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Wolfgang Hohlbein

Dunkel ist die Zukunft

Science Fiction Roman

Bechtermünz Verlag

CHARITY

von Wolfgang Hohlbein im Bechtermünz Verlagsprogramm:

Charity 01 - Die beste Frau der Space Force

Charity 02 - Dunkel ist die Zukunft

Charity 03 - Die Königin der Rebellen.

Charity 04 - In den Ruinen von Paris

Charity 05 - Die schlafende Armee

Charity 06 - Hölle aus Feuer und Eis

Charity 07 - Die schwarze Festung

Charity 08 - Der Spinnenkrieg

Charity 09 - Das Sterneninferno

Charity 10 - Die dunkle Seite des Mondes

Charity 11 - Überfall auf Skytown

Charity 12 - Der dritte Mond

Lizenzausgabe mit Genehmigung der

Bastei-Verlag Gustav H. Lübbe GmbH & Co. für Bechtermünz Verlag im

Weltbild Verlag GmbH, Augsburg 1997

© by Bastei-Verlag Gustav H. Lübbe GmbH & Co., Bergisch Gladbach

Umschlagmotiv: Steve Crisp/Agentur Luserke, Stuttgart Umschlaggestaltung: Adolf Bachmann, Reischach Gesamtherstellung: Ebner Ulm

Printed in Germany

ISBN 3-86047-833-8

1

Schmerz weckte sie. Es gelang ihr nicht, ihn genau zu lokalisieren; eine Milliarde kleiner, kribbelnder Tierchen mit spitzen Zähnen lief durch ihren Körper, kroch durch ihre Adern, fraß sich an ihren Nervenbahnen entlang. Dann ein einzelner Gedanke, scheinbar sinnlos: Es wird weh tun. Sehr weh. Irgend jemand hatte das einmal zu ihr gesagt, irgendwann und irgendwo, eine Million Lichtjahre in der Vergangenheit. Wann und wo und wer genau, das hatte sie vergessen. Vielleicht hatte sie es nie gewußt.

Dann eine neue Erinnerung: ein schmales Gesicht mit Augen voller Angst und Wahnsinn, ein ... Gewehr, das auf sie gerichtet und - ja, und auch abgedrückt worden war.

Gut, dachte sie. Ihre Erinnerungen kamen zurück. Noch ergaben sie keinen Sinn, und noch vermochte sie nicht zwischen echten Erinnerungen und dem zu unterscheiden, was ihr aus dem endlos langen Alptraum gefolgt sein mochte, der hinter ihr lag. Aber allein, daß sie diesen Gedanken denken konnte, bewies, daß sich die grauen Spinnweben in ihrem Kopf aufzulösen begannen.

Es wird lange dauern. Vielleicht Tage.

Sie versuchte sich zu bewegen. Es ging nicht. Nun, sie hatte Zeit.

Und vielleicht war es ohnehin klüger, zuerst in ihrem Kopf für Ordnung zu sorgen.

Mit dem Einfachsten beginnen: Sie war ... war ...

Sie konnte sich nicht einmal an ihren Namen erinnern, und es war dieser Gedanke, der sie zum ersten Mal an den Rand der Panik brachte, seit sie die Fesseln jenes todesähnlichen Schlafes abgestreift hatte, in den sie irgendwann, vor unendlich langer Zeit gesunken war. Ganz schwach glaubte sie zu wissen, daß sie sich nicht freiwillig in diesen Zustand begeben hatte und daß sie ...

Es geschah so plötzlich, daß sie aufgeschrien hätte, wäre sie nur in der Lage dazu gewesen: Eine gewaltige, zehnfingrige Insektenklaue schlug nach ihren Gedanken und zerfetzte den Schleier aus grauen Spinnweben, der sich darüber ausgebreitet hatte.

Charity erwachte.

Sie war auf der Flucht. Das Leben eines Wastelanders brachte es zwangsläufig mit sich, daß man sehr früh lernte, sich durchzuschlagen und mit Gefahren fertig zu werden. Sie kannte alle Tricks, um die Reiter von der richtigen Spur abzubringen, und genug kleine Kunstgriffe und Kniffe, selbst einen Shark zu narren.

Aber heute war ein ganzes Dutzend hinter ihr her, und sie hatte die Spuren von mindestens drei Reitern gesehen. Ihre Chancen standen, vorsichtig formuliert, nicht besonders gut. Im Moment war sie zwar in Sicherheit, aber die Felsenhöhle, in die sie sich zurückgezogen hatte, bot ihr nur für kurze Zeit Schutz. Die Sharks waren nicht dumm - und zu allem Überfluß wurde die Höhle von einer Fangspinne bewohnt, wie die zahllosen kleinen Knochenhaufen bewiesen, die unter ihren nackten Füßen knisterten. Das Tier würde nicht vor Einbruch der Dunkelheit zurückkommen, und es war fraglich, ob es einen so großen Gegner wie einen Menschen überhaupt angreifen würde; aber Net hatte weder Lust, es herauszufinden, noch ihr Nachtlager mit einer kopfgroßen, zehnbeinigen Scheußlichkeit zu teilen. Sie hatte noch eine gute Stunde, ehe sie ihre Deckung verlassen mußte. Und dann ...

