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Er machte sich auf den Weg, und Onan trottete gehorsam hinter ihm her. Dodgers Gedanken trieben dahin, während er einen Fuß vor den anderen setzte. Natürlich konnte man von der Dreckigen Dory nicht erwarten, dass sie einem etwas so Nützliches wie ein Wappen an der Tür der noblen Kutsche anbot, und außerdem: Wenn Kutschen Böses anstellten, wenn sie zum Beispiel junge Frauen zu Orten brachten, zu denen sie gar nicht gebracht werden wollten … In einem solchen Fall war es sicher nicht ratsam, an den Türen ein Wappen zu zeigen, das der Identifikation dienen konnte. Doch ein quietschendes Rad quietschte, solange niemand etwas dagegen unternahm. Dodger hatte nicht viel Zeit, und dies war bisher der einzige konkrete Hinweis in einer Stadt mit Hunderten von Kutschen und anderen Transportmitteln.

Es dürfte recht schwierig werden, dachte er, aber wenn es mir gelingt, wird das quietschende Rad Fett bekommen, und das Fett wird Dodger heißen. Und die Männer in der Kutsche, fügte er im Innern seines Kopfs hinzu, wo ihn niemand hörte, werden dann Bekanntschaft mit Dodgers Faust machen …

4

Dodger entdeckt eine neue Verwendung für einen Fleet-Street-Nagel und bekommt eine Tasche voller Zucker

In der Fleet Street herrschte wegen der vielen Zeitungen immer rege Betriebsamkeit, Tag und Nacht, und heute floss der Fleet nicht in der Straßenmitte, sondern sickerte eher vor sich hin. Dodger hatte einiges über die Abwasserkanäle des Fleet gehört, insbesondere die Geschichte von dem Schwein, das dem Schlachter entkam und in die Tunnel gelangte, von wo aus es andere Kanäle und Röhren erreichte. Und da es dort unten für ein Schwein Nahrung im Überfluss gab, wurde es ungeheuer dick und garstig. Vielleicht wäre es lustig gewesen, nach ihm zu suchen, allerdings … Möglicherweise hätte der Spaß beim Finden aufgehört, denn die Biester hatten Hauer. Derzeit, so hatte man ihm erzählt, waren die einzigen Ungeheuer der Fleet Street die Druckmaschinen, die so heftig stampften, dass der Boden erzitterte. Jeden Tag wollten sie gefüttert werden – mit einer Mahlzeit aus Politik, grausigen Morden und Todesfällen.

Natürlich gab es noch andere Ereignisse, aber alle waren scharf auf einen grausigen Mord, nicht wahr? Und überall auf der Straße zogen Männer Rollwagen, trugen Papierstapel oder liefen in furchtbarer Eile mit Papierstücken in der Hand umher, um der Welt zu erklären, was geschehen war, warum es geschehen war, was hätte geschehen sollen und manchmal, warum es nicht geschehen war, obwohl es sich sehr wohl zugetragen hatte. Und natürlich, um allen mitzuteilen, wer auf grausige Weise ermordet worden war. Es schien drunter und drüber zu gehen, und in diesem Durcheinander musste Dodger den Chronicle finden, wobei erschwerend hinzukam, dass er nicht gut lesen konnte, vor allem keine so langen Worte.

Schließlich wies ihm ein Drucker mit einem viereckigen Hut den Weg und warf ihm dabei einen Blick zu, der besagte: Wag bloß nicht, hier etwas zu stehlen! Dodger fand das ziemlich beleidigend, denn Toshen war kein Stehlen, und das sollten doch eigentlich alle wissen, oder? Zumindest wussten es alle Tosher.

