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»Ich bin nicht ihr Feind«, sagte sie gepreßt. »Ich weiß nicht, was Ihre Tochter Ihnen erzählt hat, aber ich ...«

»Halt den Mund«, unterbrach sie der Grauhaarige. Mit einer unwilligen Geste scheuchte er sie zurück, stellte sich mit gespreizten Beinen über die beiden Gewehre und musterte abwechselnd sie und das Motorrad. Charity hatte plötzlich das Gefühl, daß es ein Fehler gewesen sein mochte, die Maschine zu stehlen. Nach allem, was sie gestern erlebt hatte, schienen die Sharks nicht unbedingt zu den beliebtesten Zeitgenossen zu gehören.

»Lassen Sie es mich erklären«, sagte sie. »Ich ...«

»Was gibt es da zu erklären?« unterbrach sie das Mädchen erregt. »Schau sie dir an! Du weißt, wer sie ist. Und sie fährt eine Maschine der Sharks.«

»Und außerdem wärst du jetzt ziemlich tot, wenn sie dir nicht geholfen hätte, du dumme Kuh«, mischte sich eine dritte, quäkende Stimme ein, die Charity vage bekannt vorkam. Verwirrt drehte sie sich herum - und sog überrascht die Luft zwischen den Zähnen ein, als sie den Zwerg mit dem riesigen Kahlkopf entdeckte, der hinter dem Mädchen aus dem Haus getreten war.

»Gurk!«

»Ihr kennt euch?« In Dads Augen blitzte es mißtrauisch auf, und Charity glaubte, schon wieder einen Fehler gemacht zu haben.

»Ja«, sagte Gurk. »Wir haben uns gestern abend gesehen - ein paar Minuten, nachdem diese Frau, der deine bescheuerte Tochter so gerne den Hals abschneiden möchte, ihr das Leben gerettet hat.«

»Sie ist eine Tiefe!« behauptete das Mädchen aufgebracht.

»Ach?« machte Gurk. »Woher weißt du das? Hast du schon einmal eine gesehen?«

»Ich ... nein«, gestand das Mädchen kleinlaut, aber nur, um eine Sekunde später wütend hinzuzufügen: »Aber ich weiß auch, wie ...«

»Du weißt gar nichts, Net«, fiel ihr Gurk ins Wort. »Ohne sie wärst du jetzt tot. Und um ein Haar hätte man sie umgebracht, weil du dich so überaus dankbar erwiesen hast. Und die Maschine«, fügte er mit einer Kopfbewegung auf die Harley hinzu, »hat sie den Sharks geklaut, nachdem sie die beiden Typen fertiggemacht hat, die dich in die Mangel genommen hatten.« Zornig wandte er sich an Dad. »Nimm endlich die Waffe herunter. Sie steht auf unserer Seite.«

Diesmal gehorchte Dad wirklich, wenn auch erst nach neuerlichem, sehr langem Zögern. Allerdings schien es mit seinem Vertrauen nicht weit her zu sein, denn er bückte sich rasch nach Charitys Waffen, hängte sie sich über die Schultern und deutete Charity dann, ins Haus zu gehen.

»Bob«, rief er dem jungen Mann zu, »bring die Maschine in den Schuppen. Und du, Net«, fügte er mit erhobener Stimme hinzu, als das Mädchen abermals etwas sagen wollte, »bist jetzt still. Wir unterhalten uns drinnen weiter.«

Net verstummte tatsächlich. Aber der Blick, den sie Charity zuwarf, sprühte förmlich vor Zorn. Charity schenkte ihr das freundlichste Lächeln, das sie im Moment zustande bringen konnte, und ging an ihr vorbei ins Haus.

Drinnen war es schattig und kühl und überraschend sauber. So heruntergekommen das Haus von außen aussah, so wohnlich war der einzige, große Raum. Offenbar hatten Dad und seine Familie von überall halbwegs brauchbare Möbel zusammengetragen, aber alles wirkte doch irgendwie geschmackvoll. Unter den zugenagelten Fenstern an der gegenüberliegenden Wand standen vier niedrige Betten, und über der Feuerstelle im Kamin, die jetzt allerdings erloschen war, war eine Art Gitterrost angebracht worden, der verriet, daß sie jetzt zum Kochen diente.

Dad deutete befehlend auf den wuchtigen Tisch, der in der Mitte des Zimmers stand. »Setz dich«, sagte er. »Hast du Hunger?«

Charity nickte, dann schüttelte sie den Kopf und setzte sich. »Nur Durst«, gestand sie.

»Das ist kein Wunder«, murmelte Dad. »Ein ziemlicher Wahnsinn, am hellen Tage mit einem Motorrad über die Ebene zu fahren. Hattest du keine Angst, einer Heuschrecke zu begegnen?«

Nein, das hatte Charity nicht - vor allem deshalb nicht, weil sie keine Ahnung hatte, worum es sich bei der Art von Heuschrecke handeln mochte, von der Dad sprach. Sie antwortete nicht.

