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Einer meiner Mitarbeiter wird Sie nun sanft am Arm ergreifen, Mister Bob, und zu einem Ort führen, wo Sie gewisse Erleichterung finden. Die beiden Goldmünzen nehmen Sie bitte als Zeichen unseres guten Willens entgegen. Wir vertrauen darauf, dass Sie sich das Geld verdienen.«

Das Gold eines Ausländers ist so gut wie jedes andere, dachte der Schlaue Bob. Aber mit Ausländern konnte man Probleme kriegen, und er würde aufatmen, wenn er die ganze Sache hinter sich gebracht hätte.

Nachdem er die beiden Münzen genommen und sich in der Latrine erleichtert hatte, wurde der Schlaue Bob wieder in die verdammte Kutsche verfrachtet, die ihn – so fühlte es sich an – einmal um ganz London herumfuhr, bevor man ihn recht unsanft in der Nähe seines Büros absetzte. Während der ganzen Heimreise und auch später hatte er den Kopf voller Gedanken an einen Jungen namens Dodger.

Einer der unsichtbaren Herren, die im Dunkeln gesessen hatten, beugte sich vor und wandte sich in seiner Muttersprache an den Mann, der mit dem Schlauen Bob gesprochen hatte. »Sind Sie ganz sicher, was diesen Mann betrifft, Sir? Immerhin könnten wir den Ausländer in unsere Dienste nehmen. Ich habe mich erkundigt – er ist derzeit frei.«

»Nein. Der Ausländer richtet manchmal ziemlich viel Unordnung an, und es könnte gefährlich werden – politisch –, wenn bekannt wird, dass wir auf ihn zurückgegriffen haben. Wir sollten vermeiden, einen … Zwischenfall zu riskieren. Nein, der Ausländer ist unser letztes Mittel. Ich habe gehört, was er mit der Familie des griechischen Botschafters angestellt hat – das war höchst ungebührlich. Es fällt mir nicht im Traum ein, nach seinesgleichen zu schicken, bevor nicht alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Wenn dieser Unruhestifter darauf beharrt, weiterhin Unruhe zu stiften oder andere in die Angelegenheit zu verwickeln … Nun, dann müssen wir dies vielleicht überdenken. Einstweilen fahren wir damit fort, die Hilfe des als schlau geltenden Mister Robert in Anspruch zu nehmen. Es kann ihm doch nicht so schwerfallen, eine junge Frau zu finden und einen schmutzigen kleinen Gassenjungen zu beobachten, oder? Später können wir ihn immer noch loswerden, wenn er … zu einer Belastung wird.«

7

Dodger wird rasiert und (erneut!) zum Helden; Charlie bekommt eine Geschichte – und eine ramponierte Hose

Dodger kehrte heim und wusch sich Gesicht und Hände, während Solomon die Schweinefleischkasserolle auftischte. Solomon erzählte viel aus seiner Zeit in fremden Ländern, aber eins stand fest: Bei seinen Reisen hatte er gut Kochen gelernt und verwendete Gewürze, deren Namen Dodger noch nie gehört hatte.

Einmal hatte er Solomon gefragt, warum er letztendlich nach England gekommen sei, und der alte Mann hatte geantwortet: »Mmm, mir scheint, dass alle Regierungen, wenn sie unter Druck geraten, auf ihr eigenes Volk schießen lassen, aber in England muss die Regierung erst um Erlaubnis fragen. Außerdem kümmern sich die Leute hier nicht darum, was man so treibt, solange man dabei nicht zu laut ist. Mmm, das mag ich an diesem Land.« Er hatte eine kurze Pause eingelegt. »Als ich einmal wie so oft auf der Flucht war, bin ich einem recht haarigen jungen Mann begegnet, der mir versicherte, eines Tages werde sich alles ändern. Zu jener Zeit versteckten wir uns vor den Kosaken. Manchmal frage ich mich, was mmm aus dem jungen Karl geworden sein mag …«

Nach der köstlichen Mahlzeit gingen Solomon und Dodger mit Onan spazieren, während die Sonne dem Horizont entgegensank. Zu beobachten, wie Solomon abschloss, war immer ein Erlebnis. Die Treppe zur Mansarde war steil und wackelig wie das ganze übrige Haus, aber wenn man zu der kleinen Mansardenwohnung gelangte, bemerkte man den Unterschied: die Stahlarmierung an der Tür, das Schloss, das ganz einfach aussah, in Wirklichkeit aber sehr kompliziert war – Solomon hatte es selbst konstruiert. Eine kleine Armee wäre für einen Einbruch nötig gewesen, und selbst Dodger musste ein bestimmtes Klopfzeichen geben, bevor Solomon ihm die Tür öffnete. Er hatte ihn nach dem Grund für diese Mühen gefragt, und der alte Mann hatte geantwortet: »Ich habe meine Lektion gelernt, junger Freund.« Und dabei beließ er es.

