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Dodger konnte sich selbst rasieren, auf eher lustlose Art und Weise – obwohl, und das soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, es noch nicht allzu viel zum Rasieren gab –, aber einen richtigen Haarschnitt hatte er noch nie in seinem Leben bekommen. Gewöhnlich erledigte er das selbst, indem er einfach hier und dort ein paar Strähnen mit dem Messer abschnippelte, wobei er Solomon wie einen klugen Spiegel benutzte, der ihm sagte, an welcher Stelle er die Klinge ansetzen musste. Das Ergebnis solcher Bemühungen ließ ein wenig zu wünschen übrig, und vermutlich nicht nur ein wenig, und anschließend kam der Läusekamm zum Einsatz, was recht unangenehm war, aber ein erfolgreiches Mittel gegen das Jucken. Es bereitete ihm eine gewisse Genugtuung, wenn die kleinen Biester zu Boden fielen, wo er sie zertreten konnte. Dann wusste er, dass er zumindest für die nächsten Tage ohne Passagiere war.

Er strich sich mit den Fingern durchs Haar, eine Methode, die Solomon deutschen Kamm nannte, und musste zugeben, dass oberhalb seiner Brauen jede Menge Platz für Verbesserungen war. Deshalb sagte er: »Ich weiß, wo ein Friseurladen ist. Ich habe ihn erst gestern gesehen, in der Fleet Street.«

Zeit bleibt mir genug, dachte Dodger, als er den Stiefeln das bereits erwähnte Armschmalz angedeihen ließ, zusammen mit der Schuhcreme. Solomon stand neben ihm, vergewisserte sich, dass er alles richtig machte, und wies darauf hin, dass er die Schuhcreme in Polen gekauft hatte. Die Liste der Länder, die Solomon besucht und schnell wieder verlassen hatte, schien endlos zu sein, und Dodger wollte nicht, das sie seinetwegen noch länger wurde.

Er erinnerte sich daran, wie Solomon einmal einen Bündelrevolver aus einer seiner Schatullen genommen hatte. »Wozu brauchst du den?«, hatte er gefragt, und Solomon hatte geantwortet: »Ich dachte mir, dass ich genug eingesteckt habe. Beim nächsten Mal teile ich auch ein bisschen aus …«

Als der alte Mann die Stiefel als hinreichend sauber befand – und er ließ sich nicht so leicht zufriedenstellen –, machte sich Dodger auf den Weg zur Fleet Street. Die Straßen füllten sich mit Leben, und er war sauber, obwohl in Hinsicht auf den Anzug aus dem Gebrauchtladen einige Zweifel blieben, denn er juckte wie verrückt! Er sah gut aus und wollte lässig und cool wirken, als er durch die Straßen schlenderte, aber fast an jeder Ecke blieb er stehen, um sich zu kratzen. Er rang mit einem Jucken, das ihn verspottete, indem es ständig den Ort wechselte, einmal in seinen Stiefeln steckte und dann hinter den Ohren erschien, um von dort aus in den Schritt zu springen, wo man sich in aller Öffentlichkeit nicht kratzen durfte. Allerdings half es, etwas schneller zu gehen, und ein wenig außer Atem erreichte er schließlich den Friseurladen, den er am vergangenen Tag bemerkt hatte, und zum ersten Mal sah er auf das Namensschild. Es dauerte eine Weile, aber schließlich gelang es ihm, die Aufschrift zu entziffern: Mr. Sweeney Todd, Bader.

Er betrat den Laden, in dem sich offenbar keine Kunden aufhielten, und bemerkte einen blassen, recht fahrig wirkenden Mann, der auf dem Friseurstuhl saß und etwas trank, das sich als Kaffee herausstellte. Der Friseur seufzte, als er Dodger sah, klopfte sich die Schürze ab und sagte mit spröder Fröhlichkeit: »Guten Morgen, Sir! Ein wundervoller Morgen! Was kann ich für Sie tun?« Er versuchte sich zumindest an einer fröhlichen Begrüßung, aber es war deutlich zu erkennen, dass er nicht mit dem Herzen bei der Sache war. Nie zuvor hatte Dodger ein so klägliches Gesicht gesehen, außer vielleicht, als Onan sich noch mehr als sonst blamiert hatte, indem er Solomons Abendessen hinunterschlang, als der Mann gerade nicht hinsah.

Mister Todd war eindeutig kein fröhlicher Mensch. Trübsinn schien an ihm zu haften, als hätte ihn die Natur eher dafür geschaffen, der stumme Gehilfe eines Leichenbestatters zu sein, dessen Aufgabe darin bestand, hinter dem Sarg des Verstorbenen herzugehen, respektvolle Trauer zu zeigen und kein Wort zu sagen, weil das zwei Pence extra gekostet hätte. Es wäre nicht so schlimm gewesen, wenn Mister Todd nicht versucht hätte, dagegen anzukämpfen und sich heiter zu geben; ebenso gut hätte man Rouge bei einem Totenkopf auflegen können. Dodger war fasziniert. Vielleicht sind alle Friseure so, dachte er. Immerhin möchte ich nur eine Rasur und einen Haarschnitt.

