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»Meine Güte, der Schmutzige Benjamin, wie er leibt, lebt und stinkt. Unternimmst du einen kleinen Bummel zu den feinen Leuten? Was liegt heute an? Wie lautet dein Auftrag? Seit mindestens sieben Ecken folgst du mir auf Schritt und Tritt, und ich habe mehrmals die Richtung gewechselt. Seltsam, dass du haargenau denselben Weg nimmst, du abscheulicher kleiner Wicht! Ein Spion! Himmel, du riechst wie ein Hund, der sich im eigenen Urin gewälzt hat, du schnaufst wie ein Schwein in Nöten, und wenn du nicht bald was sagst und mir Auskunft gibst, dann bei Gott kriegst du von mir eine Abreibung, die du so schnell nicht vergisst.«

Dodger begriff plötzlich, dass der Mann gar nichts sagen konnte, weil er ihm den Hals zudrückte. Wodurch Benjamin aussah, als stünde er kurz vor einer Explosion. Dodger lockerte den Griff und stieß den glücklosen Benjamin tiefer in die Gasse hinein.

Die Gasse war schmal, und es hielt sich niemand in der Nähe auf. »Du kennst mich, Benjamin, nicht wahr?«, sagte Dodger. »Du erkennst mich auch in diesen neuen Klamotten, oder? Ich bin’s, der gute alte Dodger, der nie jemandem auf die Füße tritt, wenn er auch danebentreten kann. Ich habe dich für meinen Freund gehalten, hab ich wirklich. Aber Freunde spionieren ihren Freunden nicht nach, oder?«

Der Schmutzige Benjamin stand erstarrt vor Dodger und brachte mit etwas Mühe hervor: »Die Leute sagen, dass du den Friseur umgebracht hast, du weißt schon, den mit den vielen Toten im Keller, stimmt’s?«

Dodger zögerte. In der Kanalisation war das Leben viel einfacher, aber er hatte vor Kurzem gelernt, dass die Wahrheit ein Nebel war, wie Charlie es ausgedrückt hatte, und dass die Leute ihr die Form gaben, die sie ihrer Meinung nach haben sollte. Er hatte nie jemanden getötet, doch das spielte keine Rolle, denn der Nebel der Wahrheit wollte nicht wissen, dass der arme Mister Todd ein anständiger Mann gewesen war, der im Dienst des Herzogs von Wellington so viel Schreckliches erlebt hatte, dass sein Geist ebenso verkrüppelt war wie die Verwundeten, die er behandeln musste. Der arme Teufel war tatsächlich eher ein Kandidat für Bedlam als für den Galgen, obwohl jeder, der einigermaßen bei Verstand, aber nicht bei Kasse war – den Armen, die nach Bedlam kamen, blieb keine Wahl –, den Henker vorgezogen hätte. Doch der Dunst der Wahrheit mochte keine unangenehmen Einzelheiten, und deshalb musste es einen Schurken und einen Helden geben.

Es war ein verdammtes Ärgernis, aber vielleicht konnte er es ausnutzen. Er strafte den Schmutzigen Benjamin mit einem tadelnden Blick und sagte: »So in der Richtung, aber nicht ganz. Wenn du mein Freund sein willst, solltest du mir verraten, warum du mich verfolgt hast. Andernfalls mache ich Hackfleisch aus dir.«

Es war keine Ruhmestat, dem Schmutzigen Benjamin auf diese Weise zu drohen, denn er war nicht mehr als ein armer Kerl, der Frauen die Unterwäsche von der Wäscheleine stahl und Botengänge für jeden erledigte, der über ihm stand und etwas Geld übrig hatte – sein größter Ehrgeiz bestand darin, bis zum nächsten Tag zu überleben. Bei jemandem wie ihm verspürte man den Wunsch, sich nach der Begegnung mit ihm die Hände zu waschen. Er war ein Wurm, der sich immerzu wand. Er gehörte zu den verlorenen Seelen, zu den Menschen, die hinter der Tür gestanden hatten, als Gott vorbeigekommen war. Solche Menschen streiften die Welt nur, berührten sie kaum und fürchteten sich dauernd vor etwas.

Derzeit schien es dem Schmutzigen Benjamin an Furcht nicht zu mangeln, und Dodger gab nach und sagte: »Na ja, vielleicht mache ich doch kein Hackfleisch aus dir, denn ich kenne dich, Ben, du sagst mir bestimmt, was ich wissen will, nicht wahr? Und ich möchte wissen, wer dich beauftragt hat, mich zu verfolgen. Ich tue dir nichts, wenn du mir antwortest.«

Dodger und der Schmutzige Benjamin wandten sich um, als sich die Schatten veränderten und Missus Sharples enthüllten, die in Begleitung von Simplicity um die Ecke spähte. »Es tut mir leid, wenn ich die beiden Herren bei ihrem … äh … Gespräch störe, aber ich glaube, es wird Zeit für die Heimkehr, wenn Sie nichts dagegen haben.«

Dodger betrachtete wieder den unglücklichen Schurken, der sich vor ihm duckte. »Benjamin«, sagte er streng, »ich habe nichts gegen dich. Dies ist die letzte Gelegenheit. Sag mir, für wen du arbeitest und warum. Ich erzähle nicht weiter, dass ich es von dir weiß.«

Der Schmutzige Benjamin weinte, und nach dem Geruch zu urteilen, waren es nicht nur Tränen, die er vergoss. Er sank auf die Knie und wimmerte erbärmlich.

