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»Du hast meinen Befehl verstanden?« unterbrach ihn Stone kalt.

Skudder erstarrte, aber irgend etwas in seinem Blick erlosch.

Dann nickte er. Die Bewegung wirkte abgehackt wie die einer Puppe, die an Fäden geführt wurde.

»Ja«, sagte er. »Ich habe verstanden.«

Stone nickte. Der Bildschirm wurde dunkel.

12

Charity war allein mit Skudder in dem großen, fast leeren Zimmer, das ihm als Wohn- und Schlafraum diente. Net, der Gnom und Niles waren fortgebracht worden, wohin, wußte sie nicht, und nach einer Weile war auch Raoul gegangen, nachdem er Skudder dreimal hintereinander vergeblich angesprochen und auf eine Antwort gewartet hatte. Niemand außer Charity wußte bisher von Stones Mordbefehl, aber Raoul mußte schon ziemlich dumm sein, um nicht zu spüren, daß irgend etwas passiert war, was Skudder bis ins Innerste erschüttert hatte. Sie hatten gegessen, aber kaum miteinander gesprochen, und Skudders Blick ging noch immer ins Leere. Charity las ein Entsetzen in seinen Augen, als hatte er geradewegs in die Hölle geblickt.

»Was wirst du tun?« fragte sie leise.

Skudder war bleich, als er sie ansah. Charity spürte, welche Mühe es ihn kostete, überhaupt auf ihre Frage zu reagieren.

»Das kann nicht sein Ernst sein«, murmelte er. »Er ... er kann nicht von mir verlangen, daß ich das tue.«

»O doch«, flüsterte Charity. »Er kann. Stone ist verrückt.«

Skudder schluckte mühsam. Seine Hände zitterten. »Du kennst ihn.«

»Ja«, antwortete Charity und verbesserte sich sofort: »Das heißt - nein. Ich habe ihn gekannt, aber das ist ... lange her. Der Stone, den ich gekannt habe, war ein anderer.«

»Er kommt aus der gleichen Welt wie du, nicht wahr?« fragte Skudder.

»Wir waren zusammen, als der Bunker angegriffen wurde«, erwiderte sie. »Es war seine Idee, in die Kälteschlaftanks zu gehen. Ich wollte es gar nicht. Er hat mich gezwungen.«

»Dann ist alles wahr, was der alte Mann erzählt hat?«

»Niles?« Charity nickte. »Natürlich. Die Welt war nicht immer so, wie du sie kennst.«

Sie lächelte traurig, lehnte sich auf dem unbequemen Plastikstuhl zurück und sah ihn nachdenklich an. Durch das Fenster fiel gelbes Sonnenlicht herein, und die Helligkeit ließ sein Profil scharf und überdeutlich hervortreten. Plötzlich fragte sie sich, wieso sie nicht gleich gemerkt hatte, was er war.

»Du solltest nicht für sie arbeiten, Skudder«, sagte sie. »Gerade du nicht.«

Skudder blickte sie an. »So?«

»Du bist ein Indi ... ein Hopi«, verbesserte sie sich. »Dieses Land hier hat einmal euch gehört. Es ist lange her, aber es gab eine Zeit, da hat dein Volk hier geherrscht.«

»Bis die Weißen kamen und es uns weggenommen haben, ja«, sagte Skudder heftig. »Ich kenne die Geschichten. Mein Vater hat sie mir oft genug erzählt.« Er zog eine Grimasse. »Und dann kamen die Moroni und haben es euch weggenommen. Wo ist der Unterschied?«

»Vielleicht gibt es keinen«, gestand Charity. »Aber wir waren wenigstens Menschen. Und wir sind ... Freunde geworden. Es hat lange gedauert, aber aus unseren beiden Völkern ist am Ende eines geworden.«

»So?« sagte Skudder bitter. »Ist es das? Mein Vater war da anderer Meinung.«

»Und vielleicht hatte er sogar recht«, sagte Charity. Sie war selbst ein bißchen überrascht, wie leicht ihr diese Worte von den Lippen kamen. Aber es machte ihr nichts aus, es zuzugeben.

»Vielleicht hätte es noch einmal zweihundert Jahre gedauert, bis wir uns gegenseitig akzeptiert und geachtet hätten, aber wir waren auf dem richtigen Weg.«

»Und mit Moron wird uns das nie gelingen, nicht wahr?« Skudder nickte grimmig. »Das willst du doch damit sagen, oder? Was soll ich tun? Mein Gesicht bunt anmalen und das Kriegsbeil ausgraben? Die Sharks gegen die Reiter hetzen?«

Er schüttelte heftig den Kopf. »Sie würden es nicht tun, Charity. Du kennst sie nicht. Du denkst, sie wären Barbaren, aber das sind sie nicht. Auf ihre Art sind sie so stolz und frei wie du.«

»Aber du bist ihr Führer.«

»Nur, solange ich sie gut führe«, erwiderte Skudder. »Sie gehorchen mir, weil sie mir vertrauen, Charity. Nicht, weil sie Angst vor mir haben.«

»Und du gehorchst Stone«, fügte Charity hinzu. »Weil du ihm vertraust?«

Skudder schwieg betroffen. Aber sie spürte, daß er nicht nachgeben würde - und wie konnte er auch?