Draußen vor dem Haus heulte der Motor der Harley auf. Eine Sekunde später erfolgte ein dumpfer Aufprall, gefolgt von einem Schwall wütender Flüche. Charity lächelte still in sich hinein.

Offensichtlich hatte Bob versucht, das Motorrad zu starten.

Dad wandte sich an das Mädchen. »Geh und sag Mom Bescheid, daß wir Besuch haben. Sie soll Essen machen.«

»Du solltest Sie umlegen«, sagte Net haßerfüllt.

»Reizend«, sagte Charity lächelnd. »Wirklich reizend, Ihre Tochter.«

Net funkelte sie noch einmal zornig an und verschwand dann ohne ein weiteres Wort, und Dad nahm auf der anderen Seite des Tisches Platz. Charitys Lasergewehr und die MP lehnte er neben sich an den Stuhl, während die eigenartige Waffe, mit der er auf sie gezielt hatte, vor ihm auf dem Tisch liegenblieb. Charity wartete darauf, daß er irgend etwas sagte, ihr Fragen stellte oder auch von sich aus zu erzählen begann, aber er schwieg weiter. Gurk, der hinter ihnen das Haus betreten hatte, zog sich scharrend einen Stuhl heran, kletterte umständlich hinauf; auch er blickte sie nur an und schwieg.

Charity begann sich immer unbehaglicher zu fühlen.

Schließlich kehrte Net zurück, aber sie war nicht allein. In ihrer Begleitung befanden sich Bob und eine vielleicht fünfzigjährige Frau mit streng zurückgekämmtem schwarzen Haar und einem scharfgeschnittenen Gesicht, die ihre Mutter sein mußte. Während die Frau zum Kamin ging und schweigend einige Scheite auf die Asche legte, nahmen Net und ihr Bruder rechts und links neben ihrem Vater Platz.

Schließlich verlor Charity die Geduld. »Wenn Sie fertig damit sind, mich anzustarren, Dad, dann können wir vielleicht reden«, sagte sie. »Ich habe nämlich ein paar Fragen an Sie.«

»Und wir an dich.« Es war Bob, der antwortete, nicht Dad.

»Okay«, sagte Charity. »Fang an.«

»Wer bist du, wenn du nicht zu den Sharks gehörst?« fragte Bob. »Und wo kommst du her?«

Charity seufzte. Eine wahrhaft intelligente Frage, aber immerhin ein Anfang. »Ich bin Captain Charity Laird«, antwortete sie. »Offizier der U.S. Space Force.«

Bobs Blick bewies ihr eindeutig, daß ihm diese Worte rein gar nichts sagten, und Dad bestätigte ihre Vermutung, indem er nachhakte: »Was soll das sein, U.S. Space Force? Und wieso hast du drei Namen?«

»Ich habe ...« begann Charity, brach mit einem Kopfschütteln ab und setzte dann in sanfterem Ton neu an. »Sie können mich einfach Charity nennen, Dad. Und die Space Force ist ...« Sie suchte nach Worten. »So etwas wie die Armee, in der ich diene.«

»Armee?« In Dads Augen funkelte es mißtrauisch, und auch Net und ihr Bruder sahen sie argwöhnisch an. »Du bist eine Kriegerin?«

»So könnte man es nennen«, sagte Charity. »Aber es ist nicht ganz richtig. Ich ... ich komme von sehr weit her.«

»Und was willst du hier?« Die Frage kam blitzschnell. Charity wußte, daß sie jetzt keine falsche Antwort geben durfte, wollte sie nicht in noch größere Schwierigkeiten geraten.

»Zuerst einmal nur Informationen«, sagte sie vorsichtig. »Ich bin völlig fremd hier. Ich weiß weder, wo ich bin, noch wer Sie sind, noch wer diese Sharks waren ...« Sie sah Net an, die peinlich berührt zusammenzuckte. »... denen ich gestern Abend begegnet bin.«

»Dann mußt du wirklich von sehr weit herkommen«, sagte Dad. »Du stellst Fragen wie jemand, der gerade vom Himmel gefallen ist.«

Das ist nicht ganz falsch, dachte Charity düster. Aber sie hütete sich, diesen Gedanken laut auszusprechen.

Dad deutete auf den Gnom, der das kurze Gespräch aufmerksam verfolgt hatte. »El Gurk behauptet, daß man dir trauen kann«, sagte er. »Aber ich weiß nicht, ob ich Gurk trauen kann.«

»Solange du mich bezahlst, schon«, sagte Gurk trocken. »Es sei denn, es kommt einer, der mehr zahlt.« Seine nachtschwarzen Augen ließen Charity erschaudern. Jetzt, da sie ihn das erste Mal im Tageslicht sah, wirkte er noch unheimlicher als in der vergangenen Nacht. Seine Augen waren tiefschwarz, als seien sie überhaupt nicht menschlich.