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Sie traf. Der Shark schrie, dann wurde aus seinem Schrei ein irrsinnig hohes, schauerliches Kreischen, und im gleichen Moment prallte er gegen sie. Net versuchte noch zur Seite zu springen, aber es war zu spät. Der Shark starb sofort, aber er riß sie von den Füßen und begrub sie noch im Fallen unter sich. Net schrie auf, rollte sich herum und versuchte den schweren Körper von sich herunterzustemmen. Plötzlich war sie über und über mit Blut besudelt. Ein Gefühl unbeschreiblichen Ekels durchflutete sie.

Dann waren die beiden anderen über ihr. Einer riß den Körper seines toten Kameraden von ihr, der andere packte ihren Arm und zerrte sie so grob auf die Füße, daß sie abermals vor Schmerz aufschrie. Eine Hand aus schwarzem Leder schlug ihr ins Gesicht, und der Schmerz raubte ihr fast das Bewußtsein.

Als sich die blutigen Schleier von ihrem Blick hoben, schwebte das schwarze Ledergesicht des Sharks vor ihr. In seinen Augen glomm die pure Mordlust.

»Miststück!« sagte er und schlug sie wieder. Diesmal gelang es Net, den Kopf ein wenig zur Seite zu drehen, so daß sie dem Hieb die allergrößte Wucht nahm. Trotzdem stöhnte sie erneut vor Schmerz.

»Worauf wartest du?« fragte der Shark, der sie gepackt hatte. »Schneid ihr die Kehle durch!«

Die Hand des anderen zuckte zum Gürtel, wo er ein Messer trug, aber dann glitt sie wieder zurück. »Ich habe eine bessere Idee«, sagte er kopfschüttelnd.

»Dafür ist keine Zeit«, entgegnete der andere. »Verdammt, wir können morgen so viele Weiber haben, wie wir wollen, aber wenn Skudder hört, was hier passiert ist, dann ...«

»Das muß er ja nicht, oder?« unterbrach ihn der Shark. »Außerdem meine ich nicht, was du denkst. Nein, die Kleine soll bezahlen. Aber mit einem Messer wäre die Sache zu einfach.« Er lachte böse, drehte sich herum und nahm die Waffe auf, die Net beim Sturz aus der Hand gefallen war. »Sie soll auf die gleiche Weise krepieren wie Den. Laß sie los!«

Der Mann hinter ihr sprang fast erschrocken zur Seite, und Net taumelte. Sie fiel auf die Knie, blieb einen Moment reglos hocken und stand wieder auf. Die Mündung ihrer eigenen Waffe deutete drohend auf ihr Gesicht.

»Na?« sagte der Shark. »Willst du nicht winseln, Kleines?«

»Nein«, antwortete Net. Und sprang auf ihn zu. Der Abzug der leergeschossenen Waffe klickte zweimal rasch hintereinander, und die Augen hinter der schwarzen Ledermaske weiteten sich erstaunt, als der Shark begriff, daß er nur noch ein nutzloses Stück Holz in der Hand hielt. Net ließ ihm keine Zeit, seine eigene Waffe zu ergreifen, sondern trat mit aller Gewalt zu. An eine Stelle, an der auch Sharks besonders empfindlich waren.

Der Shark keuchte, ließ die Waffe fallen und krümmte sich. Ganz langsam und ohne einen Laut sackte er auf die Knie. Eine halbe Sekunde später kippte er nach hinten, als Net ihm das rechte Knie ins Gesicht rammte.

Und damit endete ihre Glückssträhne. Sie hörte ein Geräusch hinter sich, fuhr blitzschnell herum - und sah gerade noch die Faust des dritten Sharks auf ihr Gesicht zurasen.

Der Schlag riß sie von den Beinen. Sie stöhnte, hob schützend die Hände über das Gesicht und krümmte sich voller Qual, als der Shark ihr in die Seite trat. Sie wußte, daß er sie totprügeln würde.

Aber plötzlich ertönte hinter ihr ein helles, metallisches Klicken.

»Aufhören!« sagte eine scharfe Stimme.

Der Shark hielt tatsächlich für einen Moment verblüfft inne.

Verwirrt richtete er sich auf, sah sich wild um - und holte zu einem weiteren Tritt aus.

Ein Schuß krachte. Net sah eine handlange, orangerote Feuerzunge aus den Schatten neben sich brechen, und fast im gleichen Sekundenbruchteil spritzte der Sand zwischen den Füßen des Sharks auf.

»Aufhören, habe ich gesagt«, fuhr die Stimme fort. »Oder bist zu schwerhörig, Freund?«

Schritte. Net stemmte sich mühsam auf die Ellbogen hoch, drehte stöhnend den Kopf - und unterdrückte im letzten Moment einen verzweifelten Aufschrei.

Eine große, sehr schlanke Gestalt war aus der Dunkelheit getreten. In der Hand hielt sie ein sonderbar kurzläufiges Gewehr, dessen Mündung drohend auf den Shark gerichtet war.