»Und was wirst du tun?« fragte sie schließlich. »Was tust du, wenn Stone kommt und sieht, daß du seinen Befehl mißachtet hast?«

»Wer sagt dir, daß ich es tue?« fragte Skudder unsicher.

»Ich«, erwiderte Charity überzeugt. »Du kannst mir nichts vormachen, Skudder. Ich weiß nicht, wie du hierher gekommen bist und was du bei diesen ... diesen Sharks suchst, aber ich weiß, daß du kein Mörder bist. Du kannst keine vierhundert Menschen umbringen.«

Skudder schwieg. Seine Fingernägel kratzten nervös über die Tischplatte. Er schien es nicht einmal zu merken. Sie hatte recht gehabt, dachte Charity - etwas geschah mit Skudder. Daniel hatte ihn vor eine Entscheidung gestellt, die er nicht fällen konnte.

»Warum bist du hier?« flüsterte er plötzlich. Charity wollte antworten, aber dann begriff sie, daß es gar keine Frage war. »Verdammt, warum konntest du nicht bleiben, wo du warst? Alles war gut, bevor du aufgetaucht bist!«

»Das war es nicht«, widersprach Charity. »Du hast es nur nicht gemerkt.«

Für zehn, zwanzig endlose Sekunden starrte Skudder sie nur an, und sie spürte, daß ihre Worte irgend etwas in ihm auslösten; wie die letzte, winzige Schneeflocke, die die Lawine ins Rollen brachte.

Plötzlich stand er auf, wandte sich um und klatschte laut in die Hände. Die Tür hinter Charitys Rücken öffnete sich, und Raoul kam herein.

»Bring Niles hierher«, sagte Skudder, »und diesen Mark. Außerdem den Zwerg und die Wastelanderin. Schnell!«

»Was hast du vor?« fragte Charity, nachdem Raoul wieder gegangen war.

Skudder blickte sie beinahe haßerfüllt an. »Etwas, das dich sehr freuen wird«, sagte er zornig. »Ich begehe Selbstmord.«

Es dauerte eine halbe Stunde, bis Niles, Mark, Gurk und Net gebracht wurden. Skudder schickte die Männer, die sie begleitet hatten, wieder hinaus, winkte aber ab, als sich Raoul ihnen anschließen wollte, und deutete ihm mit einer Geste, sich ebenfalls zu setzen. Auch Skudder nahm Platz, und für eine Weile breitete sich eine unbehagliche Stille im Raum aus. Schließlich wandte er sich an Gurk.

»Ich müßte dich eigentlich töten, du Zwerg«, sagte er. »Du hast einen meiner Männer umgebracht.«

Gurk zog eine Grimasse. »Niemand tötet Abn El Gurk«, behauptete er. »Ihr braucht mich.«

»Die Welt würde nicht untergehen ohne dich«, antwortete Skudder. Er hob unwillig die Hand, als Gurk widersprechen wollte. »Aber du hast recht - vielleicht brauche ich dich wirklich noch. Wenigstens im Moment. Kannst du vierhundert Leute über die Ebene führen ...«

»Kein Problem«, sagte Gurk, und Skudder fuhr ungerührt fort:

»... ohne daß die Reiter es merken?«

Gurk riß die Augen auf und starrte ihn an und auch Mark und Niles tauschten überraschte Blicke. Nur in Nets Augen glomm so etwas wie Verachtung auf.

»Warum?« fragte Mark mißtrauisch.

»Weil Sie verschwinden müssen«, antwortete Skudder, ohne ihn anzusehen. »Sie und Ihre Leute.«

»Vielleicht meint er das wortwörtlich«, sagte Net. »Glaubt ihm nicht. Das ist ein Trick. Wahrscheinlich bringen sie euch in die Wüste, um euch dort in aller Ruhe zu erledigen.«

»Was soll das heißen - verschwinden?« fragte Niles. »Sie lassen uns ... gehen?«

Skudder lachte abfällig. »Was haben Sie gedacht, alter Mann?« fragte er. »Ihr seid mehr als wir. Glauben Sie, wir hätten Lust und Zeit, uns um vierhundert Gefangene zu kümmern? Ihr müßt weg, und zwar so schnell wie möglich. Und so weit wie möglich.«