Er band Onan an einem Geländer fest und vertraute darauf, dass ihn wegen des Geruchs niemand stehlen würde. Dann stieg er die Stufen zum Morning Chronicle hoch, wo er verständlicherweise von einem der Männer angehalten wurde, deren Aufgabe darin bestand, Leute wie ihn anzuhalten. Sein Job schien ihm zu gefallen, und er trug einen Hut, der das bewies, und das Gesicht darunter sprach: »Leute wie du haben hier nichts verloren, Junge. Verschwinde und geh woanders klauen in deinem grässlichen Anzug! Ha, siehst aus, als hättest du ihn von einem Toten!«

Dodger achtete darauf, seinen Gesichtsausdruck nicht zu verändern, aber er straffte die Schultern und sagte: »Mister Dickens erwartet mich. Er hat mich mit einer Mission beauftragt.« Während ihn der Mann noch groß anstarrte, holte Dodger Charlies Visitenkarte hervor. »Und er hat mir seine Karte gegeben und mir gesagt, dass ich zu ihm kommen soll. Kriegen Sie das in Ihren Kopf, Mister?«

Der Türsteher warf ihm einen finsteren Blick zu, doch der Name Dickens zeitigte aus irgendeinem Grund Wirkung, denn ein anderer emsig wirkender Mann kam, starrte Dodger an, starrte auf die Karte, starrte Dodger noch einmal an und sagte: »Komm rein, aber stiehl nichts!«

»Danke, Sir, ich werde mir alle Mühe geben«, versprach Dodger.

Der Mann führte ihn in einen kleinen Raum mit Schreibtischen und Büroangestellten, die alle den Eindruck erweckten, mit überaus wichtigen Aufgaben beschäftigt zu sein. Der Angestellte am nächsten Schreibtisch – er schien den anderen Anweisungen zu erteilen – beobachtete ihn wie ein Frosch eine Schlange, die Hand dicht neben einer Glocke.

Dodger setzte sich auf die Bank neben der Tür und wartete. Es kam bereits Nebel auf – das war um diese Tageszeit immer der Fall –, und erste Schwaden krochen durch die offene Tür. Sie erschienen Dodger manchmal wie eine luftige Version der Themse, und sie wogten und schimmerten, als hätte jemand einen Eimer voller Schlangen auf der Straße ausgeleert. Meistens war der Nebel gelb, aber er konnte auch schwarz sein, insbesondere dann, wenn die Ziegeleien arbeiteten. Der nächste Angestellte stand auf, richtete einen argwöhnischen Blick auf Dodger und schloss die Tür. Dodger schenkte ihm ein fröhliches Lächeln, das den Mann ärgerte und damit seinen Zweck erfüllte.

Hier gab es ohnehin nicht viel zu finden, es sei denn, man hatte es auf Papier abgesehen. Davon gab es überall mehr als genug, und hinzu kamen Aktenschränke, Becher, der Geruch von Tabak und Bücher mit Zetteln darin, offenbar als Markierung für bestimmte Stellen. Dodger bemerkte etwas Sonderbares: einen großen Nagel auf jedem Schreibtisch. Was hatte es damit auf sich? Bei jedem dieser Nägel wies die Spitze nach oben; unten waren sie auf einem Stück Holz befestigt. Aber warum sollte man dreißig Zentimeter lange Nägel so aufstellen, dass sich jemand daran verletzen konnte?

Er deutete auf einen davon, wandte sich an den nächsten Angestellten und fragte in einem Tonfall, der nur unschuldige Neugier zum Ausdruck brachte: »Entschuldigen Sie, Mister, was bedeuten diese Nägel?«

Der junge Mann grinste höhnisch. »Weißt du denn gar nichts? Damit schaffen wir mehr Ordnung auf unseren Schreibtischen. Auf den Nagel spießen wir die Angelegenheiten, die erledigt sind oder die wir nicht mehr brauchen.«

Dodger dachte darüber nach und fragte dann: »Warum schmeißen Sie den fertigen Kram nicht einfach weg, anstatt alles zuzumüllen?«

Der Angestellte bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. »Bist du dumm? Angenommen, später wird eine Sache wieder wichtig. Dann müssen wir nur auf dem Nagel suchen.«

Während dieses Wortwechsels hoben die anderen Angestellten kurz die Köpfe und setzten dann ihre Arbeit an den Aufgaben fort, die zu erledigen waren. Zuvor aber musterten sie Dodger und gaben ihm wortlos zu verstehen, dass er hier nicht wichtig war, im Gegensatz zu ihnen. Ihm fiel auf, dass ihre Kleidung kaum besser war als seine mehrmals gebrauchten Sachen, aber er hielt es für ratsam, auf einen entsprechenden Hinweis zu verzichten.