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Und im gleichen Moment, in dem er sie berührte, wußte sie es.

Plötzlich begriff sie, warum sie sich in seiner Nähe stets so unwohl gefühlt hatte und warum er den Lasertreffer so ungerührt hingenommen hatte - und ebenso plötzlich wußte sie auch, daß es nicht nur die Reiter und die vierarmigen Insektenkrieger waren, deren Nähe sie innerlich zu Eis erstarren ließ.

»Niles sagte die Wahrheit«, sagte sie ruhig. »Und Raoul weiß das auch ganz genau.« Sie sah Skudder an. »Er gehört nämlich zu ihnen.«

Plötzlich ging alles unglaublich schnell. Skudder fuhr herum und starrte seinen Stellvertreter aus ungläubig aufgerissenen Augen an, während Raoul zurücksprang, gegen die Libelle prallte und blitzschnell unter seine Jacke griff. In seiner Hand lag plötzlich eine kleine, silberglänzende Waffe.

Skudder ließ sich zur Seite fallen, versetzte Charity einen Stoß, der sie in die entgegengesetzte Richtung taumeln ließ, und griff gleichzeitig nach dem Beil, das an seinem Gürtel hing. Raouls Waffe stieß einen fingerdicken, blendendweißen Blitz aus, aber der Energiestrahl verfehlte Skudder und traf einen der hinter ihm stehenden Sharks. Der Mann flammte auf wie eine Fackel und zerfiel in Sekundenbruchteilen zu Asche, aber Raoul kam nicht dazu, noch einmal zu schießen.

Skudders Beil traf seinen Schädel und spaltete ihn.

Charity vergaß den Anblick nie mehr im Leben. Raoul prallte zurück und ließ die Waffe fallen. Ein hoher, pfeifender Ton drang aus seiner Brust, während sein Kopf auseinanderklappte, entlang einer sauberen, rasiermesserscharf gezogenen Linie, nicht wie eine Wunde, sondern so, als bestünde sein Körper aus zwei Kunststoffhälften, die sich jetzt trennten.

Und darunter kam der wirkliche Raoul zum Vorschein.

Das Wesen war nur halb so groß wie ein Mensch und von nachtschwarzer Farbe. Sein Körper war fast formlos, ein zuckendes, pulsierendes Etwas, das in ein Dutzend unterschiedlich großer Segmente aufgeteilt war und über ein Dutzend spinnendürrer Glieder verfügte. Faustgroße, unendlich böse Augen starrten Skudder und Charity an.

Und das Wesen war keineswegs tot oder verletzt. Langsam, mit spinnenartigen, abrupten Bewegungen, kroch es aus der Raoul-Maske heraus, richtete sich zitternd auf und tastete mit zweien seiner zahllosen Arme nach seiner Waffe.

Es erreichte sie nie.

Hinter Charity erscholl plötzlich ein gellender Schrei, und dann stürzte eine große, dunkelhäutige Gestalt an ihr und Skudder vorbei und warf sich mit weit ausgebreiteten Armen auf das Ungeheuer.

Das Wesen, das aus Raoul herausgekrochen war, wirbelte blitzschnell herum. Aber es hatte keine Chance. Niles begrub es einfach unter sich. Das Spinnending bekam seine Waffe zu fassen und versuchte sie hochzureißen, aber trotz seines Alters war Niles noch immer ein Mensch, mehr als doppelt so groß wie das Ungeheuer und viermal so schwer. Seine Hand packte den Arm des Insektenwesens und brach ihn einfach durch; gleichzeitig hämmerte seine andere Faust immer wieder in das flache Gesicht des Monsters.

Plötzlich ertönte ein schriller, unglaublich lauter Schrei. Charity sah, wie zwei der Reiterkreaturen herumfuhren und der Vierarmige im Nacken der Libelle mit gleich drei Händen nach seinen Waffen griff.

Aber er führte die Bewegung nie zu Ende. Mit einem mal ragte der zitternde Griff eines Messers aus seiner Brust. Ein Schuß krachte, dann ein zweiter, und der schwarze Chitinpanzer R'hens zerbarst splitternd.

Dann brach auf der schmalen Straße im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle los. Plötzlich waren überall Schreie und Schüsse und rennende Gestalten, und zwei, drei weitere Vierarmige kippten von den Rücken ihrer gigantischen Reittiere. Skudder schrie wütend auf, nahm Anlauf und riß einen weiteren Insektenkrieger vom Rücken seines Reiters. Aneinandergeklammert fielen sie zu Boden und verschwanden unter der Menge der heranbrandenden Sharks.

Der letzte überlebende Streiter R'hens riß sein Tier herum, zog gleichzeitig seine Waffe und begann ziellos in die Menge zu feuern.