Im honigfarbenen Schein der Abendsonne schienen die Straßen aus einer Märchenwelt zu stammen, allerdings nur ganz entfernt, wie hinzugefügt werden muss. Doch die Sonne schien die Stadt vom Hickhack und den Beleidigungen des Tages zu heilen, obgleich es noch immer einige Verkaufsstände gab, deren Eigentümer Lampen anzündeten, als das Tageslicht schwand. Alles war ruhig und friedlich. Aber man wusste natürlich, dass es sich nur um einen Schichtwechsel handelte, denn die Nachtmenschen folgten den Tagmenschen, so wie … nun, die Nacht dem Tag folgt, obwohl der Tag im Allgemeinen nicht versucht, der Nacht die Brieftasche zu klauen.

Bei einem Getränkeladen genehmigten sich Solomon und Dodger ein Bier und gaben auch Onan ein bisschen davon zu trinken. Dodger erzählte von Onans Fund in der Kanalisation und wies darauf hin, dass er am nächsten Tat zu den Mayhews zurück wollte, um Simplicity wenn möglich auszuführen und ein wenig mit ihr durch die Stadt zu schlendern. Müde geworden, kehrten sie schließlich zur Mansarde zurück.

Unterwegs bemerkte Dodger etwas Helles, das durch die schmutzige Luft schien. »Was ist das, Sol?«, fragte er. »Vielleicht ein Engel?«

Es sollte eigentlich nur ein Scherz sein, aber Solomon erwiderte: »Mmm, meine Erfahrungen mit Engeln sind ein wenig begrenzt, mein Junge, obwohl ich an ihre Existenz glaube mmm. Doch dieser besondere Engel dürfte der Jupiter sein, wenn ich mich nicht sehr irre.«

Dodger betrachtete den hellen Lichtpunkt. »Was hat es damit auf sich?« Solomon erzählte ihm immer wieder von irgendwelchen Dingen, aber dies war eindeutig etwas Neues.

»Das weißt du nicht? Jupiter ist eine riesige Welt, viel größer als die Erde.«

Dodger bekam große Augen. »Du meinst, Jupiter ist eine Welt, auf der Menschen leben?«

»Mmm, ich glaube, in diesem Punkt hat die astronomische Wissenschaft noch keine Gewissheit erlangt mmm, aber ich schätze, das dürfte der Fall sein, denn welchen Sinn hätte eine solche Welt sonst? Und ich möchte hinzufügen mmm, dass Jupiter nur einer von vielen Planeten ist – womit ich Welten meine –, die die Sonne umkreisen.«

»Was? Ich dachte, die Sonne umkreist uns. Ich meine, man kann sie dabei beobachten, ist doch ganz klar.«

Dodger war verwirrt, und Solomon sagte langsam und bedächtig: »Mmm, es gibt keinen Zweifel daran, dass die Erde die Sonne umkreist; das steht schon seit einer ganzen Weile fest. Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass der Planet Jupiter vier Monde hat, die ihn umkreisen, so wie unser Mond die Erde.«

»Was soll das heißen? Du hast doch gerade gesagt, dass wir die Sonne umkreisen? Wohin fliegt dann der Mond? Etwa auch um die Sonne?«

»Ja, der Mond fliegt um die Erde, und gemeinsam fliegen sie um die Sonne, in der Tat mmm, und das mit den Jupitermonden stimmt, kann ich dir versichern, denn ich habe sie selbst durch ein Teleskop gesehen, als ich in Holland war.«

Dodger befürchtete, dass ihm gleich der Kopf platzte. Was für eine Neuigkeit! Man stand auf, man ging herum, und man glaubte, alles zu wissen, und plötzlich stellte sich heraus, dass sich oben am Himmel alles wie ein Kreisel drehte. Fast empörte es ihn, dass er nicht schon zuvor in dieses Geheimnis eingeweiht worden war, und als sie den Weg fortsetzten, hörte er Solomon aufmerksam zu, der ihm so viel über Astronomie erzählte, wie ihm einfiel. Schließlich fragte Dodger: »Können wir eine dieser Welten erreichen?«

»Mmm, das ist sehr unwahrscheinlich, mein Junge, sie sind weit entfernt.«