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Der Schlaue Bob wähnte sich in dieser Beziehung auf nicht ganz so dünnem Eis, denn immerhin war dies nicht seine Schuld.

»Wie ich Ihrem Kollegen zuvor gesagt habe, Sir«, fuhr er fort, »beim zweiten Versuch hätte alles geklappt, aber sie trat plötzlich die Tür auf und sprang mitten in dem schrecklichen Unwetter hinaus. Ihr Kutscher konnte die Pferde nicht anhalten, Sir, nicht bei dem Wetter. Sehr ungewöhnliche Umstände. Schwer vorherzusehen.«

In der Stille, die diesen Worten folgte, war zu hören, wie eine Seite umgeblättert wurde. Dann erhob sich die Stimme des Fremden abermals. »Allem Anschein nach, Mister Robert, hat eine Person namens …«, Papier knisterte, »… Dodger zwei Ihrer Männer verletzt und einen von ihnen beinahe im Rinnstein ertränkt. Mir scheint, dass wir vielleicht ihn in unsere Dienste nehmen sollten.«

Der Mann, der sich gern als Schlauer Bob bezeichnete, sich derzeit aber nicht besonders schlau fühlte, erwiderte: »Ich kann Ihnen noch immer helfen, Sir, wobei wir berücksichtigen sollten, dass Sie mir bereits einiges schulden – dafür, dass ich die junge Frau ausfindig gemacht habe. Ich glaube, die betreffende Rechnung hat Sie schon vor einer ganzen Weile erreicht …«

Der Fremde ging auf die letzten Worte nicht ein und sagte: »Ich möchte annehmen, dass Sie in Bezug auf diese kleinen Schwierigkeiten Neues zu berichten haben. Soweit ich weiß, gibt es noch mehr über diesen Unruhestifter zu vermelden, nicht wahr? Bitte seien Sie so freundlich und klären Sie mich auf!«

»Er hat sich umgehört, Sir«, antwortete der Schlaue Bob. »Und er ist dabei sehr methodisch vorgegangen.«

Der Schlaue Bob war mit methodisch als Beschreibung zufrieden, aber weniger zufrieden war er mit den seiner Meinung nach unverhältnismäßig scharfen Worten, die der Fremde plötzlich an ihn richtete: »Gütiger Himmel, Mann, können Sie nicht ein wenig Eigeninitiative entwickeln?«

Der Schlaue Bob wusste, was Initiative war, und er wusste auch, dass ihm derzeit eigene fehlte. Hoffnungsvoll sagte er: »Der Junge, der die Fragen gestellt hat, ist nicht unbedingt ein Niemand, wenn Sie verstehen, was ich meine. Er hat Kontakte auf der Straße, was alles ein bisschen schwieriger macht.«

Die Stimme des Mannes im Dunkeln klang zornig, und das tat der Blase des Schlauen Bob ganz und gar nicht gut. Die Situation wurde nicht besser, als der Fremde fragte: »Arbeitet er für einen Polizisten, für einen Peeler, wie Sie diese Leute nennen?«

Ein Peeler! Wie seltsam dieses Wort aus dem Mund eines vornehmen Fremden klang und wie unpassend in einer Räumlichkeit wie dieser! Die verdammten, dreimal verfluchten Peeler! Man konnte sie nicht bestechen, man konnte keine Freundschaft mit ihnen schließen – nicht wie mit den alten Bow-Street-Runnern –, und die meisten der neuen Jungs waren Kriegsveteranen. Wenn man an einigen der letzten Kriege teilgenommen und noch alle seine Körperteile beisammen hatte, so bedeutete das, dass man entweder ein harter Bursche war oder sehr, sehr viel Glück gehabt hatte. Der verdammte Mister Peel schickte sie überallhin, damit sie sich in alles einmischten, und die Burschen ließen überhaupt nicht mit sich reden, es sei denn, man sagte: Schon gut, ich leiste keinen Widerstand, ich komme brav mit. Man konnte Zeter und Mordio schreien und sich die Augen aus dem Kopf heulen, wenn man bei den Peelern aneckte, aber sie halfen einem nicht mal dabei, die Augen wieder in den Kopf zu kriegen. Und sie soffen wie Löcher und brüllten wie der Teufel und waren niemandes Freund – was auch, und das war erstaunlich genug, für die feinen Pinkel galt. Es galt erst recht für Leute wie den Schlauen Bob, die am Rand der Legalität lebten und sich bisher auf das … nun … Verständnis der guten alten Bow-Street-Boys verlassen hatten, vor allem wenn Geld den Besitzer wechselte.

