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Sie begann sich vorsichtiger zu bewegen, als sie dem Feuer näher kam. Der Wind trug Stimmen zu ihr heran; also mußten auf dieser öden Welt noch Menschen leben. Trotzdem blieb sie schließlich stehen, sah sich einen Moment suchend um und wich dann vom Weg ab, um sich dem Lager von der Seite her zu nähern. Vorsichtig schlich sie an die Feuerstelle heran.

Vor ihr war ein wildes Handgemenge im Gange. Charity konnte im flackernden Licht der Flammen nicht allzuviel erkennen, aber es schienen drei zu sein - zwei Gestalten in eng anliegenden, schwarzen Ledermonturen, die eine junge Frau gepackt hielten und wütend auf sie einredeten. Eine dritte Ledergestalt lag reglos ein paar Meter daneben.

Charity entsicherte ihre Waffe und sah sich noch einmal um. Was sie erkannte, war derartig bizarr, daß sie sich im ersten Moment ernsthaft fragte, ob sie vielleicht noch träumte. Die beiden Ledergestalten sahen aus wie die Urenkel von Mad Max. Ihre Kleidung war zerfetzt und mit kleinen Fell- und Metallstücken ausgebessert worden, ihre Gesichter verbargen sie unter Lederhelmen, unter denen sie obendrein noch schwarze Masken trugen. Wie um das Bild zu vervollständigen, standen auf der anderen Seite des Feuers drei schwere Motorräder.

Für einen Moment atmete sie erleichtert auf. Wenn es noch Motorräder gab, konnte sie nicht sehr weit in die Zukunft geworfen sein - wenigstens keine achthundertachtundachtzig Jahre, wie der Computer ihres Tanks ihr einzureden versucht hatte. Allerdings sahen die beiden Gestalten nicht gerade vertrauenerweckend aus.

Einer der beiden hielt das Mädchen fest, während der andere ihr eine schallende Ohrfeige versetzte.

Charity hob die Waffe ein wenig, zögerte aber noch. Das Mädchen war sehr jung, allerhöchstens zwanzig, mit kurzgeschnittenem, dunklem Haar und einem schmalen, aber energischen Gesicht, und Charity ergriff ganz instinktiv ihre Partei.

Aber am Boden lag der reglose - und wahrscheinlich tote! - Motorradfahrer, und es war besser, noch einen Moment zu beobachten, ehe sie sich einmischte.

Einer der beiden Männer hob eine Waffe auf und zielte damit auf das Mädchen, während sich der andere hastig zurückzog. Charity visierte das rechte Bein des Motorrad-Typs durch die Nachtoptik ihrer MP an und krümmte den Zeigefinger um den Abzug.

Aber sie mußte nicht schießen. Das Mädchen war nicht halb so hilflos, wie es bisher ausgesehen hatte. Statt zu fliehen, trat sie fast gemächlich auf den Mann zu - und versetzte ihm einen Tritt zwischen die Oberschenkel. Der Motorradfahrer brach zusammen, aber dann war der zweite heran, versetzte der jungen Frau einen Hieb gegen den Hals und trat ihr in die Seite, als sie stürzte.

Charity trat mit einem entschlossenen Schritt aus ihrer Deckung heraus und ließ den Sicherungshebel ihrer MP bewußt hörbar zurückschnappen. »Aufhören!« sagte sie laut.

Tatsächlich stockte der Motorradfahrer mitten in der Bewegung, aber nur für einen Moment - dann holte er zu einem neuen, noch wütenderen Tritt nach dem gestürzten Mädchen aus. Charity seufzte, zielte kurz und jagte einen einzelnen Schuß genau zwischen seine Füße.

»Aufhören, habe ich gesagt«, sagte sie noch einmal und hörbar schärfer als beim ersten Mal. »Oder bist du schwerhörig, Freund?«

Langsam und mit erhobener Waffe trat sie vollends in den Feuerschein, machte eine drohende Bewegung, die den Mann veranlaßte, einen Schritt zurückzuweichen, und beugte sich zu dem Mädchen herab, ohne den Mad-Max-Verschnitt dabei auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.

Das Mädchen hatte sich auf die Ellbogen hochgestemmt und starrte sie an. Aus ihrer aufgeplatzten Unterlippe lief Blut über ihr Kinn. Sie zitterte am ganzen Leib.

»Keine Angst, Kleines«, sagte Charity. »Der tut dir nichts mehr. Alles in Ordnung?« Sie hatte keine Ahnung, ob das Mädchen ihre Worte überhaupt verstand; aber sie hoffte wenigstens, daß sie den beruhigenden Tonfall begriff und das Lächeln, mit dem sie ihre Worte begleitete.

