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»Nun«, sagte Charlie, »er war unter anderem dafür berühmt, was er über seine Generäle sagte. Angeblich kam es ihm bei ihnen vor allem auf Glück an. Und du, Mister Dodger, scheinst das Glück auf deiner Seite zu haben, denn etwas an dieser kurzen Eskapade stinkt ebenso zum Himmel wie uralter Käse. Ich glaube, ich verstehe dich, Dodger, und deshalb werde ich dem Herausgeber eine kleine Ehrung empfehlen, zu der vielleicht auch ein halber Sovereign oder zwei gehören. Allerdings werde ich ihn auch darauf hinweisen, dass er deinen Namen besser nicht in die Zeitung setzt, denn unter Umständen könntest du in Zukunft nur mit Mühe Freunde finden. Wenn man in den Schatten lebt wie du, macht es sich nicht gut im Curriculum Vitae, der Polizei zu helfen. Du hast Glück, Dodger, und je mehr du mir hilfst, desto mehr Glück wirst du haben.« Seine Hand glitt in die Tasche, und Dodger vernahm das unverwechselbare Klimpern von Münzen. »Was hast du herausgefunden?«

Dodger erzählte ihm von der Kutsche und der jungen Frau. Charlie hörte aufmerksam zu.

Als er fertig war, fragte Charlie: »Sie hat also kein Wappen an der Tür gesehen? Und welche Art von Ausländisch meinte sie? Französisch? Deutsch?«

Zu Charlies großer Überraschung erwiderte Dodger mit fester Stimme: »Mister Charlie, ich weiß, wie die Wappen an den Kutschen aussehen, und ich erkenne die meisten Sprachen. Aber wissen Sie, in diesem Fall ergeht es mir wie Ihnen. Ich habe es mit einer Informantin zu tun, die nicht schlau genug ist, allzu viel zu bemerken.«

Charlie maß Dodger mit traurigem Blick. »Du bist eine Art Tabula rasa, Dodger, ein unbeschriebenes Blatt. Du bist intelligent, o ja, aber leider hast du kaum Gelegenheit, deine Intelligenz unter Beweis zu stellen. Es bekümmert mich, ja, es bekümmert mich wirklich, aber ich sehe auch, dass du so vernünftig warst und dir neue Kleidung beschafft hast – das Beste, was ein Gebrauchtladen zu bieten hatte.« Er lächelte, als er Dodgers Gesichtsausdruck sah, und fuhr fort: »Was? Glaubst du etwa, Leute wie ich wüssten über solche Läden nicht Bescheid? Glaub mir, mein Freund, in dieser Stadt gibt es nur wenige Tiefen, die ich nicht ausgelotet habe. Aber um zu etwas Erfreulicherem überzugehen … Du hörst sicher gern, dass sich die junge Dame, die du gerettet hast, gut erholt. Soweit ich weiß, wurde sie bisher noch nicht als vermisst gemeldet, obgleich es Anzeichen dafür gibt, dass sie keine Obdachlose ist. Ihr Verschwinden hätte also gemeldet werden sollen. Verstehst du? Sie kann noch nicht sehr gut sprechen – offenbar ist sie nicht imstande zu erklären, was ihr widerfuhr –, aber sie scheint Englisch zu verstehen. Ich halte sie für eine Ausländerin, und zwar für eine ganz besondere Ausländerin. Warum ich dieser Meinung bin, kann ich allerdings noch nicht sagen. Außerdem nehme ich an, dass höheren Orts wegen ihr einige Aufregung herrscht. Das Wappen ihres Rings gibt Anlass zu einigen interessanten Fragen, und mein Freund Sir Robert Peel ist sehr umsichtig, weshalb ich vermute, dass sich etwas abspielt. Wie du weißt, schreibe ich für Zeitungen, aber nicht alles, was ein Zeitungsjournalist weiß, wird auch gedruckt.«

Etwas spielt sich ab, dachte Dodger. Wenn dies ein Spiel war, dann musste er daran teilnehmen und gewinnen. Aber welches Spiel führte dazu, dass eine junge Frau auf so grausame Weise zusammengeschlagen wurde? Ein solches Spiel musste er beenden. Im lauten Kaffeehaus, umgeben von Tabakrauch, wurde er ein wenig verlegen, als er ein Gebet murmelte, das der Lady galt: »Ich bin dir nie begegnet, Lady, aber du kennst Opa, und ich hoffe, er ist bei dir. Tja, ich bin Dodger, und Opa hat mich zum König der Tosher gemacht, und ein bisschen Hilfe von dir würde gewiss nicht schaden. Besten Dank im Voraus, dein Dodger.«

