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Dodger hörte sich dies alles mit offenem Mund an, bis sich Charlie an ihm vorbeischob und sagte: »Liebe Angela, könnte der junge Mann morgen Abend seinen Freund und Mentor Solomon Cohen mitbringen? Er ist ein ausgezeichneter und renommierter Hersteller von Schmuck und Uhren.«

»Großartig. Ich würde mich freuen, ihn kennenzulernen. Ich glaube, ich habe von ihm gehört. Was dich betrifft, Charlie … Du bist selbstverständlich ebenfalls eingeladen, das weißt du ja, und ich spräche gern unter vier Augen mit dir, wenn Mister Dodger gegangen ist.«

Die letzten Worte brachten eine gewisse Endgültigkeit zum Ausdruck, und Dodger stellte fest, dass er die Hand gehoben hatte. Da sie schon einmal oben war, sagte er: »Entschuldigen Sie, Miss, dürfte ich sehen, wo Miss Simplicity schlafen wird?«

»Warum, wenn ich fragen darf?«

»Wissen Sie, Miss, ich kann durch die meisten Fenster in dieser Stadt einsteigen, und wenn ich dazu in der Lage bin, so dürfte auch jemand dazu imstande sein, der fieser ist als ich, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

Er rechnete mit Tadel, aber stattdessen schenkte ihm Angela ein breites Lächeln. »Sie erkennen keinen Herrn an, nicht wahr, Mister Dodger?«

»Ich weiß nicht, was Sie meinen, Miss, aber ich möchte mich vergewissern, dass Simplicity sicher aufgehoben ist.«

»Ausgezeichnet, Mister Dodger. Wie Sie wünschen. Ich werde Geoffrey anweisen, Ihnen das Zimmer und die Eisenstäbe am Fenster zu zeigen. Auch ich mag keine Eindringlinge, und ich frage mich gerade, ob ich nicht Sie oder einen Ihrer Kollegen damit beauftragen sollte, nach einem bisher unentdeckt gebliebenen Weg ins Haus zu suchen. Vielleicht können wir diese Frage morgen erörtern. Jetzt muss ich mit Charlie sprechen.«

10

Dodger benutzt seinen Kopf

Dodger eilte nach Hause, in gewisser Weise getragen von der Erinnerung an das Treffen und auch von den Worten, die Charlie ihm beim Verlassen des Hauses zugeflüstert hatte – wonach Angela mehr Geld besaß als jeder, der nicht König oder Königin war. Allerdings, eine piekfeine Party klang nach einer harten Nuss. Er ging ziemlich schnell, bis er den ersten Gullydeckel erreichte: einen Eingang zu seiner Welt. Einen Moment später war trotz der guten Klamotten eine deutliche Abwesenheit von Dodger zu beobachten, untermalt vom Geräusch des wieder an seinen Platz gerückten Gullydeckels.

Er orientierte sich nach Gefühl, mithilfe von Echos und natürlich anhand des Geruchs. Jede Kanalisationsröhre in der Stadt hatte ihren eigenen Geruch, und er konnte sie so gut unterscheiden wie ein Weinkenner verschiedene Jahrgänge. Unter Londons Straßen machte er sich auf den Weg nach Hause und änderte nur einmal die Richtung, als sein aus zwei Tönen bestehender Pfiff Antwort erhielt von einem Kollegen, der bereits in diesem Tunnel arbeitete. Draußen war es noch hell, was die Sicht in der Nähe eines gelegentlichen Gitterrosts verbesserte, und er kam mühelos voran – diesmal war nicht das kleinste Rinnsal zu entdecken. Fast geistesabwesend erforschten seine Finger im Vorbeigehen eine geheime Nische und fanden einen Sixpence, ein Zeichen dafür, dass jemand oder etwas über ihn wachte.

Oben in der komplizierten Welt erklangen die Geräusche von Hufen, Schritten und Kutschen, und dann, ganz plötzlich, hörte Dodger einen Laut, und er erstarrte: ein gespenstisches Quietschen wie von leidendem Metall, vielleicht hervorgerufen von einem Gegenstand, der an einem Rad feststeckte. Es war ein Quietschen, das über die Seele kratzte und das man nie wieder vergaß, hatte man es einmal vernommen.

Die Kutsche! Wenn er sehen konnte, wohin sie fuhr, fand er vielleicht die Männer, die Simplicity verprügelt hatten. Er freute sich bereits darauf, es den Mistkerlen heimzuzahlen.

