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Diesmal erfüllte Skudder ihm seinen Wunsch. Aus einem Meter Höhe stürzte Gurk zu Boden, rappelte sich mit einem Fluch auf und rieb sich sein Hinterteil.

Skudder grinste, aber das Mißtrauen war noch nicht ganz aus seinem Gesicht gewichen. »Du denkst für meinen Geschmack ein bißchen zuviel, Zwerg«, sagte er. »Das kann manchmal ungesund sein. Und du weißt immer etwas mehr, als gut für dich ist.«

»Laßt das jetzt«, mischte sich Charity unwirsch ein. »Das ist kaum der richtige Moment zum Streiten. Gurk hat recht. Wir sollten sehen, daß wir von hier wegkommen.«

»Von wir war nie die Rede.«

Skudders Worte kamen so rasch und scheinbar beiläufig, daß ihr erst nach ein paar Sekunden klarwurde, daß der mit dem wir nicht nur sich und seine Leute meinte. »Du gehst ein bißchen zu selbstverständlich davon aus, daß ich dich freilasse«, fügte er hinzu. »Was soll ich Daniel erzählen? Daß wir dich versehentlich auch umgebracht und verbrannt haben? Oder daß du uns erneut entkommen bist?«

»Du wirst ihm gar nichts sagen«, antwortete Charity. »Weil es keinen Sinn hat, länger Theater zu spielen. Daniel wird deinen Bluff in jedem Fall durchschauen, ob du mich auslieferst oder nicht. Vielleicht weiß er schon längst, was hier passiert ist, und wenn nicht, wird er spätestens dann mißtrauisch werden, wenn er von Raouls Tod erfährt. Er wird sich an dir und deinen Männern rächen. Ihr könnt nicht hierbleiben.«

Einer der Sharks kam heran und wechselte leise ein paar Worte mit Skudder. Der Hopi zögerte und überlegte einen Moment, dann schüttelte er den Kopf und scheuchte den Mann mit einer unwilligen Handbewegung fort, bevor er sich wieder an Charity wandte. »Ich hätte dich erschießen sollen, als ich dich zum ersten Mal sah, das hätte mir einiges erspart. Jetzt ist es leider zu spät«, murmelte er.

»Also schön, was sollen wir deiner Meinung nach jetzt tun?«

Charity deutete auf Mark. »Er und seine Leute werden sterben, wenn du sie zu Fuß in die Ebene hinausschickst. Dann kannst du sie auch gleich hier umbringen. Der einzige halbwegs sichere Unterschlupf ist der Bunker. Laß sie mit den Lastwagen nach SS Nulleins zurückbringen, dann haben sie eine Chance.«

»Daniel weiß von dem Bunker.«

»Das wußte er schon immer«, antwortete Charity. »Verdammt, er war drinnen, genau wie ich. Aber Raoul war der einzige, der den Eingang kannte. Ich weiß, es ist gefährlich, aber es ist eine Chance. Und nicht nur für sie. Auch für euch. Ihr solltet euch ihnen anschließen.«

»Und ebenfalls zu Tiefen werden?« Skudder lachte bitter. »Uns unter der Erde verkriechen und darauf warten, daß Daniel uns findet oder daß ein Wunder geschieht? Du weißt, daß wir so nicht leben könnten. Wir würden durchdrehen.«

»Es wäre nur für ein paar Tage; so lange bis die Wogen sich wieder geglättet hätten. Daniel dürfte Wichtigeres zu tun haben, als wochenlang nach euch zu suchen. Es ist eure einzige Chance.«

Skudder schwieg lange Zeit. Er scharrte mit den Füßen im Sand, und obwohl sein Gesicht unbewegt blieb, ahnte sie, was jetzt in ihm vorging. Von seiner Entscheidung hing das Leben von fast siebenhundert Menschen ab. Ihr fielen Dutzende weitere Argumente ein, die für ihren Vorschlag sprachen und bislang unerwähnt geblieben waren, doch sie wußte auch, daß Skudder jedes dieser Argumente selbst kannte, und so schwieg sie, weil jedes weitere Wort überflüssig gewesen wäre.

»Nein«, sagte er schließlich in einem Tonfall, der zeigte, daß seine Entscheidung endgültig war. »Ich werde Mark und die anderen zum Bunker zurückfahren lassen, aber wir bleiben hier. Wir würden jede Selbstachtung verlieren, wenn wir uns wie Tiere unter der Erde verkriechen würden. Ganz abgesehen davon, daß meine Männer mir nicht gehorchen würden, wenn ich einen solchen Befehl gäbe.«

Gurk schüttelte resignierend den Kopf. Mark schaute Skudder noch einen Moment verständnislos an, dann zuckte er mit den Schultern, drehte sich abrupt um und eilte mit einem gemurmelten: »Wie Sie meinen!« davon.