Vorsichtig schob sie sich ein wenig näher an den Höhlenausgang heran und spähte zu den Bergen hinüber. Net hatte fast das Gefühl, nur die Hand ausstrecken zu müssen, um ihre Ausläufer berühren zu können. Aber sie wußte auch, wie sehr dieser Eindruck täuschte. Die klare Luft hier oben verzerrte die Entfernungen. Bis zu den ersten Hängen mußten es einige Meilen sein. Und es war fraglich, ob sie selbst dort sicher wäre - die Reiter kamen nie in die Berge, aber diese verdammten Sharks stießen in letzter Zeit immer weiter nach Süden vor.

Verdammt, was hatte sie nur falsch gemacht? Es war doch nicht das erste Mal, daß sie sich an eine Reiterkarawane herangepirscht hatte, um Lebensmittel zu stehlen! Wieso veranstalteten sie plötzlich eine Treibjagd auf sie, als hätte sie sich die goldene Klobrille des Statthalters unter den Nagel gerissen?

Sie schloß die Augen und lauschte einen Moment angestrengt.

Für eine Sekunde glaubte sie das hohe Summen eines noch weit entfernten Sharks zu hören, aber dann merkte sie, daß sie sich das Geräusch nur einbildete. Nein - wenigstens für den Moment schienen sie ihre Spur verloren zu haben.

Ihre Hand tastete nach der Waffe, die unter ihrem Kleid verborgen war. Schmerzhaft wurde ihr bewußt, daß ihr Vorrat an Springmaden auf zwei zusammengeschrumpft war und daß sie die Tiere zudem seit drei Tagen nicht gefüttert hatte. Möglicherweise funktionierte das Ding überhaupt nicht mehr. Aber das würde sie schon merken, dachte sie resignierend. Sie konnte es sich nicht leisten, einen ihrer zwei letzten Schüsse zu vergeuden, nur um sicher zu sein.

Net schob sich behutsam ganz aus der Höhle heraus, richtete sich auf und drehte sich einmal im Kreis. Das Licht hier war gnadenlos, und der fast weiße Sand der Wüste reflektierte jeden einzelnen Sonnenstrahl wie ein riesiger Spiegel. Sie hätte niemals so weit nach Norden gehen dürfen. Aber sie war nun einmal in dieser Situation, und es gab absolut niemanden, dem sie die Schuld dafür in die Schuhe schieben konnte. Sie hatte sich ganz allein hineingebracht.

Net verschob ihre sinnlosen Selbstvorwürfe auf später, sah sich noch einmal sichernd nach allen Seiten um und ging los. Sie hatte Durst, aber drüben in den Bergen würde sie genug Wasser finden.

Wenn sie es bis dorthin schaffte. Und es gab eine ganze Menge, was dagegen sprach.

Charity erwachte endgültig. Mühsam öffnete sie die Augen, starrte die kahle Betondecke fünf Meter über ihrem Kopf an und begriff, daß sich der Tank geöffnet hatte. Ihre Erinnerungen waren zurückgekehrt. Sie waren schlagartig und ohne Vorwarnung gekommen, und Charity gestand sich widerwillig ein, daß sie wohl auch der Grund für ihre Bewußtlosigkeit gewesen waren. Es war lächerlich, aber sie war wie eine hysterische alte Jungfer schlichtweg vor Schrecken in Ohnmacht gefallen, als sie begriffen hatte, wo sie war.

Sie versuchte sich zu bewegen. Jede Bewegung ihres Körpers bereitete höllische Schmerzen. Großer Gott, sie würde nie wieder laufen können, dachte sie. Selbst das Atmen bereitete ihr Mühe.

Unter Aufbietung aller Kräfte stemmte sie sich ein wenig in die Höhe, zog die Knie an und versuchte in eine Lage zu rutschen, in der sie wenigstens ihren Körper betrachten konnte.

Sie schien ihren Tiefschlaf einigermaßen überstanden zu haben, auch wenn es ihr zuerst nicht so vorkam: Das Dutzend haarfeiner Nadeln in ihrem linken Handgelenk stach wie Feuer, die Wunde in ihrem rechten Oberschenkel klopfte im Takt ihres Herzens, und ihr linker Arm versuchte ihr immer noch einzureden, daß er in Wirklichkeit in hellen Flammen stünde. Der Tank hatte wirklich hervorragend funktioniert, dachte sie griesgrämig. Er hatte nicht nur ihren Körper vor dem Altern bewahrt, sondern auch die beiden Verletzungen nicht heilen lassen.