Und Dodger beugte sich über ihn und flüsterte: »In meiner Hand habe ich das Rasiermesser des Friseurs Sweeney Todd, und noch ist es nicht aufgeklappt. Aber es ruft mich, es fordert mich auf, Gebrauch von ihm zu machen … Ich rate dir dringend, mir zu sagen, für wen du arbeitest, Benjamin. Hast du verstanden?«

Die Worte kamen so schnell aus Benjamins Mund, dass sie kaum auseinanderzuhalten waren, aber Dodger verstand Folgendes: »Es war Harry Klatsch von Hackney Marshes, aber es heißt, dass einige wichtige Typen wissen wollen, wo du steckst und ob du das Mädchen bei dir hast. Mehr weiß ich nicht, ganz ehrlich. Es ist eine Belohnung ausgesetzt.«

»Wer hat sie ausgesetzt?«, fragte Dodger.

»Keine Ahnung. Harry Klatsch hat mir nie nichts gesagt, das ist die reine Wahrheit. Hat mir einen Anteil am Gewinn versprochen, hat er.«

Dodger starrte in das Gesicht. Nein, der Bursche log nicht, Benjamin war leichte Beute, und deshalb sagte er: »Nun, Benjamin, als dein Freund verlasse ich mich darauf, dass du Harry Klatsch nichts von unserer Begegnung erzählst.« Der kleine Mann auf dem Boden nickte hastig. »Und nun muss ich noch einen Auftrag ausführen. Ich habe versprochen, dir nichts anzutun, aber dies« – er trat zu – »kommt von Missus Sharples. Entschuldige, aber sie bat mich darum.«

Benjamin bedachte ihn mit einem Stöhnen, Missus Sharples mit einem breiten, schrecklichen Grinsen. Sie sagte: »Gut gemacht, junger Mann, noch einmal!«

Dodger dachte: Dies ist der richtige Zeitpunkt dafür, jener Mann zu sein, der die Welt von Sweeney Todd befreit hat. Und so sagte er ruhig: »Simplicity und auch Sie, Missus Sharples, hören mir jetzt bitte gut zu. Ich habe Grund zu der Annahme, dass gewisse Leute nach Simplicity suchen, weil sie ihr Böses wollen, und deshalb entnehme ich sie der freundlichen Fürsorge der Mayhews. Ich bin sicher, dass sie Simplicity gut behandeln, aber mir schaudert bei der Vorstellung, dass sie den üblen Leuten die Tür öffnen.«

»Aber sie befindet sich in ihrer Obhut«, wandte Missus Sharples ein.

Dodger öffnete den Mund, hörte aber ein Geräusch, das von Simplicity stammte – sie sprach. Nicht laut, aber auch nicht sehr leise. Mit fester Stimme sagte sie: »Ich bin eine verheiratete Frau, deren Mann sich als schwacher, dummer Junge herausgestellt hat, Missus Sharples, und ich glaube, dass Dodger in diesem Fall recht hat. Deshalb schlage ich vor, dass wir so schnell wie möglich zum Haus zurückkehren.«

»Ja«, bekräftigte Dodger. »Dem stimmen Sie doch sicher auch zu, Missus Sharples, oder?«

Die Haushälterin blickte auf den Schmutzigen Benjamin hinab. »Was soll mit ihm geschehen?«

Dodger sagte zu dem Häufchen Elend namens Benjamin: »Hör gut zu, mein Freund, ich weiß, wer du bist und wo du wohnst, und ob ich das weiß! Sammelst du noch immer Korsetts? Wenn du wieder aufstehen kannst, wirst du Folgendes tun: Du machst dich auf und folgst dem Verlauf der Straße dort, du wirst so schnell wie möglich gehen, und zwar immer in die gleiche Richtung, und du drehst dich nicht – ich wiederhole: nicht – um, bevor es vollkommen dunkel geworden ist, hast du verstanden? Denn du kennst mich, und ich bin Dodger. Der neue Dodger. Ich bin der Dodger, der Mister Sweeney Todd überwältigt hat. Der Dodger, der sein Rasiermesser besitzt. Und wenn du mich hintergehst, komme ich eines Nachts neben dir aus dem Boden und sorge dafür, dass du nie wieder erwachst.«