Sie tat es nicht.

Irgend etwas schien gründlich schiefzulaufen, aber das begriff Charity eine halbe Sekunde zu spät. Das Mädchen sprang plötzlich auf, stieß einen kleinen, erschrockenen Schrei aus - und schlug ihr die geballten Fäuste seitlich gegen den Hals.

Charity fiel. Für zwei, drei Sekunden bekam sie keine Luft mehr.

Sie stürzte, rollte instinktiv herum und kippte ein zweites Mal nach hinten, als das Mädchen ihr brutal den nackten Fuß ins Gesicht stieß.

Dann, während das Mädchen sich aufrappelte und davonlief, griff der Motorradfahrer an. Charity sah einen riesigen, eisenbeschlagenen Stiefel auf sich zurasen, riß instinktiv die Arme hoch und nahm dem Tritt so wenigstens die ärgste Wucht. Die Ledermaske aber setzte sofort nach. Der Kerl warf sich auf sie. Ein Messer blitzte auf.

Charity griff verzweifelt nach dem Arm des Angreifers, packte ihn und brachte die Messerspitze einen Zentimeter vor ihrem Gesicht zum Halten. Aber sie spürte auch sofort, daß sie der Kraft des Mannes nicht gewachsen war. Das Messer bewegte sich ein Stück zurück, ruckte dann wieder vor und ritzte ihre Wange.

Charity setzte alles auf eine Karte. Statt sich weiter gegen den Messerhieb zu wehren, ließ sie den Arm plötzlich los, drehte blitzschnell den Kopf zur Seite und zog gleichzeitig mit aller Kraft die Knie an den Körper. Die Messerklinge glitt wie ein weißglühender Draht über ihr Gesicht und rammte mit einem klirrenden Laut in den Boden, einen halben Fingerbreit neben ihrem Hals, aber der Angreifer verlor durch den plötzlichen Ruck das Gleichgewicht. Mit einem überraschten Laut glitt er halb von ihr herunter, versuchte mit beiden Händen sein Messer aus dem Boden zu reißen und keuchte vor Schmerz, als Charity sich endgültig losriß und ihm in der gleichen Bewegung den Ellbogen seitlich gegen den Hals schlug.

Sie kam frei. Ihr Hieb hatte den anderen nicht ausgeschaltet, doch er war für einen Moment benommen, lange genug jedenfalls, daß Charity vollends auf die Füße springen und zwei, drei Schritte zurückweichen konnte. Das Mädchen war längst in der Dunkelheit verschwunden, Charity sah aus den Augenwinkeln, wie der zweite Motorradfahrer torkelnd auf die Beine kam. Einen Kampf gegen zwei dieser Männer gleichzeitig würde sie kaum durchstehen. Nicht in dem Zustand, in dem sie war.

Sie fuhr herum, nahm einen Schritt Anlauf und sprang. Der Mann in Leder riß instinktiv die Arme hoch, in einer Bewegung, die Charity ziemlich drastisch klarmachte, daß ihm ihre Art zu kämpfen keineswegs fremd war, aber er war noch ein wenig benommen, und seine Abwehr kam der Bruchteil einer Sekunde zu spät.

Charitys Füße krachten gegen seine Brust und ließen ihn zurücktaumeln. Mit wild rudernden Armen prallte er gegen eines der Motorräder, riß es um und fiel rücklings über die Maschine. Ein keuchender Schmerzlaut drang unter seinem Lederhelm hervor.

Charity war blitzschnell wieder auf den Beinen und bei ihm. Ihre Handkante traf seinen Hals mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte.

Der Mann stöhnte, verdrehte die Augen und verlor endgültig das Bewußtsein. Charity richtete sich blitzschnell wieder auf, fuhr herum - und erstarrte.

Der zweite Motorradmann hatte ihre eigene Waffe aufgehoben und zielte damit auf sie. Die Mündung der Miniatur-MP deutete genau auf ihre Brust. Charity sah, wie sich sein Finger ein wenig krümmte.

Aber der Schuß, auf den sie wartete, fiel nicht. Statt dessen glühte über dem Lauf der MP ein kleines, rubinrotes Auge auf, und auf Charitys Brust erschien ein münzgroßer, roter Lichtfleck. Der Mann blinzelte erstaunt, blickte fassungslos auf die Waffe herunter und drückte noch einmal auf den Auslöser des Laserzielgerätes statt auf den Abzug.