn mir ja auch zugelegt. Getauft haben mich meine Leute Walter, aber wir waren elf, und da sind ihnen ordentliche Namen allmählich ausgegangen. Und wenn du's nicht vorziehst, die ganze Sache zu vergessen, dann könntest du die Neugier eines alten Mannes befriedigen. Wer hat dich denn so verschnürt?«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich wollte, das wüßte ich, Mr. . . . Gideon, meinte ich. Einer namens Kelly, und ein anderer, der Jack hieß; mehr weiß ich nicht. Sie nahmen mir alles aus den Taschen, und ich denke, daß sie auch nicht mehr von mir wollten. Warum sie aber ausgerechnet mich herausgesucht haben, werde ich wohl nie erfahren.«

Gideon runzelte die Brauen. »Gibt eine Menge Kellys hier herum. Aber der eine ist wohl ein großer, magerer Kerl mit einem scheußlichen Naturell, was?«

»Ja, genau. Kennst du den etwa?«

Gideon nickte. »Tut mir leid, daß ich das sagen muß. Ist aber eine lange Geschichte. Du kannst von Glück reden, daß du noch am Leben bist.«

Das verdaute ich recht nachdenklich. Meine Finger und Zehen fühlten sich allmählich an, als könnte ich sie doch tatsächlich eines Tages wieder benutzen. Ich versuchte aufzustehen, doch meine Knie waren wie Griesbrei; allmählich gelang es mir aber. Ich spannte meine Muskeln und übte sie. Das tat zwar erst ziemlich weh, aber gebrochen schien nichts zu sein.

Natürlich war ich tropfnaß. Gideon und ich wurden uns darüber gleichzeitig klar. Er sagte: »Zieh mal das Zeug aus, Freund, dann mach ich ein kleines Feuer. Weil du schon nicht ertrunken bist, können wir auch dafür sorgen, daß du keine Lungenentzündung kriegst.« Er zerbrach ein paar dünne Bretter über den Knien, baute sie über einer altmodischen Zeitung auf und zündete das alles an. Es rauchte in der feuchten Luft, aber bald trieb das Feuer die Nässe aus dem Brennmaterial, und die Flammen züngelten hoch. Gideon hängte meine nassen Sachen nahe ans Feuer, und ich rückte auch näher, um die Wärme zu genießen. Er begann mit einigem Zeug zu klappern. »Wenn ich schon ein Feuer mach', könnten wir auch eine Tasse Tee trinken. Tut uns beiden gut.« Er stellte Wasser zum Kochen auf und hockte sich auf die Fersen. Er lachte, weil er wohl die Neugier in meinen Augen gelesen hatte.

»Du wunderst dich wohl, in welche Geschichte du da 'reingekommen bist?« fragte er. »Meine Siedlerstelle sieht wohl ein bißchen merkwürdig aus, was?«

»Zugegeben, ich bin ein bißchen neugierig.«

Gideon nickte. »Man lebt. Da kommt allerlei Zeug geschwommen. Thetis ist ziemlich tief unten, weißt du. Der Druck ist schrecklich. Sogar durch die Felsen sickert das Wasser. Deshalb muß immer gepumpt werden. Und weil sie das Wasser sowieso 'rauspumpen, werfen sie in die Kanäle auch gleich alles, was sie nicht mehr brauchen. Das meiste ist wertloses Zeug. Andere Dinge sind Kuriositäten — so wie du.« Er grinste breit. »Aber ab und zu kommt was vorbei, das ich verkaufen kann. Das fisch' ich 'raus und leg's zur Seite, und wenn ich genug hab', mach' ich die Reise in die Wohnebenen und verhökere das Zeug. Meistens krieg' ich genug, daß ich mir was zu Essen kaufen kann, Tee und andere Sachen .. . Und dann komm' ich wieder heim in Kelly's Königreich.«