»Was ist mit euch?« fragte Skudder. »Ihr könnt euch ihnen meinetwegen anschließen, aber ihr könnt auch hierbleiben, wenn ihr wollt.«

»Was ich will«, sagte Charity gedehnt, »ist Stone. Aber nicht hier und nicht jetzt. Er ist nicht so unbesiegbar, wie er euch glauben macht, Skudder. Wenn ich Ort und Zeit bestimmen kann, habe ich eine Chance, ihn zu schlagen.«

Skudder lächelte. »Wenn man dir so zuhört«, murmelte er, »könnte man fast glauben, daß du es wirklich schaffst. Aber du wirst Hilfe dabei brauchen.«

Es dauerte eine Weile, bis Charity begriff, was Skudder überhaupt meinte. »Du willst ...«

»Dich begleiten, ja«, unterbrach sie der Shark.

»Und ich ebenfalls«, schloß sich ihm Gurk an. »Ihr seid zwar alle verrückt, aber wenigstens ist es in eurer Nähe nie langweilig.«

Auf der riesigen Sitzbank der Harley-Davidson wirkte Gurks Gestalt schlichtweg lächerlich, verloren wie ein Kind, das es sich im Sessel eines Riesen bequem gemacht hatte und jetzt nicht so richtig wußte, was es dort überhaupt sollte. Er grinste zwar, aber dieses Grinsen war nicht echt, und man sah ihm an, wie unwohl er sich in seiner Haut fühlte.

Charity warf ihm ein aufmunterndes Lächeln zu, drehte sich zu ihrer eigenen Maschine um und wartete, bis Net Platz genommen hatte, ehe sie zu ihr stieg. Automatisch streckte sie die Hand nach dem Zündknopf aus, führte die Bewegung aber nicht zu Ende. Es kam auf eine Minute nicht mehr an. Sehr müde schaute sie auf, sah sich um und blickte schließlich der ganz in schwarz gekleideten, breitschultrigen Gestalt entgegen, die den Platz überquerte und sich ihnen näherte.

Es war ein fast unheimlicher Anblick. Eines der Häuser brannte noch immer, und die Flammen schienen Skudders schwarze Ledermontur mit flüssigem Blut zu übergießen. Mehr denn je erinnerte er Charity jetzt an einen Indianer - und nicht nur wegen des archaischen Bogens, den er neben dem Lasergewehr über dem Rücken trug. Sie hatte selten einen Mann gesehen, der so ... ja, so stolz wirkte wie er; trotz allem, was während der letzten Stunden geschehen war.

»Seid ihr soweit?« fragte Skudder, nachdem er herangekommen war.

Charity nickte, aber sie antwortete nicht gleich. Wieder glitt ihr Blick über die Straße, und wieder schauderte sie, als sie das Schlachtfeld sah. Skudders Leute hatten die Toten und Verwundeten fortgeschafft, aber sie wußte, daß es entsetzlich viele gewesen waren.

»Es tut mir leid«, sagte sie unvermittelt.

Skudder lächelte sanft. »Das muß es nicht. Wir hätten nicht anders gehandelt, wenn du nicht gekommen wärst.«

Charity glaubte ihm. Aber das änderte nichts daran, daß sie sich die Schuld an allem gab.

»Daniel hat einen Fehler gemacht«, fuhr Skudder fort. »Er hat geglaubt, wir wären seine Sklaven, wie diese Insektenkreaturen. Aber das sind wir nicht. Ein Shark gehorcht niemandem, außer sich selbst. Raoul hätte das wissen müssen. Er hat lange genug unter uns gelebt.«

»Und was werden sie jetzt tun?« fragte Charity.

Diesmal dauerte es eine Weile, bis Skudder antwortete. »Ich weiß es nicht«, gestand er. »Erst einmal verschwinden, denke ich. Ein paar werden sich Mark und seinen Tiefen anschließen, und die anderen ...« Er zuckte mit den Schultern. »Bart und ein paar von den Jungs haben gefragt, ob sie uns begleiten dürfen. Ich habe nichts dagegen. Du?«

Charity schüttelte den Kopf. Skudder verwirrte sie. Er machte nicht den Eindruck eines Mannes auf sie, der alles verloren hatte.

»Natürlich nicht«, sagte sie hastig. »Skudder ...?«

»Ja?«

»Du ... mußt nicht mitkommen«, sagte sie. Plötzlich fiel es ihr schwer zu sprechen. »Net und ich kommen schon allein durch.«