Nicht ohne ein gewisses Unbehagen setzte er sich auf den Stuhl, und Sweeney wirbelte ein weißes Tuch um ihn, auf eine Weise, die vielleicht theatralisch gewirkt hätte, wenn Sweeney sich darauf verstanden hätte. An dieser Stelle bemerkte Dodger einen undeutlichen, aber beharrlichen Geruch, der von irgendwoher kam. Er berichtete von Moder und war mit den Gerüchen von Seife und Gläsern mit verschiedenen Flüssigkeiten vermischt. Er dachte: Nun, dies ist keine Metzgerei. Ich schätze, der Hausherr ist losgezogen, um was vom Abort zur Kanalisation zu bringen – wenn die Leute das doch nur unterließen!

Ein großer Teil des Tuchs endete an Dodgers Hals, um gleich darauf vom glücklosen Sweeney mit reichlich Entschuldigungen und Beteuerungen, dass so etwas nicht wieder geschehen werde, fortgezogen zu werden. Aber es wiederholte sich doch, gleich zweimal. Schließlich fiel das weiße Tuch auf eine Weise um Dodger, mit der sie beide einigermaßen zufrieden waren, und daraufhin konzentrierte sich der schwitzende Sweeney auf die Arbeit. Irgendwann hatte ihm offenbar jemand gesagt, dass ein Friseur nicht nur gut mit Haar umgehen sollte, sondern auch über einen schier unerschöpflichen Vorrat an Witzen, Anekdoten und Zwerchfellkitzlern verfügen müsse, darunter einige, die – wenn der Herr auf dem Stuhl im richtigen Alter war und solches zu schätzen wusste – auch anzügliche Bemerkungen über junge Frauen enthielten. Doch der Person, die Mister Todd entsprechenden Rat gegeben hatte, war nicht klar gewesen, dass es Sweeney an allem mangelte, was man Bonhomie, Heiterkeit, Zotigkeit oder ganz allgemein Humor nannte.

Dennoch bemerkte Dodger, dass er sich Mühe gab. O ja, er gab sich wahrlich Mühe, während er das Rasiermesser am Streichriemen schärfte. Zwar brachte er immer wieder die Pointen durcheinander, was ihn aber nicht daran hinderte – o Schreck, o Graus –, über seine eigenen verunglückten Witze zu lachen. Aber schließlich war das Rasiermesser scharf genug, und dann gab es da das Problem namens Rasierschaum, worum sich der Friseur kümmerte, nachdem er das Rasiermesser beiseitegelegt hatte, natürlich so, dass die glänzende Klinge nach Norden zeigte, was ihre Schärfe bewahrte.

Dodger saß hilflos auf dem Stuhl und beobachtete das Geschehen mit so etwas wie Ehrfurcht, wobei er nicht nur die faszinierenden Vorbereitungen des Friseurs sah, sondern sich auch vorstellte, wie gut er anschließend aussehen und wie erfreut Simplicity sein würde, wenn sie den neuen Dodger erblickte, sauber und elegant, ein richtiger junger Herr. Er stellte fest, dass Sweeneys Hände Narben an jedem Finger hatten, obwohl sie sich kaum zeigten, weil er den Rasierschaum mit der manischen Begeisterung eines Zirkusclowns in Dodgers Gesicht verteilte. Das Zeug geriet praktisch überallhin, denn es enthielt so viel Luft, dass es schwebte und in der leichten Brise flog. Es schien den Friseursalon verlassen zu wollen, und Dodger teilte diesen Wunsch, zumal der unangenehme Geruch nicht mehr nur undeutlich war, sondern immer aufdringlicher wurde.

»Fühlen Sie sich nicht gut, Mister Todd?«, fragte er. »Ihre Hände zittern ein wenig, Mister Todd.«

Das Gesicht des Friseurs sah aus wie Stahl, wenn Stahl schwitzen konnte, und seine Augen wirkten wie Löcher im Schnee. Immer wieder glitt sein Blick in die Ferne, wie in eine andere Welt. Vorsichtig schob Dodger das Tuch beiseite und behielt den Mann dabei aufmerksam im Auge. Meine Güte, jetzt begann Mister Todd auch noch zu murmeln; die einzelnen Worte gingen ineinander über, als sie aus dem Mund zu kriechen versuchten, wobei es einige von ihnen so eilig hatten, dass sie bestrebt waren, die vor ihnen zu überholen.