»Wieso Kelly's Königreich?« wollte ich wissen. »Hat das mit dem Kelly zu tun, von dem wir vorher geredet haben?«

Gideon zuckte die Schultern. »Die untersten Ebenen haben sie schon vor dreißig Jahren so geheißen. Der Kelly, den du kennst, war damals vielleicht noch gar nicht geboren. Ich meine, er hat sich eher nach dem Platz genannt, nicht umgekehrt. Aber Namen, mein Freund, sind Angelegenheiten der Leute. Ich hab' mir meinen auch selbst ausgesucht. Und du hast auch einen Namen. Aber weil du ihn noch nicht gesagt hast, wird kein Gentleman dich in die Verlegenheit bringen, dich . . .«

»Oh, entschuldige, Gideon«, unterbrach ich ihn. »Ich heiße James Eden.«

Jetzt verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht. »Was?« fragte er.

Ich blinzelte. »James Eden«, wiederholte ich. »Ich bin Stewart Edens Neffe. Vielleicht hast du von ihm gehört.« Er stand auf, schaute auf mich herab, und sein Gesicht war eine Maske. »James Eden«, sagte er, und dann kam lange nichts mehr.

Schließlich griff sein langer Arm zu mir herab, er packte meine Hand und zog mich auf die Füße. Ich erwartete schon einen Kampf, denn seine Miene konnte ich nicht deuten.

Aber sein Händedruck war warm und fest. »Jim, neun Jahre lang hab' ich für Stewart gearbeitet. Und lebte er noch, würd' ich jetzt noch für ihn arbeiten, wenn er mich haben wollte. Dein Onkel Stewart hat mir zweimal das Leben gerettet, und so, denke ich, sind wir für das zweite Mal quitt. Ich schulde dir nur noch eines. . .«

Das waren die ersten freundlichen Worte, die ich gehört hatte, seit ich Bob Eskow in New York verließ. Wie lange war das schon her! Die Akademie hatte mich hinausgeworfen, und mein Onkel Stewart war tot, und das ganze Tiefsee-Leben ... Ich war glücklich.

Das Wasser kochte, und Gideon brühte Tee auf. Während wir vorsichtig an der heißen Flüssigkeit nippten, erzählte er mir, was er über meinen Onkel wußte. Gideon selbst war ein Grundgeher gewesen, einer jener tollkühnen Männer, die in Tiefsee-Ausrüstung unter ungeheurem Druck durch den Bodenschlamm wateten. Er hatte für Onkel Stewart in den Mountains of Darkness geschürft, Testlöcher für Öl gebohrt, Seite an Seite mit ihm nach Perlmuscheln und den kostbarsten aller Perlen in den Kadang-Betten gesucht. Als Onkel Stewart seine anderen Holdings veräußerte, um sich auf Marine Mines Ltd. zu konzentrieren, hatte Gideon keinen anderen Job annehmen wollen. Er war hinabgegangen in Kelly's Königreich, um Schätze aus den Kanälen zu bergen und zurückzukehren, sobald Onkel Stewart ihn brauchte.

Aber Gideon wußte wenig von Marine Mines; ich fragte natürlich, aber er konnte mir nichts sagen.

Seit Onkel Stewarts Tod hatte Gideon versucht, Pläne zu machen, aber gelungen war ihm das nicht. Jeder Plan ging davon aus, daß er für meinen Onkel arbeiten wollte. Ich bot ihm sofort einen Job an mit Pflichten, die ich selbst noch nicht umreißen konnte, und einen Lohn, wie er ihn für angemessen hielt, solange mein Geld reichte.

»Du redest genauso wie dein Onkel«, brummte er. »Ich hab' ihm angeboten, daß ich keinen Lohn will, aber das wollte er nicht. Du sorgst dafür, daß wir beide zu essen haben und nicht wegen Herumtreibens mit dem Gesetz in Konflikt kommen, und mehr will ich nicht, bis wir alles schön in die Reihe gekriegt haben.«