Der Käfer machte einen gigantischen Satz nach vorne, rannte fast ein Dutzend Sharks einfach über den Haufen und packte mit seinen schrecklichen Scheren zu. Charity hörte einen gellenden Todesschrei, der selbst den Lärm des Kampfes für einen Moment übertönte, dann krachten wieder Schüsse, und der Vierarmige sackte reglos vom Rücken seines Tieres.

Aber der Kampf war noch nicht vorbei. Die gigantischen Käfer gerieten in Panik - und sie waren mindestens ebenso schreckliche Gegner wie ihre Reiter! Charity sah, wie eines der Tiere in blinder Angst einfach losstürmte und die Fassade eines Hauses durchbrach.

Das Gebäude kippte über ihm zusammen und begrub auch mehr als ein Dutzend Sharks unter sich.

Charity begriff plötzlich, daß auch sie keineswegs außer Gefahr war. Sie besaß keine Waffe - und die Riesenlibelle vor ihr begann zu toben! Mit einem schrillen, ungeheuer lauten Pfeifen richtete sie sich auf, versuchte die Flügel zu spreizen und sich in die Höhe zu katapultieren. Ihr fürchterlicher Schwanz peitschte; der mannslange Stachel daran tötete in einer einzigen, wuchtigen Bewegung vier, fünf Sharks, und die so zerbrechlich aussehenden Flügel fegten ein halbes Dutzend weiterer Männer einfach von den Füßen. Auch Charity sah einen riesigen Schatten auf sich zu rasen, warf sich instinktiv zu Boden und hörte einen Schrei, als der Libellenflügel einen der Männer hinter ihr traf wie ein gläsernes Schwert.

Ganze Salven von Schüssen wurden abgefeuert. Eines der riesigen Regenbogenaugen der Libelle erlosch, kleine, runde Löcher entstanden in ihrem schimmernden Panzer, aber der Schmerz trieb das Ungeheuer eher noch mehr zur Raserei. Verzweifelt versuchte es sich abzustoßen, fuhr wieder herum und schnappte in blinder Wut nach allem, was sich in seiner Nähe bewegte. Seine fürchterlichen Mandibeln zuckten wie eine gigantische, zweifingrige Hornklaue auf Charity herab.

»Laird! Zur Seite!«

Charity reagierte instinktiv, als sie den Schrei hörte. Blitzschnell rollte sie herum, krümmte sich und schlug schützend die Arme über dem Gesicht zusammen.

Ein fingerdicker Strahl aus blutrotem Licht jagte einen halben Meter an ihr vorbei, traf den Chitinpanzer der Libelle dicht hinter dem Kopf und brannte ein kaum münzgroßes Loch hinein. Das Ungeheuer kreischte, bäumte sich auf die beiden hinteren Beinpaare auf - und explodierte regelrecht, als sich die gesamte Energie des Laserstrahlers in seinem Körper entlud.

Das letzte, was sie halbwegs bewußt mitbekam, war der Anblick Abn El Gurks, der unter der Tür von Skudders Haus stand, Charitys Lasergewehr in den viel zu kleinen Händen hielt und in aller Seelenruhe auf ein weiteres Rieseninsekt anlegte.

Sie konnte nicht länger als ein paar Sekunden bewußtlos gewesen sein, denn als sie wieder zu sich kam, war zwar der Kampf vorbei, aber immer noch erfüllten Stöhnen und Wehklagen die Luft. Charity richtete sich auf. Ihr wurde schwindelig, und der pochende Schmerz in ihrem Hinterkopf wurde übermächtig, aber sie kämpfte dagegen an und stemmte sich vollends in die Höhe. Sie blinzelte ein paarmal und strich sich mit der Hand über das Gesicht, um die Benommenheit zu vertreiben, erst dann schaute sie sich um.

Der Anblick war furchtbar. Die gigantischen Käfer und die Riesenlibelle waren so tot wie ihre Reiter, aber die Sharks hatten einen schrecklichen Preis für ihren Sieg bezahlen müssen.

Die Straße war gesäumt von Toten - es mußten weit mehr als ein Dutzend sein - und auch von den anderen Sharks war kaum einer ohne Blessuren davongekommen. Viele der Verletzten hatten so schlimme Wunden erlitten, daß man kein Arzt sein mußte, um zu erkennen, daß sie die nächsten Stunden nicht überleben würden.

Ein Stück entfernt entdeckte sie Skudder, der voller Abscheu auf die Überreste der Kreatur starrte, die einmal Raoul gewesen war.

Langsam wandte er den Kopf. Sein Blick flackerte unstet, und ein abgrundtiefes Grauen spiegelte sich in seinen Augen.