Wie kam man mit Männern wie den Peelern klar, die niemanden respektierten als Sir Robert Peel selbst? Allein der Gedanke an sie bescherte der Blase des Schlauen Bob ein weiteres Problem. Ein bisschen Furcht rann ihm übers Bein, als er vorsichtig sagte: »Nein, Sir, er arbeitet nicht für die Peeler, Sir. Er ist einfach nur ein Junge, Sir, aber er kann auch ein Geezer sein, wenn Sie verstehen.«

Diese Worte bewirkten eine frostige Stille. »Nein, ich verstehe nicht, Mister Bob«, sagte der Fremde schließlich. »Leider bin ich mit diesem Begriff nicht vertraut. Bitte erläutern Sie mir die Bedeutung von Geezer!« Das letzte Wort klang so, als zöge der Sprecher eine tote Maus aus seiner Suppe – oder besser noch: eine halbe tote Maus.

Der Schlaue Bob – dem immer klarer wurde, dass nur die Hälfte seines Namens stimmte – dachte angestrengt nach. Wussten nicht alle, was ein Geezer war? Natürlich wussten es alle. Nun ja, zumindest wussten es alle Londoner. Ein Geezer war … ein Geezer. Ebenso gut konnte man fragen: Was ist ein Pint? Oder: Was ist die Sonne? Ein Geezer war ein Geezer. Allerdings dämmerte es Bob, dass er noch ein wenig an der Definition arbeiten musste, bevor er sie der gefährlichen Stimme im Dunkeln anbieten konnte.

Er räusperte sich und erwiderte: »Ein Geezer … Nun, ein Geezer ist einer, den alle kennen und der seinerseits alle kennt, und vielleicht weiß er etwas über jeden und weiß, dass es jedem lieber wäre, wenn er’s nicht wüsste. Äh … und außerdem ist er gewieft und schlau, nicht unbedingt ein Dieb, aber einer, in dessen Händen manchmal Dinge erscheinen. Hat nichts gegen ein bisschen Unfug und Schalk einzuwenden und kennt die Straße wie seine Westentasche. Was Dodger betrifft … Nun, Dodger ist auch ein Tosher, einer, der in der Kanalisation nach Münzen und anderen Fundstücken sucht, die hinuntergespült wurden.« Bei den letzten Worten wuchs Bobs Unbehagen, aber er fügte hinzu: »Was ich damit sagen möchte, Sir, ist Folgendes: Er ist so etwas wie ein Dreh- und Angelpunkt, könnte man sagen, jemand, der alles ein bisschen aufmischt, wenn Sie verstehen. Und in letzter Zeit pflegt er Umgang mit feinen Herrschaften.«

Der Schlaue Bob schwitzte, rutschte verzweifelt auf seinem Stuhl hin und her und erwartete das Urteil des Fremden. Über dem rasenden Pochen seines Herzens hörte er ein Flüstern hinter dem Kerzenschein. Der Fremde war also nicht allein! Bob wurde noch unruhiger – dies alles gefiel ihm immer weniger.

»Wir interessieren uns nicht für solche Leute; sie können gefährlich werden«, erklärte der Fremde schließlich. »Allerdings, wenn dieser Dodger Fragen über die junge Frau stellt, dann macht er sie vielleicht ausfindig oder erfährt, wo sie sich aufhält. Daher erwarte ich von Ihnen, dass Sie ihn die ganze Zeit über beschatten lassen, verstanden? Und natürlich darf er keinesfalls merken, dass er unter Beobachtung steht. Habe ich mich klar genug ausgedrückt, Mister Robert? Für gewöhnlich ist dies der Fall. Wir haben es hier mit einer äußerst delikaten Angelegenheit zu tun, und ich wäre tief enttäuscht, wenn der Fall zu keinem befriedigenden Abschluss gebracht würde. Ich möchte keine Einzelheiten nennen, aber Ihnen dürfte klar sein, welch unangenehme Folgen ein Fehlschlag für Sie hätte, nicht wahr? Wir wollen die junge Frau, Mister Bob. Wir wollen sie zurück.