Aber das war es nicht, was Net fast zur Verzweiflung trieb. Was sie bis ins Mark erschreckte, war die sonderbare Kleidung der Fremden und der sonderbar blasse, fast weiße Teint, der selbst im Feuerschein deutlich zu erkennen war.

Die Götter spielten wirklich ein grausames Spiel mit ihr, dachte sie bitter. Vielleicht würde der Shark ihr nichts mehr tun, aber wenn, dann hatte sie den Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben.

Vor ihr stand eine Tiefe!

2

Es war ein 10 000-Volt-Elektroschock, der ihre Seele traf und irgend etwas darin auslöschte. Sie hatte geglaubt, auf alles vorbereitet gewesen zu sein, und tatsächlich hatte sie sich bemüht, sich alle nur denkbaren Szenarien auszumalen, während sie den Hang hinaufgeklettert war.

Der Weg war schwierig gewesen, aber nichtsdestotrotz der einzige, der ihr sinnvoll erschien. Der Canyon, an dessen Ende das riesige Hangartor lag, war mehrere Meilen lang, und er führte praktisch nirgendwohin, außer zu einer kleinen, kahlen Ebene. Aber sie mußte in die entgegengesetzte Richtung, nach Süden, über den Rücken des Berges hinweg, unter dem sich die Bunkerstation befand.

Und jetzt wünschte sie sich fast, es nicht getan zu haben.

Fassungslos starrte Charity auf das Land, das sich im letzten Tageslicht unter ihr ausbreitete. Früher, vor ein paar Ewigkeiten, war diese Gegend eine der fruchtbarsten der Vereinigten Staaten gewesen, aber jetzt ...

Sie hatte alle denkbaren Möglichkeiten durchgespielt, hatte auch an eine radioaktiv verstrahlte Kraterlandschaft gedacht, aber diese trostlose, braune Ebene, die sich ohne Unterbrechung bis zum Horizont erstreckte, hatte sie sich nicht vorstellen können. Auf dieser verbrannten Erde wuchs nichts mehr; hier und da entdeckte sie häßliche, schwarze Flecken, wo die Erde zu Glas geworden und anschließend geborsten war. Obwohl es bereits dunkelte und die Temperaturen rasch fielen - es mußte Herbst sein, dachte sie automatisch, vielleicht sogar schon Winter -, spürte sie die Hitze, die tagsüber dieses Land zu einem Glutofen machte. Großer Gott, was war hier passiert?!

Und plötzlich erinnerte sie sich. An das weißblaue Sonnenfeuer, das immer und immer wieder im Norden aufgeflammt war, an das Grollen und Zittern der Erde, den Brandgeruch, der in der Luft gehangen hatte, und an die brodelnden Pilze aus Flammen und Glut, die die Nacht verschlungen hatten. Mit einiger Verspätung und einem gehörigen Schrecken kam sie auf die Idee, auf ihren Geigerzähler zu sehen. Die Nadel schlug ganz leicht aus; die Radioaktivität war erhöht, aber sie lag nicht im gefährlichen Bereich.

Entweder waren die Bomben sehr viel weiter im Norden gefallen, als sie angenommen hatte - oder es war alles sehr lange her.

Sie steckte den Geigerzähler wieder ein, drehte sich einmal im Kreis und beschloß, den Weg weiterzugehen, den sie einmal eingeschlagen hatte. Die Berge sahen aus, wie sie seit zwei- oder dreihundert Millionen Jahren aussahen, aber aufs Geratewohl einfach ins Gebirge hineinzumarschieren, erschien ihr wenig sinnvoll.

Charity hatte noch nicht einmal zwei Schritte gemacht, als sie das Feuer sah.

Es brannte auf halber Höhe des Berges, nicht sehr weit vom ehemaligen Bunkereingang entfernt. Sie erkannte plötzlich das grelle Licht von Scheinwerfern; drei, vier, dann fünf, die eine Weile wie betrunkene Leuchtkäfer um das Feuer herumtanzten und dann den Berg hinunterzutorkeln begannen. Es gab also noch Leben hier.

Jemand oder etwas, der jemanden oder etwas suchte, dacht Charity spöttisch. Eine wahrhaft umfassende Lagebeschreibung; aber die einzige, die sie hatte. Seufzend setzte sie sich in Bewegung.

Der Weg den Berg hinauf war schwierig. Sie spürte das Gewicht ihrer Ausrüstung und geriet bald außer Atem. Sie war noch lange nicht wieder in Form. Es wurde dunkel, lange bevor sie das Feuer erreichte, und es war seine sehr sonderbare Nacht: anders als alle, die Charity zuvor erlebt hatte. Der Himmel war unheimlich klar, und die Sterne strahlten ihr fahles Licht auf die Erde herab. Es war sehr still, als wäre alles Leben aus diesem Teil der Berge geflohen.