Der Lärm im Kaffeehaus war inzwischen so groß geworden, dass er kaum die eigenen Gedanken hörte, geschweige denn eine Antwort der Lady oder eine Ergänzung von Charlies bisherigen Ausführungen, aber Dodger versuchte trotzdem, noch einige Worte an ihn zu richten. »Wenn niemand eine Vermisstenanzeige aufgegeben hat … Es bedeutet vielleicht, dass die junge Frau noch gar nicht vermisst wird oder dass die betreffenden Leute hoffen, sie vor allen anderen zu finden, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Du bist wirklich eine Entdeckung, mein lieber Dodger! Unter uns: Ich mag die Polizei, obwohl du das vielleicht ein bisschen anders siehst. Aber was ich an den Polizisten schätze – zumindest an einigen von ihnen: dass das Gesetz für alle gelten sollte, nicht nur für die Armen. Ich weiß, dass sie in bestimmten Vierteln der Stadt nicht beliebt sind, und allgemein gesprochen könnte ich hinzufügen, dass es hohe Stellen gibt, wo man ihnen noch ablehnender gegenübersteht.« Charlie zögerte. »Dein Informant berichtet also, dass die junge Dame aus einer Kutsche floh, aus einer noblen noch dazu. Finde die Kutsche, mein Freund, und jene, die sie für dieses schändliche Treiben zur Verfügung stellten. Dann könnte sich die Welt zum Besseren wenden, insbesondere für dich.«

Wieder klirrten Münzen, und Charlie legte zwei halbe Kronen auf den kleinen Tisch. Er lächelte, als sie auf der Stelle in Dodgers Tasche verschwanden.

Er sagte: »Da fällt mir ein, mein Kollege und Freund Mister Mayhew und seine Frau würden sich freuen, dich wiederzusehen, und darf ich morgen vorschlagen? Sie glauben, dass du ein Engel bist, wenn auch einer mit schmutzigem Gesicht, von freundlichem Wesen und möglicherweise in Erwartung einer ansehnlichen Karriere. Ich hingegen halte dich, wie du weißt, für einen Schlingel und Taugenichts erster Güte, voller List und Tücke. Kurz gesagt, ich sehe in dir einen schlauen Burschen, der zu allem bereit ist, um seine Ziele zu erreichen. Aber dies ist eine neue Welt, wir brauchen neue Menschen. Wer bist du wirklich, Dodger, und was ist deine Geschichte? Wenn du nichts dagegen hast, dass ich danach frage.« Er richtete einen neugierigen Blick auf Dodger.

Dodger hatte nichts dagegen, aber die Welt bewegte sich plötzlich zu schnell, und so erwiderte er: »Wenn ich es Ihnen erzähle, Mister … Versprechen Sie dann, es nicht weiterzusagen? Kann ich Ihnen vertrauen?«

»Ich gebe dir mein Ehrenwort als Journalist«, sagte Charlie. Nach kurzer Pause fügte er hinzu: »Streng genommen sollte die Antwort Nein lauten, Dodger. Ich bin Schriftsteller und Journalist, was ein recht seltsamer Bund ist. Wie dem auch sei, ich setze große Hoffnungen in dich, erwarte mir viel von dir und möchte den von dir erzielten Fortschritten auf keinen Fall im Weg stehen. Entschuldige …« Charlie holte einen Stift und ein winziges Notizbuch hervor, kritzelte einige Worte, sah dann auf und lächelte verlegen. »Ich bitte um Verzeihung, es ist eine kleine Angewohnheit von mir, ich schreibe mir gelegentlich bestimmte Ausdrücke auf, bevor ich sie wieder vergesse. Bitte fahr fort!«

»Nun«, sagte Dodger leicht verunsichert, »ich bin in einem Waisenhaus aufgewachsen. Ich war ein Findelkind, wissen Sie. Meine Mutter habe ich nie kennengelernt. Besonders groß war ich als Knabe nicht, und meine Kindheit war leider von Fieslingen bevölkert. Ich lernte, ihnen auszuweichen, mich am Rand des Geschehens zu halten und unauffällig zu sein. Einige der größeren Jungen lachten über meinen wahren Namen, und wenn ich mich beklagte, schlugen sie mich zu Boden. Aber nach einer Weile hörte das auf, als ich größer wurde, und dann schikanierten sie mich erneut, einfach so! Und ich dachte mir schließlich, he, ich hab genug davon, und ich schnappte mir einen Stuhl und zeigte es ihnen damit.« Er legte eine kurze Pause ein und erinnerte sich an den Augenblick der gerechten Strafe für alle Versündigungen. Selbst der Aufseher hatte ihn nicht bändigen können. »An jenem Tag landete ich auf der Straße, wo das Leben wirklich begann.«

Charlie hörte der sorgfältig gekürzten Version aufmerksam zu. »Bemerkenswert, Dodger. Aber deinen Namen hast du mir noch nicht genannt.« Dodger hob die Schultern, schien sich in sein Schicksal zu fügen, nannte seinen Namen und erwartete lautes Lachen. Stattdessen hörte er: »Oh, ich verstehe. Ja, natürlich, das erklärt einiges. Was diese Angelegenheit betrifft, bleiben meine Lippen selbstverständlich versiegelt. Doch gestattest du mir, nach dem weiteren Verlauf deines Lebens zu fragen?«