Die Kutsche rollte oben über die Straße, und Dodger verfluchte den Umstand, dass der nächste Gullydeckel ein ganzes Stück entfernt war. Zum Glück befand er sich in einem einigermaßen sauberen Tunnel, was ihm dabei half, den gebrauchten Anzug zu schonen. Er lief durch die Kanalisationsröhre und wäre diesmal nicht einmal für einen Shilling stehen geblieben. Schließlich erreichte er den Kanaldeckel und holte die Brechstange hervor, doch gerade, als er den Deckel anheben wollte, hörte er das Klappern von Hufen und das Rasseln von Gurtzeug. Etwas Dunkles erschien über dem Gullydeckel, und das Licht des Tages verschwand hinter dem Geruch von Dung. Der Wagen eines Brauers blieb stehen und schien sich auf dem Deckel niederzulassen wie ein alter Mann, der nach langer Suche endlich einen Abort gefunden hat. Der Vergleich war so abwegig nicht, denn die Pferde vor dem Wagen hielten Ort und Zeitpunkt für geeignet, ihre Blasen zu entleeren. Es waren große Tiere, ein langer Nachmittag lag hinter ihnen, und deshalb war der Schauer nicht schon nach wenigen Augenblicken zu Ende, sondern lief auf ein längeres Duett für die Göttin der Erleichterung hinaus. Da der einzige Weg nach unten führte, gab es für Dodger bedauerlicherweise keine Möglichkeit, diesem ganz besonderen Regen auszuweichen.

In der Ferne wurde das Quietschen leiser und verschmolz immer mehr mit den anderen Geräuschen der Straßen. Hinzu kam das Rumpeln der Bierfässer, die nun von kräftigen Männern über eine Rampe gerollt wurden. Schon nach kurzer Zeit war vom quietschenden Rad der Kutsche nichts mehr zu hören.

Dodger kannte die Routine der Männer, die über ihm arbeiteten. Wenn sie alle leeren Fässer aus dem Pub geholt und durch volle ersetzt hatten, genehmigten sie sich hundertpro ein Pint Bier. Bei diesem fröhlichen Unterfangen würde ihnen der Wirt Gesellschaft leisten, angeblich um die Qualität des gelieferten Biers zu überprüfen, obwohl der wahre Grund lautete: Wenn Männer die ganze Zeit über schwere Fässer schleppen mussten, so hatten sie sich doch ein Bier verdient, oder etwa nicht? Dieses Ritual war vermutlich so alt wie das Bier selbst. Manchmal tranken die Männer von der Brauerei und der Wirt ein zweites Pint, wenn ihre Entschlossenheit, Aufschluss über die Qualität des Biers zu erlangen, besonders ausgeprägt war. Dodger roch es, trotz der Ausdünstungen der Pferde und obwohl er eine gewisse Menge an Pferdeessenz an sich trug; er bekam sogar Durst davon.

Er hatte den Geruch, der von den Brauereien in die Kanalisation herabwehte, immer gemocht. Ein Geezer namens Blinky, von Beruf Rattenfänger, hatte ihm einmal erzählt, dass die Ratten in der Kanalisation unter den Brauereien immer besonders groß und dick waren, und angeblich wurde mehr für sie bezahlt, weil so viel Angriffslust in ihnen steckte.

Dodger musste sich eingestehen, dass er die Kutsche nicht mehr einholen konnte. Die Männer weiter oben machten sich mit großer Gewissenhaftigkeit an die Überprüfung der Bierqualität. Zwar konnte er zum nächsten Gullydeckel laufen, aber bis er ihn erreichte, war die Kutsche sicher längst im Verkehr der Stadt verschwunden. So blieb ihm nichts anderes übrig, als sich über eine verpasste Gelegenheit zu ärgern.

Er ging trotzdem weiter, auch deshalb, weil die großen Zugpferde vor dem Brauereiwagen nicht nur Blasen hatten, die sie entleeren konnten – deshalb folgten ihnen einige Gassenkinder mit Eimer und Schaufel. Oft hörte man, wie sie ihre Ware bei den feineren Häusern anpriesen, wo die Leute Gärten hatten und Dünger brauchten. »Einen Penny der Eimer, Missus!«, riefen sie. »Gut zusammengetreten!«

Beim nächsten Gully kletterte Dodger nach oben und setzte den Weg durch das Labyrinth aus Straßen und Gassen fort, müde, hungrig und sich durchaus der Tatsache bewusst, dass sein gebrauchter Gebrauchtanzug nicht einen Fleck hatte, sondern ganz und gar aus Flecken bestand. Jacob und seine Söhne verstanden sich ziemlich gut darauf, Kleidung zu reinigen, aber in diesem Fall erwartete sie harte Arbeit. Was für Dodger bedeutete, dass er auf seine Lumpen zurückgreifen musste.